Fahrendes Mahnmal
Von CHRISTOPHER GBEL Fulda. Es ist keiner der Zge, in denen vor fast auf den Tag genau vor 66 Jahren Juden aus Fulda und Umgebung in die K
Von CHRISTOPHER GBEL
Fulda. Es ist keiner der Zge, in denen vor fast auf den Tag genau vor 66 Jahren Juden aus Fulda und Umgebung in die Konzentrationslager Auschwitz, Theresienstadt, Riga-Kaiserwald oder Buchenwald deportiert wurden. Doch die Enge, Mensch an Mensch im Inneren des Zuges der Erinnerung bedrckt allein durch die Atmosphre.
31 Fuldaer Kinder
Drei Tage stand das fahrende Mahnmal auf Gleis 36 des Fuldaer Bahnhofes, von dem am 8. Dezember 1941 die ersten jdischen Mitbrger deportiert wurden, darunter 31 Kinder, die ihre Heimat nie wiedersahen. Die Kinder wussten nicht, wohin sie gebracht wurden, was sie erwarten wrde, hofften vielleicht auf Besseres und wurden Opfer des tausendfachen Massenmords eines unmenschlichen Regimes. Unbekannt verzogen oder Ausgewandert wurde voller Hohn auf die Meldekarten der Juden geschrieben.
Wir haben unsere Schler auf diese Ausstellung vorbereitet, indem wir sie unter anderem fragten, was sie auf eine Reise mitnehmen wrden, deren Ziel sie nicht kennen, erzhlt Christina Wehnert, Lehrerin einer der achten Klassen an der Knzeller Rudolf-Steiner-Schule. Handy und MP3-Player seien am hufigsten genannt worden. Es ist wichtig, dass sich die Kinder von heute ber die Gruel der Nazis informieren, sagt die Lehrerin und teilt damit die Meinung vieler anderer: Mehr als 60 Schulklassen besuchten die Ausstellung in den beiden Waggons.
Waren die Schler vor dem Eintritt in die engen Wagen noch eher ausgelassen, so stellte sich die Situation am Ausgang ganz anders dar: Nachdenken, Schweigen, Bedrcktheit herrrschten vor. Die Schicksale von europischen Kindern, die kurzen Biografien, die schrecklichen Tode, die sie erlitten das kann niemanden kalt lassen.
Sie alle waren Kinder, das jngste die zweieinhalb Monate alte Hanna Hess, die das ganze Leben noch vor sich hatte. Und sie wurden von Hitler und seinen Schergen ermordet. Auf den ausgestellten Fotos lcheln sie in die Kameras, sitzen auf den Armen ihrer Eltern, wirken frhlich. Fast immer lauten die letzten Stze der Kinderbiographien gleich: Ermordet, erschossen, gestorben.
Ein Teil des zweiten Waggons ist den Opfern aus Fulda und Umgebung gewidmet, zusammengetragen von Brgern, Schulen und der Hochschule Fulda. Auf Drngen des Hochschulprofessors Dr. Peter Krahulec machte der Zug der Erinnerung Halt in Fulda. Ein eigenes Plakat mit Namen jdischer Opfer geht mit der Ausstellung auf seine weitere Reise, deren Ziel im Frhjahr 2008 das Konzentrationslager Auschwitz sein wird.
Fuldas Stadtarchivar Thomas Heiler gab in seiner Ansprache zur Erffnung der Ausstellung einen historischen Rckblick. Bis zum Beginn des Jahres 1933 lebten 1.119 Juden in Fulda, das zu dieser zeit etwa 28.000 Einwohner zhlte. Neun Jahre spter gab es niemanden mehr, den die Statistik htte erfassen knnen, sagte Heiler. Einige der jdischen Fuldaer waren emigriert, die meisten wurden deportiert.
Nicht zustndig
Eine Abteilung der Ausstellung stellt sich den Handlangern Hitlers, darunter Reichsverkehrsminister Julius Dorpmller, Adjudant Karl Wolff, Staatssekretr Albert Ganzenmller, Fahrdienstleiter Franz Novak und Martin Zabel, bei der Reichsbahn Gterzug-Fahrplanreferent in Krakau, nach Kriegsende Vizeprsident der Bundesbahndirektion Kassel. Ich habe zwar mal meine Unterschriften gegeben, aber zustndig war ich nicht, klingt sein ausgestelltes Zitat wie Hohn und bezeichnend fr viele Ex-Nazis, die nach 1945 hohe Posten in Politik und Wirtschaft inne hatten.
Fuldaer, vergesst uns nicht
Fuldaer, vergesst uns nicht, richtete Thomas Heiler einen eindringlichen Aufruf an all jene, die die Gruel der Nazis nur noch aus Geschichtsbchern oder Filmen kennen. Opfer gab es berall, in jeder Stadt, in jedem Dorf ob Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle oder Andersdenkende. Viele schauten weg, glaubten an die rassistische Ideologie, untersttzen sie gar.
Der Zug der Erinnerung mahnt, erinnert, rttelt auf. Er prangert Vlkermord und Rassismus an, klrt auf und ruft Kinder ins Gedchtnis, die niemals die Chance bekamen, erwachsen zu werden, ihr Leben zu leben.
+++ HINTERGRUND +++
Durch Spenden finanziert
Fulda. Der Zug der Erinnerung wird allein durch Spenden von Einzelpersonen, Gruppen und gesellschaftlichen Organisationen finanziert. Die Deutsche Bahn und der Bund tragen derzeit nicht zur finanziellen Untersttzung des Zuges der Erinnerung bei. Um alle Stdte, die auf der Warteliste stehen, anzufahren, msste die Strecke von derzeit 3.000 Kilometern mindestens verdoppelt werden. Dazu wre eine Summe von mehreren hunterttausend Euro ntig. Spenden fr den Zug der Erinnerung knnen auf das Konto 0352550392 bei der Kreissparkasse Kln, BLZ 37050299, Empfnger Zug der Erinnerung e.V. geleistet werden.(cdg)