Anwalt nach "GEZ"-Urteil: "Man kann dem Rundfunkbeitrag nicht mehr entgehen"

Das Urteil zum Rundfunkbeitrag, der ehemaligen "GEZ", ist gesprochen. In unserem Interview klärt Rechtsanwalt Markus Mingers die wichtigsten Fragen.
Am 18. Juli 2018 hat das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil über den Rundfunkbeitrag entschieden. Viele Gegner des GEZ-Nachfolgers erhofften sich, dass die sogenannte "Zwangsgebühr" endgültig abgeschafft wird - doch die Karlsruher Richter entschieden zum Großteil anders.
"Der Rundfunkbeitrag ist größtenteils verfassungsgemäß"
Rechtsanwalt Markus Mingers (45), Inhaber der Kanzlei Mingers & Kreuzer, beantwortet in unserem Interview, welche Folgen das Urteil für die Beitragszahler hat, wen es genau betrifft - und ob es vielleicht doch einen Weg gibt, den Rundfunkbeitrag zu umgehen.
Redaktion: Herr Mingers, über welche Fragen hat das Bundesverfassungsgericht eigentlich genau geurteilt?
Mingers: Der Rundfunkbeitrag ist größtenteils verfassungsgemäß – das gilt für den privaten und auch nicht privaten Bereich. Seit 2013 werden 17,50 Euro pro Wohnung erhoben. Dagegen wehrten sich drei Bürger mit einer Verfassungsbeschwerde. Sie argumentierten, dass die Länder gar keine Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich hätten, weil es sich um eine Steuer handele. Die Richter in Karlsruhe sind aber anderer Meinung.
Redaktion: Welche Folgen hat nun das Urteil für die Beitragszahler?
Mingers: Das Urteil hat in dem Sinne keine weitreichenden Folgen, als dass sich an der Praxis der Erhebung sowie an der Höhe der Rundfunkgebühren zunächst nicht viel ändert. Das Gericht hat klar gestellt, dass die Erhebung pro Wohnung mit dem Gesetz vereinbar ist.
Redaktion: Das heißt, es müssen weiterhin die meisten Bürger den Rundfunkbeitrag zahlen - egal, ob sie das Angebot nutzen oder auch nicht. Wie begründen das die Richter?
Mingers: Es genüge nach Ansicht der Richter ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, nach dem bei der Erhebung des Beitrags "auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung" abgestellt werden dürfe. Entscheidend und ausreichend sei eine "reale Nutzungsmöglichkeit".
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"Inhaber einer Zweitwohnung können nicht mehrfach herangezogen werden."
Redaktion: Einen Punkt haben die Richter aber dann doch beanstandet: die Rundfunkgebühr für Zweitwohnungen. Wieso hält das Bundesverfassungsgericht ausgerechnet diesen Beitrag für verfassungswidrig? Und wie viele Menschen betrifft das überhaupt?
Mingers: Soweit man schon für eine Erstwohnung zahlt, sei die Erhebung des Rundfunkbeitrags bereits abgegolten. Inhaber einer Zweitwohnung können also nicht mehrfach herangezogen werden. Daran ändert auch ein etwaiger Verwaltungsaufwand nichts. Schließlich werden den Anstalten entsprechende Meldedaten zur Verfügung gestellt. Das betrifft aber insgesamt nur wenige Menschen.
Redaktion: Ab wann können Zweitwohnungsbesitzer einen Antrag auf Befreiung stellen?
Mingers: Bis zu einer neuen Lösung bleibt die Regelung erst einmal bestehen. Bis dahin können Betroffene aber einen Antrag auf Befreiung stellen.
Redaktion: Ist die Befreiung auch rückwirkend möglich?
Rückwirkend ist es nur dann möglich, wenn man vorher schon Widerspruch eingelegt hatte und eine Entscheidung noch aussteht.
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"Man kann dem Rundfunkbeitrag nicht mehr entgehen."
Redaktion: Ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Rundfunkbeitrag nun endgültig oder gibt es weitere Möglichkeiten, dagegen vorzugehen?
Mingers: In den letzten Jahren gab es zahlreiche Klagen gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags. Sowohl Verfassungsgerichtshöfe der Länder als auch das Bundesverwaltungsgericht hatten mehrfach den Rundfunk für rechtmäßig erklärt. Mit dem Urteil aus Karlsruhe ist jetzt das letzte Wort gesprochen.
Redaktion: Gibt es "Schlupflöcher", wenn ich auf keinen Fall den Rundfunkbeitrag zahlen möchte?
Mingers: Nein! Aufgrund der Erhebung pro Wohnung kann man dem Rundfunkbeitrag nicht mehr entgehen. Die damalige GEZ-Gebühr richtete sich danach, ob man einen Fernseher oder ein Radio besaß. Solche Schlupflöcher wegen schwieriger Kontrolle wurden nun geschlossen.
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Redaktion: Was passiert, wenn ich mich weigere, die Rundfunkgebühr zu bezahlen?
Mingers: Zunächst einmal kommt es zu einer Zahlungserinnerung, danach flattern in der Regel Beitragsbescheide und Mahnschreiben ins Haus. Hier muss schon mit Säumniszuschlag gerechnet werden. Hat man dann immer noch nicht gezahlt, folgt ein Festsetzungsbescheid, gegen den man Einspruch einlegen kann. Geschieht das nicht, wird der Bescheid zu einem Titel, der dann durch eine örtliche Behörde – durch Pfändung - vollstreckt werden kann.
Redaktion: Gibt es Wege, die Zahlung der Rundfunkgebühr zumindest hinauszuzögern?
Mingers: Eine wirksame Grundlage, um etwaige Zahlungen tatsächlich länger hinauszuzögern, gibt es seit dem Urteil wohl nicht mehr. Hatten viele Gegner noch durch Widerspruch und Klage versucht, den Zahlungen zu entkommen, dürften diese Möglichkeiten jetzt erschöpft sein. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, mit der – wenn auch unliebsamen - Gebühr seinen Frieden zu schließen.
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