BMW R nine T Scrambler: Zuwachs für die Heritage-Familie

Nach der R nine T, die sich überraschend gut verkauft, stellt BMW dem Erfolgsmodell nun eine kleine Schwester zur Seite: die Scrambler. Wir haben Sie gefahren.
Beim Marketing ist BMW sehr fix. Die R nine T entpuppte sich als wahrer Überraschungserfolg. Es wurde nicht lange gefackelt, und nun bieten die Münchner mit der 13.150 Euro teuren Scrambler ein um 2200 Euro günstigeres Schwestermodell an.
Und flugs proklamierte man hiermit die Geburt der Heritage-Familie.
Bequem, dann etwas mühsam: BMW R nine T Scrambler im Alltag
Schritt für Schritt geht’s voran, also unterziehen wir
einem harten Alltagstest. Der fängt gar nicht so unbequem an. Da der Lenker breit und hoch gezogen ist, sitzt man ausgesprochen entspannt und nimmt die Straße souverän in Angriff.

Unentspannter ist die Suche nach dem Leerlauf: Solange die Betriebstemperatur des Boxermotors noch nicht erreicht ist, mag das grüne Neutrallichtlein an unserem Exemplar partout nicht leuchten, so sehr man auch den linken Fuß auf- und abbewegt. Erst wenn das Öl nicht mehr zäh ist, flutschen die sechs Gänge locker rauf und runter.
Dann darf der Zweizylinder mit 1170 ccm Hubraum loslegen und seine 110 Pferdestärken arbeiten lassen. Die Soundingenieure haben gut gearbeitet: Dreht man den schön angewärmten Motor ohne zu schalten hoch, klingt das aus dem Akrapovic-Schalldämpfer wie das Gamma-Ray-Intro von Birthcontrol – und die 220 Kilogramm schwere Scrambler zieht und zieht und zieht. Wer will, kann das Potenzial bis zur Höchstgeschwindigkeit von 217 km/h ausreizen.
Die Maschine lenkt, wie man denkt
Generell glänzt die 222 Kilogramm schwere BMW mit gutem Durchzug, Überholvorgänge sind natürlich kein Problem, allerdings vibrieren bei hohen Drehzahlen die Spiegel ziemlich. Impulse zum Richtungswechsel werden exakt umgesetzt. Sie lenkt, wie man denkt. Bevorzugen sollte man für die flotte Fahrt jedoch halbwegs gut ausgebaute Straßen, denn die relativ dünn gepolsterte Sitzbank informiert Kreuz und verlängerten Rücken auf Dauer zu gut über Rillen und Unebenheiten.

Keine Klagen über die Bremsen: Sie verzögern mit festem Biss. Bei der Fahrt kann man sich vollkommen aufs Wesentliche konzentrieren. Im Cockpit lenkt nichts ab, denn das zentrale Rundinstrument zeigt nur die aktuelle Geschwindigkeit an, ansonsten lassen sich im digitalen Display lediglich noch Informationen wie Tageskilometer, Reichweite und Uhrzeit abrufen. Mehr gibt’s nicht, mehr braucht’s aber auch nicht.
Ordentlich Durst auf längeren Strecken
Ist man länger unterwegs, muss man einen guten Durst einkalkulieren: Gut sechs Liter genehmigte sich unsere Scrambler auf 100 Kilometer. Das lag natürlich auch am Temperament des Zweirads, das so gar nicht zahm bewegt werden will. Die Füllung des 17-Liter-Tanks reicht also theoretisch für gut 280 Kilometer. Das ist ok, denn ab und an ein Päuschen schadet nicht.
In unserem ausgiebigen Test erwies sich die BMW R nine T Scrambler als eine kernig-charaktervolle Fahrmaschine und keinesfalls als der befürchtete Schönwetter-Eiscafé-Cruiser für Hipster mit langen Bärten, der eher das Zeug zur Show hat. Falsch gedacht: Das fahrerische Potenzial des Heritage-Boxers sollte man nicht unterschätzen und es mit Genuss ausreizen. Den Wetterbericht dagegen muss man stets im Auge behalten: Bei Regen saut die Maschine samt Fahrer total ein.
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Von Volker Pfau