Der gläserne Mensch
Von HANS-PETER EHRENSBERGERBig brother is watching you. Einiges hat er vorhergesagt, vielleicht auch angestoen, Manches bef
Von HANS-PETER EHRENSBERGER
Big brother is watching you. Einiges hat er vorhergesagt, vielleicht auch angestoen, Manches befrchtet, vor Vielem gewarnt George Orwell, als er im Jahre 48 des vorigen Jahrhunderts mit seinem Zahlendreher-Zukunftsroman 1984 schon seinerzeit auf eine sptere, gar nicht mal so ferne, vor allem aber bengstigende und auch bedrohliche Zeit anspielte.
Nun, mittlerweile sind wir von der bitteren Realitt lngstens einge-, ja weit berholt. Der Groe Bruder berwacht uns allerorten und rund um die Uhr. Mal mehr oder weniger diskret und heimlich, meistens jedoch offen und unverschmt: Mit Video-Kameras auf Bahnhofsvorpltzen und in U-Bahnen-Stationen, auf Flughfen und in Fuballstadien, in ffentlichen Toiletten und im Foyer von Kreditinstituten. Und begrndet dies damit, besser versucht, sein Gebahren dergestalt zu entschuldigen, dass dadurch mgliche Straftaten verhindert oder zu deren Aufklrung beigetragen werden kann.
Aktuelles Beispiel: Das automatisierte Scannen von Kfz-Kennzeichen, die flchendeckende elektronische Beobachtung von Autofahrern. Dies sei unverhltnismig und verletze eindeutig das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, argumentierten die Bundesverfassungsrichter und gaben den Klagen dreier Privatleute aus Hessen und Schleswig-Holstein sowie den Sorgen warnender Datenschtzer recht.
Und hielten unseren Parlamentariern einmal mehr den Spiegel vor, wie schlampig heutzutage mitunter Gesetze vorbereitet und gemacht werden. Gesetze, die vielfach berhaupt nicht mit dem Recht und der Verfassung vereinbar sind. Mit ihrem Spruch sprachen die obersten Richter aus Karlsruhe jedenfalls eine deutliche Mahnung aus und lieen das eh schon geringe Vertrauen der Brger in die Staatsmacht und die sie reprsentierenden Politiker noch mehr schwinden. Wenn man sich dann noch die Erfolgsquote ansieht, die gerademal bei 0,3 Promille liegt (anders ausgedrckt, drei Treffer bei 10.000 Autos), dann fragt man sich sowieso, wie ein Innenminister Bouffier die 300.000 Euro teuren Gerte berhaupt rechtfertigen will.
Zu diesem ffentlichen Voyeurismus kommt indes noch der ganz private Exhibitionismus dazu: Das persnliche Online-Outen in Internetagebchern, mit Video-Clips und Blogs ber Geburtstagspartys, Schlafzimmer-Praktiken oder Disco-Saufgelage, halbnackt am Schwulen-strand in Maspalomas oder schamlos im lokalen Fasching. Der glserne Mensch wird immer freizgiger, ber Kredit- und Chip-Karten lassen sich Bewegungsprofile und Genussverhalten, Geldprobleme und Krankheitsbilder erstellen die nicht nur bei Bewerbungsgesprchen von Chefs, sondern auch anderweitig missbruchlich genutzt und verwertet werden knnen. Sptestens 2008 ist die Spezies ffentlicher Mensch geboren. Orwells 1984 lsst (schn?) gren!