„Mehr Menschenleben könnten gerettet werden“ - Deutsche Aidshilfe beklagt schlechte Drogenpolitik

Drogen haben 2019 über tausend Menschen das Leben gekostet. Am 21. Juli soll den Opfern gedacht werden - und der schadhaften Drogenpolitik.
- Am 21. Juli wird weltweit den Drogentoten gedacht.
- Die Deutsche Aidshilfe kritisiert die deutsche Strategie, um Abhängigen* zu helfen.
- Erst 2019 ist die Zahl der Drogentoten in Deutschland wieder gestiegen.
Der 21. Juli 2020 ist überschattet von der Coronavirus*-Pandemie. Täglich werden die weltweiten Todesfälle aufgrund der Viruserkrankung beklagt. An diesem Tag soll jedoch einer ganz anderen Gruppe gedacht werden: Den Menschen, die aufgrund ihres Drogenkonsums gestorben sind. Zwar sind hier deutlich weniger Tote zu verzeichnen, als bisher der Corona-Krise zum Opfer gefallen sind, doch das fehlende Interesse, diese Tode zu verhindern, sei alarmierend. Dieser Meinung ist die Deutsche Aidshilfe (DAH), wie sie in einer Pressemitteilung verlautbart.
Die Zahl des Tages lautet: 1.398. So viele Menschen haben im letzten Jahr durch Drogenkonsum und die Folgen einer repressiven Drogenpolitik ihr Leben verloren. Die meisten könnten noch leben. Am 21. Juli wird an sie erinnert - am „Internationalen Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher“.
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Abhängigen helfen: Deutsche Aidshilfe kritisiert Drogenpolitik
Für die Deutschen Aidshilfe liegen die Gründe auf der Hand: Eine bedeutende Ursache für drogenbedingte Todesfälle ist fehlender oder unzureichender Zugang zur Gesundheitsversorgung, vor allem zur Substitutionsbehandlung, also den Ersatz von Heroin durch ein Medikament. Anlässlich des Gedenktages fordert die DAH darum die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen auf:
„Schaffen Sie Zugänge zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung und zu risikominimierenden Maßnahmen für alle Drogenkonsumenten, die in Deutschland leben - auch für Inhaftierte und Menschen ohne Krankenversicherung oder Papiere.“
„Gesundheit ist ein Menschenrecht und daher nicht verhandelbar. Wir haben alle Mittel, Todesfälle zu verhindern und die Gesundheit abhängiger Menschen zu erhalten. Mit dem entsprechenden politischen Willen könnten in Deutschland so viel mehr Menschenleben gerettet, so viel mehr Infektionen verhindert werden“, so Winfried Holz vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe.
Die DAH schlägt zwei Maßnahmen für die Hilfe für Abhängige vor:
- Leichterer Zugang zu Substituten: „Die Hürden sind für viele hoch, zum Beispiel durch eine Pflicht zur täglichen kontrollierten Einnahme des Medikaments in der Substitutionspraxis und die Erwartung, dass auch Alkohol- oder Medikamentenkonsum schnell reduziert werden.“
- Therapie für alle Bedürftigen: „Diese Standardtherapie muss auch für Menschen ohne Krankenversicherung oder Papiere geöffnet werden. Denn viele Drogen konsumierende Menschen in Deutschland sind aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder dem Iran geflohen, andere sind aus Osteuropa hierhergekommen. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten Geflüchtete jedoch nur eine medizinische Notversorgung, in der Regel keine Substitutionsbehandlungen oder Psychotherapien.“
Die Deutschen Aidshilfe beklagt außerdem, dass viele Möglichkeiten bisher ungenutzt bleiben. „Jährlich die Zahl der Drogentoten zu beklagen bleibt ein Lippenbekenntnis, solange nicht alle Möglichkeiten fürs Überleben ausgeschöpft werden. Gedenken heißt darum auch, auf eine Drogenpolitik zu drängen, die alle wissenschaftlich abgesicherten Instrumentarien zum Schutz von drogenkonsumierenden Menschen ermöglicht“, sagt DAH-Vorstand Winfried Holz. *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.
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