Xenoblade Chronicles 2 im Test: Die Ferien sind gerettet

Es gibt Spiele, die sich perfekt häppchenweise nach Feierabend spielen lassen. Und dann gibt es Spiele, für die braucht es viele freie Tage mit grauenhaftem Wetter, eine Tasse Tee, eine dicke Decke und ganz viel Muße. Solche Spiele, wie es Xenoblade Chronicles 2 ist. Spiele, die einen fesseln und Dutzende Stunden lang nicht loslassen.
Es sieht alles so gut aus für Rex, den jugendlichen Bergungstaucher. Endlich ist er da, der ganz große Auftrag, der eine Menge Geld verspricht. Geld, dass er seiner Familie schicken kann. Doch dann kommt es - man ahnt es schon - ganz anders. Plötzlich ist Rex nicht mehr nur ein kleiner Bergungstaucher, der um sein Überleben kämpft, sondern ein Held, der zwischen die Fronten eines erbitterten Konflikts gerät, der über sich hinauswachsen muss, schwierige Entscheidungen treffen und - natürlich - die Welt retten.
Xenoblade Chronicles 2 ist ein japanisches Rollenspiel, das gerade exklusiv für die Nintendo Switch erschienen ist. Wer mit japanischen Rollenspielen nichts anfangen kann, der kann nun getrost aufhören zu lesen, den Xenoblade Chronicles 2 ist ein typischer Vertreter seines Genres. Es ist lang, die Charaktere sind japanisch und scheinen gerade aus einem Manga gesprungen zu sein, die Spielmechaniken sind kompliziert zu erlernen. Wer sich aber auch nur ansatzweise für diese Art Spiel begeistern kann, der wird mit Xenoblade Chronicles 2 sehr, sehr glücklich werden.
Die Handlung spielt auf Alrest, einer Welt, die ganz und gar vom endlosen Wolkenmeer bedeckt ist. Überleben kann man nur auf den Rücken der teils gigantischen Titanen, die durch das Wolkenmeer schwimmen. Die kleineren von ihnen sind so groß wie Schiffe, die größten können ganze Kontinente auf ihrem Rücken tragen. Kontinente mit Hauptstädten, grünen Ebenen, Eiswüsten - die Abwechslung bei den einzelnen Titanen ist riesig. Das alles will erkundet werden, während man der spannenden und wendungsreichen Hauptgeschichte folgt. Immer auf der Suche nach dem Elysium. Doch der ist lang und die Gefahr, abgelenkt zu werden, riesig. Da warten gefühlt hunderte Nebenaufträge darauf, erfüllt zu werden, da locken vergrabene Schätze und seltene Rohstoffe, da ist dieser eine besonders zähe Gegner... Xenoblade Chronicles 2 weiß genau, wo es Rollenspielfans abholen kann. Und so kann man herrlich in dem Spiel versinken.
Dabei sollte man allerdings dennoch unbedingt wachsam bleiben. Denn auf Autopilot kommt man nicht durch Xenoblade Chronicles 2. Ganz im Gegenteil. Der Schwierigkeitsgrad zieht relativ schnell an, so mancher Zwischenboss muss drei- oder viermal angegangen werden, bis er besiegt ist. Das liegt auch am sehr komplexen Kampfsystem. Dabei wird zwischen den sterblichen Meistern und den unsterblichen Klingen unterschieden - Wesen, mit denen man interagieren kann, die aber, falls der Meister stirbt, sämtliche Erinnerungen verlieren. Beiden unterstützen und stärken sich im Kampf, ermöglichen Spezialattacken, die großen Schaden machen, oder heilen. Allein das Aufleveln der Meister und Klingen ist eine kleine Wissenschaft, lohnt sich aber. Denn nach und nach entwickelt das Spiel eine taktische Tiefe und Raffinesse, die ihresgleichen sucht. So bleiben die Kämpfe immer spannend und fordernd.
Wobei gerade in Innenräumen die teilweise extrem störrische Kameraführung durchaus erheblich zum knackigen Schwierigkeitsgrad beiträgt. Mehr als einmal habe ich fluchend versucht, einen Blick auf das Geschehen zu erlangen. Als ich es vollbracht hatte, lag ich allerdings schon im Staub und durfte neu laden, was glücklicherweise sehr schnell geht. Ansonsten ist Xenoblade Chronicles 2 insbesondere wenn es am Fernseher gespielt wird, eine Augenweide. Die Grafik im Comiclook ist knallbunt und liebevoll gezeichnet, die Animationen butterweich. Betreibt man die Switch im Handheld-Modus, dann geht die Auflösung teilweise schon deutlich herunter - spielbar und schmuck bleibt es aber immer. Und man muss schon auch mal ehrlich sein: Ein Spiel von solchem Umfang und solcher Schönheit hat es auf einer tragbaren Konsole bislang noch nicht gegeben.
Fazit:
Für Besitzer einer Nintendo Switch, die auch nur einen latenten Hang zu japanischen Rollenspielen haben, ist „Xenoblade Chronicles 2“ ein absoluter Pflichtkauf. Es ist wunderschön, spannend und abwechslungsreich, mitreißend, fordernd und taktisch anspruchsvoll. Es bietet Dutzende Stunden Spielspaß - ideal, um vor der grauen Zeit zwischen den Jahren nach Alrest zu flüchten.