Klartext: Eine unfassbare Tat

Ein Klartext-Nachruf von Redakteur Christopher Göbel auf den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke.
Schock und tiefe Betroffenheit waren meine ersten Emotionen, als ich am Sonntagvormittag vom Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke hörte. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht klar, unter welch schrecklichen Umständen der Politiker zu Tode gekommen war. Mir fiel sofort Lübckes „Fulda aktuell“-Redaktionsbesuch im März ein, bei dem sich der CDU-Mann als eloquenter, humorvoller und sympathischer Mensch präsentiert hatte.
Auch bei anderen Gelegenheiten, die er dienstlich in der Vergangenheit in Fulda absolviert hatte, war Lübcke immer ein nahbarer, gesprächsbereiter und sachlicher Politiker. Als ich dann von Kopfschuss und Mord hörte, war ich wirklich erstmal sprachlos. Wer hat das getan? Und warum? Natürlich war das Internet sehr schnell voll mit Vermutungen und Gerüchten.
Gegner aus dem rechten Lager
Es mag sein, dass Lübckes Äußerung auf fremdenfeindliche Parolen im Jahr 2015 zur Flüchtlingsproblematik einen Hass vom rechten Rand der Gesellschaft auf ihn gezogen hat. Denn der RP setzte sich für Asyl ein und verurteilte Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Er nannte christliche Werte wie Hilfe in Not. „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen“, hatte der Regierungspräsident bei einer Bürgerversammlung den Gegnern aus dem „Pegida“-Lager zugerufen. Damals hatte er Morddrohungen erhalten und stand eine zeitlang unter Polizeischutz.
Heute, vier Jahre später, war lange keine Rede mehr davon. Kann es also sein, dass der Täter tatsächlich in der rechtsradikalen Ecke zu suchen ist? Was einige nachweislich Rechte und auch AfD-Anhänger in sozialen Netzwerken zum Tod Lübckes von sich gegeben haben, ist absolut menschenunwürdig. Als ich auf einer Website von „Mal ne gute Tat vollbracht“, „Und wieder einer weg (mit Lach-Emojis)“ las, fragte ich mich, wie tief manche Menschen doch sinken können. Einmal abgesehen davon, dass in unserer Gesellschaft doch immer noch das „de mortuis nil nisi bene“ („Von den Toten nichts außer auf gute Weise“) vorherrscht, darf man den politischen Gegner nicht auf solche Art und Weise diffamieren.
Wir sind alle Menschen (ja, auch die Kommentatoren, die ich eben erwähnte), aber seit es Menschen gibt, haben Menschen ihren Artgenossen immer das Schlimmste angetan. Ob die Römer den Christen, die Nazis den Juden oder die Israelis den Palästinensern – unsere Geschichte ist voll von Mord, Gewalt, Krieg und Genozid. Furchtbar!
Kein CDU-Hardliner
Dr. Walter Lübcke war kein Raubein. Keiner, der andere vor den Kopf stieß. Kein CDU-Hardliner. Er war abwägend, sachlich und bedachte wohl, was er sagte. Und er wusste, wovon er redete. Das war auch in unserem Redaktionsgespräch deutlich zu spüren. Er sprach – obwohl sein Amtssitz in Kassel war – auch immer explizit von „NordOstHessen“, um seine Verbundenheit zu Fulda und der Rhön zu unterstreichen. „Achtung, Wertschätzung und Vertrauen sind das, was ich an Gesprächspartnern sehr schätze. Auch, wenn man nicht immer einer Meinung ist“, sagte er in unserem Gespräch. Ich hoffe, dass dieser Mord aufgeklärt wird und nicht zu einem „Barschel-Fall“ wird.
Mein Mitgefühl gilt der Familie Lübckes, die einen Ehemann, Vater und Großvater verloren hat. Niemand sollte erschossen werden. Nirgendwo auf der Welt!