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Unterwegs mit einem vernetzten City-E-Bike

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Rush/Cty
Rollt auf dicken Reifen: Das Rush/Cty ist eine robuste und aufgeräumte Erscheinung. Kabel und Leitungen sind weitgehend innen verlegt. Die Gepäckträger sind vorn wie hinten auf zehn Kilo ausgelegt. Das zulässige Gesamtgewicht des Harley-E-Bikes, in das auch der Fahrer eingerechnet wird, liegt bei knapp bemessenen 128 Kilo. © Stefan Weißenborn/dpa-tmn

City-Bikes sind zu smarten Gefährten geworden - im Look und in der Bedienung. Doch werden Funktionen in die App verlagert, kann das auch unpraktisch werden. Ein Fahrbericht.

Berlin - Es ist noch nicht so lange her, da fuhren City-E-Bikes mit einem Gepäckträger-Akku - anfangs noch mit verbautem Frontmotor. Es waren im Prinzip zum Pedelec umgebaute Fahrräder mit tiefem Einstieg.

Mittlerweile sind City-E-Bikes smarte, integrierte Geräte geworden. Und die werden von Grund auf als solche entwickelt. Man hat digitale Ökosysteme und intelligente Funktionen kreiert, setzt auf Integration von Komponenten und Leitungen. Schick muss ein City-Bike aussehen - Rentnerimage war gestern.

Mehrere Firmen, darunter Coboc aus Heidelberg oder Cannondale aus den USA bieten solche Modelle an - aber auch Harley Davidson. Der Hersteller von opulenten Motorrädern baut nicht nur unter der Marke Livewire mittlerweile auch schwere E-Maschinen, sondern entwickelt auf dem Harley-Davidson-Campus in Milwaukee zudem Pedelecs. Die werden unter dem Label Serial 1 vermarktet werden.

Serial 1 von Harley-Davidson
Serial 1 heißt zwar die Marke, aber dass es sich um Pedelecs von Harley-Davidson handelt? Darüber geben Schriftzüge unmissverständlich Auskunft. © Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Der Name spielt auf das allererste Harley-Davidson-Motorrad an, das Serial Number One von 1903. Für den Test stand das Stadtrad Rush/Cty als Tiefeinsteiger-Version bereit.

Das Rush/Cty richte sich an Pendler, die sich durch den Umstieg auf ein E-Bike als Trendsetter und stilbewusste Menschen zeigten, weil sie das Harley-Bike auch als Statussymbol verstünden. Alles andere als an den Nimbus der bekannten US-Marke anzuknüpfen zu wollen, wäre auch verwunderlich.

Der Akku enthält 529 Wattstunden Energie. Ebenfalls mehr als genug für ein Stadtrad, das sich laut Hersteller allenfalls für kurze Trips jenseits der Stadtgrenzen eignet. Und es käme auch mit weniger Strom aus, da Radler im Alltag öfters nachladen können als auf Tour.

Irritierend ist allerdings, was das TFT-Display von Brose am Lenker bei vollgeladenem Akku als Maximalreichweite angibt: je nach gewähltem Unterstützungsmodus nur 15 bis 28 Kilometer. Serial 1 gibt dagegen 50 bis 160 Kilometer an.

Die Abweichung erklärt Aaron Frank damit, dass die Display-Software nicht mit der proprietären Software des Batteriesystems gekoppelt sei und von daher keine zuverlässigen Reichweiten errechne: „Infolgedessen überschätzt die Anzeige häufig den Energieverbrauch, und man sollte ihr nicht trauen.“ Nach harmonisch miteinander agierenden Komponenten und hohem Reifegrad klingt das nicht.

Jedenfalls sorgt auch das stufenlose Getriebe an der Hinterradnabe, das anstatt einer Gangschaltung die Übersetzung der Antriebskräfte dosiert, für Stromverbrauch - und ein Plus an Bedienkomfort. Denn manuelles Schalten gehört dank der Automatik der Vergangenheit an.

Das verkapselte System verspricht ebenso wie der statt einer Kette aufgezogene Carbonriemen Wartungsarmut. Weil der Übersetzungsbereich immer optimal sei, werde die Nabe kaum belastet, dies beugt laut Nabenbauer Enviolo dem Verschleiß vor.

Während unserer Testfahrten zeigt sich aber: Das Rush/Cty lenkt sich eher behäbig und leicht indifferent. Auch wirkt der Rahmen nicht sonderlich verwindungssteif. Während der Fahrt verdrehen sich Vorbau und der Rest der Konstruktion bei stärkeren Lenkbewegungen spürbar zueinander. Was man als beabsichtigte Flexibilität der Konstruktion deuten könnte, um den Fahrkomfort zu steigern, dürften andere Fahrer als störendes Wabern empfinden.

Serial 1
Leuchtendes Emblem: Das Serial-1-Logo fungiert zugleich als Tagfahrlicht. Das Frontlicht ist am Vorbau montiert, lenkt mit und leuchtet die Straße gleichmäßig und hell aus. Technische Angaben zu Lux und Lumen sowie den Hersteller verrät Serial 1 nicht. © Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Bauartbedingt zählt der Mittelmotor nicht zu den leisesten E-Bike-Antrieben. Die Kraftentwicklung ist je nach Unterstützung und zugegebener Beinkraft dezent bis kräftig. So weit, so normal.

Gewöhnungsbedürftig ist der Umstand, dass man nicht mehr schalten muss. Mit elektronischem Gezirpe übernimmt die Enviolo-Nabe die Arbeit. Die Idee der Automatik lautet: „Einstellen und nie wieder daran denken“. Man gibt die gewünschte Trittfrequenz einmal ein - danach passt das System das Übersetzungsverhältnis automatisch so an, dass die Person im Sattel immer im gleichen Tempo treten kann - egal, ob es bergauf geht oder flach daher.

Weit nach unter gezogene Schutzbleche und eine Beleuchtungsanlage wappnen das Rush/Cty für den Alltag. Die optisch dezent integrierten Gepäckträger sind auf je zehn Kilo Belastung ausgelegt - ideal, wenn in Fahrradtaschen kleinere Einkäufe oder Büroutensilien mitfahren sollen. Für die Montage eines Kindersitzes genügt das jedoch nicht.

Besonderes Augenmerk verdient das Rücklicht: Serial 1 hat intelligente LEDs in die Ausfallenden integriert. Über einen Beschleunigungssensor gesteuert, fungieren sie auch als Bremslicht. Und liegt das Fahrrad zum Beispiel nach einem Sturz auf der Seite, blinken sie im SOS-Rhythmus.

Doch das Handling ist gewöhnungsbedürftig, und Details wie die unrealistische Reichweitenangabe sind nervig. Bei einem Premiumbike - so vermarktet es der Hersteller - hätte man Feinschliff bis in jedes Detail erwartet. dpa

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