Fahndung nach Kidnappern des Milliardärsohns läuft auf Hochtouren

Polizei befreite entführten Markus Würth in einem Waldstück bei Würzburg. Zur Lösegeldzahlung von drei Millionen Euro kam es nicht.
Schlitz-Queck. Das Drama ging gerade noch einmal gut aus - für den entführten Markus Würth. Der 50-jährige Sohn von Reinhold Würth, Inhaber der gleichnamigen Schrauben-Dynastie aus dem schwäbischen Künzelsau, wurde am Mittwoch von der Behinderteneinrichtung des Hofgutes Sassen verschleppt, in dem er seit rund 30 Jahren wegen eines Impfschadens mit einem Handicap lebt. Nach umfangreichen Ermittlungen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft befreite eine Eliteeinheit der Polizei den Enführten am Donnerstagmorgen wohlbehalten in einem Waldgebiet des Guttenberger Forstes in Höchberg bei Würzburg, gut 100 Kilometer vom Tatort in Queck entfernt.
Die Staatsanwaltschaft Gießen und das Polizeipräsidium Osthessen teilten in einer gemeinsamen Presseerklärung mit, dass am Mittwochmittag, 17. Junj, in Schlitz ein 50-jähriger Mann zunächst als vermisst gemeldet wurde. Daraufhin wurden durch die Polizei umfangreiche Suchmaßnahmen eingeleitet. Wenig später erreichte die wohlhabenden Eltern des vermissten Opfers eine Lösegeldforderung in Millionenhöhe. Medien berichten von zwei bis drei Millionen Euro. Zu einer Geldübergabe kam es indes nicht, weil der oder die Täter offenbar "kalte Füße" bekamen.
Schon seit gestern lief ein Großeinsatz der Polizei im Vogelsbergkreis und im benachbarten Unterfranken. Und auch am Freitag war in dem kleinen Ort viel los. Das Gelände und die Zufahrtsstraßen zum Hofgut Sassen waren am Donnerstag weiträumig abgesperrt, am Boden fuhren dutzende Polizeifahrzeuge, in der Luft kreisten Hubschrauber, zudem waren Suchhunde im Einsatz. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft Gießen sprachen zunächst von einem Vermisstenfall - um die Such- und Fahndungsmaßnahmen nicht zu gefährden wurde eine Nachrichtensperre verhängt. Doch schon am späten Nachmittag und Abend sickerte in sozialen Netzwerken rund um Schlitz der Name "Würth" durch.
Die Ermittlungen zu den Tätern wurden intensiviert, der oder die Kidnapper konnten bisher jedoch noch nicht gefasst werden. Die Fahndung läuft auf Hochtouren. Beim Polizeipräsidium Osthessen wurde unterdessen eine Sonderermittlungs-Gruppe gebildet, Näheres teilten Polizei und Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mit.
Zeugenhinweise bitte an die Polizei in Fulda unter der Telefonnummer 0661/1050 oder jede andere Polizeidienststelle.
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Ja, ist denn hier die Bronx?
Ein Zwischenruf von Hans-Peter Ehrensberger
"Mumifizierte Babyleiche ein halbes Jahr in Kinderwagen versteckt", "Einbruchsserie im Vogelsberg", "Ein Toter bei illegalem Autorennen auf der Petersberger Straße in Fulda", "Milliardärssohn in Schlitz gekidnappt". Vier Headlines, die bundesweit nicht nur im Boulevard-Blätterwald für Schlagzeilen sorgten und über die auch wir berichten müssen – um unserer Chronisten- und Informationspflicht zu genügen, keinesfalls um niedere Instinkte und Voyeurismus zu befriedigen. Gleichwohl frage ich mich, wo wir hier eigentlich sind. Leben wir schon in der New Yorker Bronx oder Klein-Chicago oder doch noch im eher beschaulichen, mehr oder weniger friedfertigen, christlich geprägten und konservativen Osthessen?
So langsam kommen mir große Zweifel – und auch die Ängste werden nicht unbedingt kleiner. Können mich die Ordnungshüter noch ausreichend (be)schützen? Hat die Groß- und/oder überregionale Schwerstkriminalität auch auf unsere Region übergegriffen? Oder ist es doch nur eine zufällige Häufung von außergewöhnlichen Ereignissen, die über unsere (gar nicht mehr so) heile Welt hereinbrachen? Und da haben wir noch nicht einmal die jüngste Zunahme der Suizidfälle erwähnt, über die wir nach unserem Pressekodex überhaupt nicht berichten, die aber zwischen den Zeilen in den Todesnachrichten zu lesen sind. Eine plausible, vernünftige und befriedigende Antwort auf die gestellten Fragen kann ich – ehrlich gesagt – auch nicht geben. Und ob Platitüden wie "so ist das Leben eben" weiterhelfen, wage ich auch zu bezweifeln. Gleichwohl könnte uns allen ein wenig mehr Gottvertrauen und die Ehrfurcht vor dem Mitmenschen helfen. "Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’" auch keinem Andern zu", gab mir meine Mutter als eine Prämisse mit auf meinen Lebensweg. Und mit diesem Motto ist es ein ganz weiter Weg in die Bronx oder nach Chicago...