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„Deep Bird Detect“: Künstliche Intelligenz erfasst Vogelarten

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Die Behörden verlangen vor dem Bau von Windkraftanlagen umfassende naturschutzbezogene Prüfungen und Gutachten.
Die Behörden verlangen vor dem Bau von Windkraftanlagen umfassende naturschutzbezogene Prüfungen und Gutachten. © Krümler

Artenschutz und Windenergie im Einklang

Kassel Für die Genehmigung von Windparks verlangen die Behörden von den Projektierern umfassende naturschutzbezogene Prüfungen und Gutachten. Das verzögert häufig den Baustart. Das Fraunhofer IEE erarbeitet nun zusammen mit den Universitäten in Kassel, Kiel und Chemnitz sowie Partnern aus der Praxis ein System, mit dem sich Vögel und andere Tiere auf den Flächen anhand von Audio-Signalen automatisiert erkennen und klassifizieren lassen. Dabei kommt Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz: Die Forscher setzen Deep-Learning-Verfahren ein, um die Arten zeitlich und räumlich zu erfassen. Auf diese Weise will das Konsortium dazu beitragen, Rechtssicherheit zu schaffen und die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

Manuelle Auswertung kostet sehr viel Zeit

Bislang werden die Gutachten üblicherweise von Ornithologie-Experten erstellt, die oftmals mit Tonaufzeichnungen aus dem Planungsgebiet arbeiten. Das Abhören der Aufnahmen kostet allerdings sehr viel Zeit, so dass die Ergebnisse nicht selten erst nach mehreren Monaten oder sogar Jahren vorliegen. Erschwerend kommt hinzu, dass es nur wenig Fachleute gibt, die diese Aufgabe übernehmen können. Damit werden die Artenschutzgutachten zu einem Flaschenhals der Genehmigungsverfahren. Ein weiterer Nachteil der manuellen Analyse ist, dass sie nicht immer alle Audiosignale der Tiere erfasst – der Aufwand für eine lückenlose Auswertung wäre viel zu groß. Die Prüfung erfolgt nur stichpunktartig, so dass manche Arten möglicherweise verborgen bleiben. Das macht Gutachten rechtlich angreifbar.

Lückenlose Analyse der Audiosignale

Das vom Fraunhofer IEE und seinen Partnern zu entwickelnde automatisierte KI-System wertet die Signale dagegen vollständig aus. Damit liefert es quantitativ wie qualitativ ausreichende Daten, um die Auswirkungen der mit dem Bau eines Windparks verbundenen Eingriffe in die Natur fachgerecht beurteilen zu können. „Mit unserem KI-gestützten System können die Unternehmen sehr effizient hochwertige, aussagekräftige Gutachten zur Artenpopulation erstellen. Das mindert nicht nur ihren Zeit- und Kostenaufwand, sondern steigert auch die Rechtssicherheit – ein großer Vorteil mit Blick auf die Genehmigungsverfahren wie auf mögliche Klagen“, betont Projektleiter Dr. Christoph Scholz vom Fraunhofer IEE, der zugleich auch für die Universität Kassel tätig ist.

Die einheitliche Erfassungsmethodik des „Deep Bird Detect“-Systems (DBD) macht es zudem möglich, Vergleiche zu anderen Ökosystemen zu ziehen. Das gibt Aufschluss über langfristige Entwicklungen auf diesen Flächen. So wird es gar möglich, ein ganzes Monitoring-Netzwerk einzurichten, mit dem sich automatisiert und frühzeitig geografische artspezifische Veränderungen erkennen lassen. Auch wollen die Forscher die DBD-Methodik so gestalten, dass es sich auf weitere Artengruppen wie Fledermäuse, Amphibien oder Insekten übertragen lässt, um die Inventur der Ökosysteme noch breiter anzulegen. Ebenso soll das System für andere Anwendungsfälle genutzt werden können, etwa für die Projektierung von großen Gebäuden oder Verkehrswegen.

Aufgezeichnet werden die Signale von kompakten, robusten Rekordern, die von Solarzellen mit Energie versorgt werden. Da sie autark arbeiten und sehr wartungsarm sind, bedeutet die Erfassung für die Vögel und andere Tiere auf den Flächen so gut wie keine Störung. Auf diesen Geräten erfolgt auch die automatisierte Echtzeit-Auswertung der Signale. „Im Kern geht es in unserem Projekt aus technischer Sicht darum, existierende Technologien und Verfahren auf ein Feld zu übertragen, das bislang noch nicht mit KI adressiert wurde“, sagt Prof. Dr. Sven Tomforde von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Das zu Jahresbeginn gestartete Forschungsprojekt des Fraunhofer IEE namens „Deep Bird Detect“ (DBD) hat eine Laufzeit von drei Jahren. Das Bundesumweltministerium (BMUV) fördert die Entwicklung des Systems mit knapp zwei Millionen Euro im Rahmen seiner Initiative „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“, um mit Künstlicher Intelligenz ökologischen Herausforderungen zu begegnen.

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