Jaspersen: „EHEC ist ernste Sache“

"EHEC ist eine sehr ernste Sache und keinesfalls Panikmache", sagt Prof. Dr. Daniel Jaspersen, Direktor der Medizinischen Klinik II am Klink
"EHEC ist eine sehr ernste Sache und keinesfalls Panikmache", sagt Prof. Dr. Daniel Jaspersen, Direktor der Medizinischen Klinik II am Klinkum Fulda. Deshalb stehe das Krankenhaus auch sozusagen "Gewehr bei Fuß" und habe eine Station komplett geräumt und als Isolierstation eingerichtet.
Dort wurden und werden die bis dato für die Region Osthessen bestätigten drei EHEC-Fälle behandelt, wovon einer als ernst einzustufen ist – der nämlich einer 31-Jährigen, im fünften Monat Schwangeren, bei der infolge der EHEC-Infektion das "hämolytisch-urämische Syndrom (HUS)" auftrat, das zu lebensbedrohlichem Nierenversagen führen kann. Die junge Frau war auf die Intensivstation des Klinikums verlegt worden, ihr geht es nach Aussage von Prof. Jaspersen, der bei der Patientin mehrmals täglich eine Visite durchführt, unterdessen "gottlob etwas besser". Bisher wurden bei der Frau zwei Blutwäschen vorgenommen, drei weitere sollen folgen. Über den Zustand des ungeborenen Kindes wollte der Arzt, um die Rechte der Patientin zu schützen, keine Auskunft geben. Täglich würden deren Blutwerte überprüft, die interdisziplinäre Zusammenarbeit am Klinikum funktioniere ausgezeichnet.
Prof. Jaspersen berichtete außerdem von fünf weiteren möglichen EHEC-Verdachtsfällen am Klinikum Fulda. Einen abschließenden Befund – die Proben wurden auf EHEC in einem Spezial-Labor in Heidelberg untersucht – sollte es bis zum gestrigen Freitag geben. Eine junge Frau und einer vierjähriger Junge sind bereits nach Hause entlassen worden, da sich bei ihnen das gefährliche HUS-Syndrom nicht nachweisen ließ. Die junge Frau hat sich wohl auch bei einem Hamburg-Aufenthalt infiziert, bei dem Buben war die Infektionskette nicht mehr nachvollziehbar.
EHEC, vor allem mit HUS als Folge, stellt nach Einschätzung von Prof. Jaspersen durchaus eine ernsthafte gesundheitliche Bedrohung dar und könne den Charakter einer "epidemologischen Situation" erreichen. Die Erkrankungen seien quantitativ und qualitativ regional sehr unterschiedlich, es herrsche diesbezüglich eindeutig ein Nord-Süd-Gefälle. Inzwischen wurden in Deutschland mehr als 2000 EHEC-Fälle erfasst, wovon (bis Redaktionsschluss) 17 tödlich verliefen. Besonders in Hamburg ist die Situation mit mehreren Todesfällen und rund 200 Erkrankungen besorgniserregend. Auch die betroffene Schwangere in Behandlung des Klinikums Fulda habe sich den Recherchen zufolge am 14. Mai bei einem Aufenthalt in der Hansestadt wohl über Salatgurken oder vergleichbares Gemüse infiziert. Bezüglich der Infektionsquellen – so Jaspersen weiter – gebe es über die vom Robert-Koch-Institut ausgesprochenen Warnungen vor rohen Tomaten, Gurken und Blattsalaten keine neuen Erkenntnisse. Die Universität Münster habe zwar den Erreger genau bestimmt, über die tatsächliche Infektionskette lägen aber noch keine "wirklich spruchreifen Erkenntnisse" vor.
Pro Jahr werden in Deutschland "normalerweise" rund 1.000 EHEC-Fälle registriert, auch am Klinikum Fulda wurden in der Vergangenheit einzelne Fälle behandelt. Die Situation stellt sich in diesen Tagen jedoch neu und ernsthafter dar – eben wegen HUS und weil das mutierte Bakterien besonders aggressiv auftritt und dagegen auch kein Antibiotikum wirkt. "Diesbezüglich kann ich mich in meiner langjährigen Praxis an keinen einzigen derartigen Fall erinnern, so der Experte.
Auch Roland Stepan, Leiter des Kreisgesundheitsamtes Fulda, spricht von einer "außergewöhnlichen Situation und ungewöhnlichen Konstellation." Einen derartigen EHEC-Ausbruch mit mehr als 1200 ernsthaften Er krankungen deutschlandweit hätte es noch nie gegeben. Panikmache und Überreaktionen seien jedoch unangebracht, denn das Risiko für den einzelnen sei bei entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen und Verhaltensregeln relativ gering. In Anlehnung an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts rät Stepan zu besonderer Vorsicht bei rohen Gurken, Tomaten und Blattsalaten bzw. zum Erhitzen derselben über 70 Grad Celsius, was den EHEC-Erreger weitgehend abtötet. Außerdem sollte gründliches Abwaschen der Gemüsesorten, häufiges Händewaschen und peinlichste Hygiene in der Küche zu den selbstverständlichen Vorsorgemaßnahmen gehören. Laut Stepan sind die Lebensmittelüberwachungen im Kreis verstärkt worden, ein Produkt, dessen Lieferkette bis nach Hamburg zurückverfolgt werden konnte, sei – noch vor Einschreiten der Kontrolleure – vom Händler selbst aus dem Regal genommen, vernichtet und die Verbraucher rechtzeitig informiert worden. Stepan sieht die Komplexität der EHEC-Problematik und kann auch die betroffenen Landwirte verstehen, die auf vielen ihrer Produkte sitzen blieben.
Der Leiter des Gesundheitsamtes bringt noch einen grundsätzlichen Aspekt mit ins Spiel: "Wir sollten die Massentierhaltung und die Massenproduktion von Obst und Gemüse hinterfragen. In diesem Zusammenhang sind Differenzierungen und Verantwortungen nur schwer nachvollziehbar", so Stepan.