Bolzen gegen Rechts: Streetbolzer spielen "kreativ, fair, antirassistisch"

Rund 20 Turniere im Jahr organisiert der Verein Streetbolzer e.V. auf Kassels Straßen. Doch das Engagement der Streetbolzer geht über das Fußballspielen hinaus.
Kassel. Der Lederball klemmt unter dem Auto fest, Schulranzen markieren die Tore und der Dickste muss ins Tor – so wurde früher gekickt, auf der Straße. Auf der Straße hat auch Mustafa Gündar das Fußballspielen gelernt. Und nicht nur das: „Durch den Fußball habe ich die deutsche Sprache gelernt “, sagt er.
Mit sieben Jahren zog Mustafa Gündar mit seinen Eltern aus der Türkei nach Hannover, Stadtteil Linden. „Zu der Zeit lebten 90 Prozent Migranten im Stadtteil, Fußball spielte ich mit deutschen Kindern und wurde von ihnen akzeptiert und integriert“. Warum sollte das heute anders sein? 2008 gründete Gündar daher den Verein Streetbolzer, der Straßenfußballturniere veranstaltet, bei denen die Jugendlichen kicken können und zwar „kreativ, fair und antirassistisch“ – so das Motto.

Das mit der Fairness lief anfangs jedoch nicht wie geplant. „Wir hatten bei den ersten Turnieren auch schon Massenschlägereien“, erzählt Sabine Pach, die Schatzmeisterin des Vereins. Der Fairplay-Gedanke war bei den Jugendlichen noch nicht angekommen. Besonders wenn Teams verfeindeter Stadtteile gegeneinander spielten, gab es Probleme. Bei einem Turnier in Polen sollten die Streetbolzer-Mannschaften dann gemeinsam für Kassel antreten und merkten: „der ist ja genauso wie ich“. „Das ist nur ein Beispiel von vielen und steht für das, was der Straßenfußball bewirken kann“, sagt David Zabel, 2. Vorsitzender von Streetbolzer und hauptberuflicher Medienpädagoge.
Mittlerweile ist der Fairplay-Gedanke angekommen. Einen Schiedsrichter braucht es bei den Turnieren nicht, lediglich einen Spielbeobachter. Dieser trommelt am Ende des Spiels die Teams zusammen, die jeweils Fairplay-Punkte ans gegnerische Team vergeben. Das (ehrenamtliche) Engagement der Streetbolzer geht aber über das Fußballspielen hinaus. Im Projekt Streetbolzer TV erstellen die Jugendlichen Filmbeiträge von den Turnieren und laden diese dann bei Youtube hoch – Fußball trifft Medienarbeit. Und so mancher entdeckt dabei seine Leidenschaft für Medien – so versucht sich ein Streetbolzer der ersten Stunde mittlerweile als Comedian und veröffentlicht seine Videos.

„Unsere Angebote fördern einerseits soziale und kulturelle Kompetenzen, andererseits sollen die Kinder ihre Potentiale entfalten können“, erklärt Mustafa Gündar. Demnächst organisieren die Jugendlichen das Turnier alleine, „ich bin mal gespannt wie das klappt“, sagt Gündar schmunzelnd. 2015 bekam der Verein den Deutschen-Fußball-Kultur-Förderpreis. Obwohl die Arbeit der Streetbolzer zwischenzeitlich erschwert wurde. Das Vereinsgebäude war in einem miserablen Zustand und einsturzgefährdet, weshalb der Verein provisorisch im Nordstadtstadion unterkommen musste. Ein neues Streetbolzer-Hauptquartier ist aber in Planung und wird durch Spenden finanziert. Der Ball rollt also weiter – kreativ, fair und antirassistisch.