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Die Felsbergerin Jessica Jordan pflegt verletzte oder verwaiste Wildtiere. Derzeit zieht sie ein zwei Wochen altes Nilgans-Küken groß.
Felsberg. Eigentlich müsste Ferdinand längst im Süden sein, dort wo es aktuell an die 30 Grad warm sein kann. Doch Ferdinand wurde in Melsungen von der Polizei aufgelesen und lebt jetzt in Felsberg bei Jessica Jordan.
Die 22-Jährige hat eine Wildtierauffangstation und kümmert sich derzeit rund um die Uhr um das zwei Wochen alte Nilgans-Küken. "Normalerweise ist jetzt keine Brut- und Aufzuchtzeit. Doch viele Zugvögel bleiben durch die Klimaerwärmung auch im Winter in Deutschland. Gerade junge, unerfahrene Brutpaare bleiben hier und fangen auch an zu brüten. Warum Ferdinand alleine auf der Straße lief und wo seine Eltern sind, darüber kann ich nur spekulieren", erklärt Jessica Jordan.
Putzen statt Kuscheln
Schon seit ihrer Kindheit kümmert sie sich um verletzte Wildtiere und verlassene Jungtiere. "Andere Mädchen wollten Prinzessin werden, für mich war immer klar, dass ich Tierärztin werden will."
Die gelernte Tierarzthelferin wartet derzeit auf einen Studienplatz für Tiermedizin, betreibt deshalb in Vollzeit ihre Pflegestation. Diese ist zwar bei der Unteren Naturschutzbehörde gemeldet und genehmigt, trotzdem muss sie alles aus eigener Tasche finanzieren. "Meine Familie und mein Lebensgefährte stehen zum Glück voll hinter mir und unterstützen mich. Alleine ist die Arbeit kaum zu stemmen. Viele unterschätzen das, ich muss viel sauber machen, Futter vorbereiten, wieder sauber machen. Viel Zeit für Streicheleinheiten bleibt da nicht." Und das sei auch gar nicht Ziel, denn "ich will jedes Tier nach Möglichkeit wieder auswildern. Das sind keine Kuscheltiere, sondern Wildtiere. Die gehören in die freie Natur."
Den meisten Tieren, die die 22-jährige Felsbergerin aufpäppelt, gibt sie keine Namen. "Ich will sie so wenig wie möglich an mich gewöhnen. Sobald die Jungtiere alleine fressen können, bringe ich ihnen nur das Futter und rede auch nicht mehr mit ihnen. Sie sollen in Freiheit ihre natürliche Scheu vorm Menschen bewahren", betont sie.
Bei der kleinen Nilgans Ferdinand ist das allerdings anders. Da er nicht mit Eltern und Geschwistern aufwächst, braucht er Jessica als wichtigste Kontaktperson. "Nilgänse brauchen extreme Nähe zu ihrer Mutter und den Geschwistern. Wenn ich ihn nur füttern würde, würde er nicht überleben."Ferdinand auszuwildern werde daher schwer, da er zu sehr an Menschen gewöhnt ist. "Ich wünsche mir, dass er vielleicht in eine Gruppe Gänse auf einem Hof integriert werden kann."
Viel zu tun in der Hochsaison
Dass Jessica Jordan sich in diesem Jahr überhaupt nochmal um ein Jungtier kümmern muss, damit habe sie nicht gerechnet: "Die Hauptsaison ist eigentlich von März bis September. Um rund 200 verletzte und gefunden Wildtiere habe ich mich seit März gekümmert. Aber nicht alle schaffen es leider." Auch deshalb sei es wichtig, keine zu enge Bindung aufzubauen.
Allerdings gibt es auch Dauergäste, wie etwa drei Elstern und eine Rabenkrähe. "Die sind Handaufzuchten und Gehandicapte. Eine Elster ist von Laien gebracht worden, die das Tier zu sehr an den Menschen gewöhnt haben. Die Rabenkrähe ist fast blind. Aber ich habe für sie schon neue, dauerhafte Zuhause gefunden."Bis Ferdinand flügge wird, dauert es aber noch. Und solange wird er von einer liebevollen Menschen-Mutter großgezogen.
+++ EXTRA INFO+++
Menschen, die verletzte Wildtiere finden, rät Jessica Jordan sich Rat bei Experten zu holen, denn Laien können viel falsch machen. Bei alleingelassenen Jungtieren solle man, solange keine unmittelbare Gefahr besteht, abwarten. Oftmals holen die Elterntiere ihre Jungen ab oder suchen diese. Viele Tipps und Anlaufstellen gibt es auch in den Facebookgruppen "Wildtier-Notfälle" und "Wildvogelhilfe".Mehr zu Jessicas Wildtierpflege bei Facebook unter "Jessi’s Welt der Tiere". Wer ihre Arbeit unterstützen möchte, findet dort auch eine Amazon-Wunschliste.