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Kommentar: Allein regieren kann man nicht

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Von: Ulf Schaumlöffel

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Tritt als unabhängiger Kandidat zur Wiederwahl an: Oberbürgermeister Christian Geselle.
Tritt als unabhängiger Kandidat zur Wiederwahl an: Oberbürgermeister Christian Geselle. © Foto: Fischers Fritz

Selbst wenn Geselle die Wahl gewinnen sollte, allein regieren kann er nicht. Das hat er schon selbst nachvollziehbar erklärt! Aber welche Gestaltungsoptionen gibt es für ihn noch, wenn er nicht einmal die eigene Partei hinter sich vereinen kann und sich mit eigentlich fast allen verkracht?

Kassel Oberbürgermeister Christian Geselle hat sich entschieden bei der Wahl im März noch einmal zu kandidieren. Obwohl er seine unabhängige Kandidatur angekündigt hatte, sofern die SPD nicht klein beigibt, darf man dennoch überrascht sein über diese Entscheidung. Warum? Weil man eine Stadt nicht allein voranbringen kann.

Wir werfen deshalb mal einen Blick zurück zum Ausgangspunkt des Streits zwischen Geselle und seiner Partei. In seinem Brief vom 15. August schreibt er (verkürzt dargestellt): „Ich verstehe mich als Oberbürgermeister, der seine Stadt gestalten und nicht nur verwalten will. Die Gestaltungskraft eines Oberbürgermeisters liegt aber nicht allein im eigenen Entscheiden, sondern nur im Entwurf von Ideen und deren anschließender Umsetzung durch die Führung der Stadtverwaltung und des Stadtkonzerns. Dazwischen liegen die wichtige Mehrheitsfindung und Entscheidungshoheit der Stadtverordnetenversammlung“, heißt ein OB braucht dort Mehrheiten unter Einbezug seiner eigenen Partei – sinnvollerweise jedenfalls.“ Weil Geselle Angst hatte, dass die SPD aufgrund ihrer Entscheidung gegen Koalitionsgespräche mit der CDU in die Opposition rutschen könnte, drohte er ihr – denn er sah damit auch seine Gestaltungsmacht gefährdet. Zurecht. Denn wie Geselle sagt: ein OB braucht Mehrheiten.

Aber welche Mehrheiten hätte denn aus heutiger Sicht ein unabhängiger Oberbürgermeister Geselle in der Stadtverordnetenversammlung?

• SPD: Auf seine eigene Partei (noch) kann er nicht mehr ganz selbstverständlich zurückgreifen, nachdem er sich auf unschöne Weise selbst von ihr losgesagt hat.

• Grüne: Eine Kooperation mit den Kasseler Grünen schließt Geselle in seinem Statement mit den folgenden Worten aus: „in deren derzeitiger Verfassung ist eine Zusammenarbeit u.a. aufgrund ihrer inhaltlichen Haltung nicht mehr möglich. Und auch nach einer erfolgreichen OB-Wahl würde das nicht anders sein.“

• CDU: Die CDU wurde von Geselle erst kürzlich beim Thema Einwohner-Energie-Geld vor den Kopf gestoßen. In der entscheidenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung hatte er versichert, dass das Energie-Geld nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden müsse. Nur so erhielt wohl sein Vorhaben die Zustimmung der CDU. Heute stellt sich die Situation etwas anders da: schwer verständliche Klauseln lenken davon ab, dass Geselles Aussage scheinbar hinfällig ist (und plötzlich sind diejenigen, die das Geld am dringendsten brauchen, auch nicht mehr die eigentliche Zielgruppe...). Sollte die CDU darin einen Vertrauensbruch sehen, wäre das durchaus nachvollziehbar.

• FDP: Die FDP hielt der OB in seinem langen Statement nicht einmal für erwähnenswert, was nicht gerade auf großen Respekt vor der Fraktion von Matthias Nölke schließen lässt. Auch das ist nicht unbemerkt geblieben.

OB braucht Mehrheiten

Selbst wenn Geselle die Wahl gewinnen sollte, allein regieren kann er nicht. Das hat er schon selbst nachvollziehbar erklärt. Aber welche Gestaltungsoptionen gibt es für ihn noch, wenn er nicht einmal die eigene Partei hinter sich vereinen kann und sich mit eigentlich fast allen verkracht? Wo sollten sich für seine Ideen zukünftig noch Mehrheiten finden? Es verbleiben nur undenkbare Optionen, die allein mengenmäßig nicht von Relevanz sind. Damit könnte ein zukünftiger OB Geselle zwar noch verwalten, aber ganz sicher nicht mehr gestalten ...

Indes wird eine Jamaika-Koalition aus Grünen, CDU und FDP immer wahrscheinlicher. Während die FDP auf einen eigenen OB-Kandidaten verzichtet, schicken die Grünen mit Sven Schoeller und die CDU mit Eva Kühne-Hörmann echte Alternativen zu Geselle ins Rennen um den OB-Posten. Sollte es tatsächlich zu einer Koalition aus Grünen, CDU und FDP kommen, hätte ein potenzieller Oberbürgermeister Schoeller wie auch eine potenzielle Oberbürgermeisterin Kühne-Hörmann genau das, was Geselle als unabkömmlich für eine Gestaltungskraft in der Stadt bezeichnet: eine Mehrheit hinter sich.

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