Klartext: Erleben auf Zeit
Fulda aktuell-Redakteurin Antonia Schmidt berichtet von ihren Erfahrungen mit dem Thema Palliativmedizin.
Wenn sich Menschen mit dem Thema Palliativmedizin beschäftigen müssen, dann merkt man ihnen die Schwere des Themas deutlich an. Denn niemand befasst sich gerne mit der Thematik Sterben, welche zwangsweise mit diesem in Verbindung steht, denn die Palliativmedizin setzt da an, wenn Menschen unheilbar krank sind. Es geht darum, Schmerzen und Leid zu lindern, den letzten Lebensabschnitt noch so gut wie es geht und so menschenwürdig wie nur möglich zu gestalten. Auch meinem Kollegen Bertram Lenz konnte man bei seiner Auseinandersetzung mit der Thematik deren Tiefe anmerken, doch Palliativ bedeutet für mich nicht nur Schmerzen und Leid, ich verbinde mit diesem Begriff noch etwas ganz anderes, nämlich eine Chance.
Bereits in jungen Jahren habe ich mich mit dem Thema Palliativmedizin und Sterben intensiv auseinandergesetzt, weiß wie wichtig eine Patientenverfügung und ein Testament sein kann, denn mit 15 Jahren verlor ich meine Mutter nach einer schweren Krebserkrankung. Trotz der vielen Leiden und um das Bewusstsein, dass es bald zu Ende gehen wird, hat das Palliativteam um den Fuldaer Palliativmediziner Dr. Thomas Sitte unser Leben und die letzten Monate meiner Mutter bereichert. Denn die Ärzte und ehrenamtlichen Kräfte des „Malteser“-Hospizdienstes „Da Sein“, haben uns ermöglicht diese Momente mit unser Mutter und Ehefrau in den eigenen Wänden zu erleben. Sie waren dafür da, dass meine Mama noch Teil unseres Lebens sein konnte, ferner sogar den Mittelpunkt bilden durfte. Ohne Schmerzen konnten wir noch zu ihrer Lieblingsband „Queen“ tanzen, gemeinsame Filmabende aus dem Pflegebett erleben oder das von ihrem damals neunjährigen Patenkind zubereitete Essen genießen. Das Palliativteam ermöglichte uns ein Familienleben, an das ich mich auch in Trauer immer wieder mit einem Lächeln zurück erinnern kann.
Ohne die Palliativteam hätte es die vielen Momente nicht gegeben, ohne sie hätte meine Mutter nicht an meinem ersten Text, der kurz nach ihrem Tod als Leserbrief in „Fulda aktuell“ veröffentlicht wurde, mitarbeiten können. Sitte hat dann 2010 im Palliativteam aufgehört zu arbeiten und ehrenamtlich die Deutsche PalliativStiftung gegründet, damit überall das möglich wird, was wir bei unserer Mutter erleben durften. Palliativ bedeutet nicht nur den baldigen Tod eines Menschen, es ermöglicht eine Chance auf (Miter-)Leben auf Zeit. Und dafür bin ich bis heute dankbar. Ich kann mir nur vorstellen, wie viel Kraft die Haupt- und Ehrenamtlichen in ihre Arbeit stecken, wie zehrend die Schicksale und Geschichten der Menschen sein müssen. Sich immer wieder für die Belange Schwerstkranker einzusetzen, gebührt größten Respekt.