Vielen war sie ein Dorn im Auge: die Happich-Straße in Treysa. Jetzt hat das Schwalmstädter Stadtparlament eine Umbenennung beschlossen. Die Happichstraße wird in Richard-Altschul-Straße umbenannt.
Schon in 2016 wurde über in der Bevölkerung und den städtischen Gremien über die Happichstraße diskutiert. Im Dezember des vergangenen Jahres brachte die Fraktion der Grünen einen Antrag in das Schwalmstädter Stadtparlament ein. Darin wurde die Umbenennung der Happich-Straße gefordert.
„Die Namensgebung einer Straße ist auch immer eine Ehrung für die konkrete Person“, meint Ruth Engelbrecht, Vorsitzende des Ortsverbands Treysa von Bündnis 90/Die Grünen. Vom Stadtparlament wurde das Thema zur weiteren Beratung in den Treysaer Ortsbeirat gegeben. Und obwohl sich dessen Mitglieder einig darüber waren, dass die Happichstraße künftig Richard-Altschul-Straße heißen soll, tauchte das Thema nicht wieder auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung auf.
Und so holten die Parlamentarier in ihrer jüngsten Sitzung am vergangenen Donnerstag das Thema kurzerhand per Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung. Nach kurzer Beratung war das Ergebnis der Abstimmung im Parlament eindeutig: Einstimmig beschlossen die Stadtverordneten das Aus für die Happichstraße. Sie wird in Richard-Altschul-Straße umbenannt.
Die dunklen Kapitel des Friedrich Happich
Aber was ist eigentlich auszusetzen am bisherigen Straßennamen? Nach aktuellen Erkentnissen hatte das Leben Friedrich Happichs viele dunkle Kapitel. Der 1883 in Speckswinkel geborene Happich war Direktor der Anstalten Hephata und bekennender Nationalsozialist. Während seiner Zeit als Hephata-Leiter wurden zwischen 1937 und 1939 zahlreiche Bewohner Hephatas abtransportiert und später ermordet – einer von ihnen war Diakon Richard Altschul. Der wurde 1939 durch Happich zum Austritt aus der Diakonischen Gemeinschaft Hephatas genötigt.
Der damalige Grund: Altschul war 1873 als Sohn jüdischer Eltern zur Welt gekommen. In Briefen an einige Diakone, zu denen er auch weiterhin Kontakt hielt, klagte er über das Gefühl, in schwerster Not treulos verlassen und getäuscht worden zu sein. Am 4. Dezember 1942 wurde Richard Altschul von Beamten der GeStapo Kassel in „Schutzhaft“ genommen und in das Arbeitserziehungslager in Guxhagen-Breitenau gebracht.
Der Haftgrund steht in seiner bis heute erhaltenen Häftlingsakte. Aus der geht hervor, dass Altschul „nicht im Besitz einer jüdischen Kennkarte“ sei, „den deutschen Gruß“ erweise und „Umgang mit Deutschblütigen“ pflege. Am 16. September 1943 wurde Altschul in das Konzentrationslager Ausschwitz deportiert. Am 30. Oktober desselben Jahres wurde er ermordet.
Fachbücher und Hephata selbst arbeiten die Vergangenheit auf
Das Thema ist nicht neu. Happichs Wirken wird unter anderem im Buch „Welche Stellung nimmst du ein zwischen den Fronten?“ von Gerhard Schmerbach und im 2016 erschienenen „Nationalsozialismus in der Schwalm“ von Katharina Stengel (Schüren Verlag) thematisiert. Und auch die Hephata Diakonie selbst arbeitet ihre Vergangenheit seit Jahren intensiv auf.
In einer Pressemitteilung vom Oktober 2016 lässt Hephata-Vorstandssprecher Maik Dietrich-Gibhardt wissen: „Mit der Aufarbeitung des Euthanasie beschäftigt sich unter anderem das 1985 von Hephata veröffentlichte Buch ,Verlegt, vernichtet, vergessen’.“ Innerhalb des Stammgeländes der Treysaer Diakonie wird mit einem Mahnmal an die Geschichte Hephatas während des Nationalsozialsmus erinnert.
Viele Straßen auf dem Hephata-Gelände tragen die Namen deportierter Menschen. Der Hephata-Vorstand hat sich in jüngerer Vergangenheit bereits für die Umbenennung der Happich-Straße eingesetzt. In einer Pressemitteilung vom Oktober 2016 heißt es: „Mit einer Umbenennung der bisherigen Happichstraße in Richard-Altschul-Straße würde die mahnende Erinnerung an diese schlimme Geschichte auch in einem Treysaer Wohngebiet sichtbar.“
Bislang erinnern auf dem Hephata-Stammgelände ein Weg und ein Mahnmal vor dem Brüderhaus, dem Sitz der Diakonischen Gemeinschaft Hephata, an die Ermorderung Altschuls. „Straßen in Schwalmstadt sollten nicht nach Personen benannt sein, die in der Zeit des Nationalsozialismus eine unrühmliche Rolle spielten“, brachte es Engelbrecht im Stadtparlament auf den Punkt. Die Parlamentarier folgten ihrer Auffassung einstimmig.