Markus Lanz im ZDF: TV-Moderator trifft miserable Entscheidung

ZDF-Moderator Markus Lanz hört mal wieder nicht zu und lässt lieber Wolfgang Bosbach über Rassismus reden. Auch Philipp Amthor wird zum Thema im TV.
- Markus Lanz will im TV über Tagespolitik sprechen.
- Doch der Moderator outet sich erneut als schlechter Zuhörer im ZDF. Sonst ging es auch um Philipp Amthor.
- Markus Lanz* beendet die Talkshow zum schlechten Zeitpunkt.
Für einen Talk-Moderator ist Markus Lanz ein erschreckend schlechter Zuhörer. Wenn er nach einem Standard-Corona-Update von Standard-Corona-Experte Prof. Hendrik Streeck flötet: „Ich entnehme daraus eine gewisse Gelassenheit, einen gewissen Optimismus, und eine Frage der Eigenverantwortung“, dann spiegelt das überhaupt nicht die vergangenen zehn Minuten Diskussion wider – aber sehr genau Lanz' grundsätzliche Lebenseinstellung. Egal, ob es in vergangenen Sendungen um Umweltverschmutzung, Seuchen oder Familientragödien ging: Laut Lanz muss man sich immer beruhigen und nichts Grundlegendes verändern, jeder passt auf sich selbst auf, dann wird alles gut.
TV: Markus Lanz (ZDF) in selektiver Taubheit - Philipp Amthor Thema auch Thema
Was Lanz in dieser Sendung alles nicht hört, ist bemerkenswert. Dass er eine gewisse selektive Taubheit für Widersprüche in ihm angenehmen Positionen hatte, ist ja lange bekannt, aber heute hat dieser blinde Fleck praktisch die ganze Sendung übertüncht. Ob Lanz anschließend noch irgendetwas von dem gesagten wiederholen könnte? Ob er irgendetwas wirklich gehört hat?
Da ist das Thema Philipp Amthor. Der gestriegelte Jung-Star der CDU und einer von Lanz' Lieblingsgästen hat zur Zeit allerhand Untersuchungsausschüsse am Hals, weil er, wie Markus Lanz* und der CDU-Veteran Wolfgang Bosbach haarklein darlegen, politischen Einfluss und Nachrichtendienst-Verbindungen für eine US-Firma gegen höchst lukrative Aktien-Optionen verkauft hat. Auch wenn diese verzögerte Zahlungsart vielleicht durch ein gesetzliches Schlupfloch rutscht - viel eindeutiger kann man Bestechlichkeit nicht demonstrieren.
Bosbach fordert deshalb mehr “natürliche Intelligenz” von seinem Partei-Freund-Amthor ein.*
TV: Bei Markus Lanz (ZDF) geht es um den guten Schein
Gibt es darüber Empörung, moralische Verurteilung? Ach was. Es geht um den guten Schein. Bosbach, der den ganzen Abend lang als konservative Karikatur auftritt, sagt ganz offen: Es geht ihm gar nicht um Bestechlichkeit: „Mir geht es um den politischen Eindruck gegenüber der Öffentlichkeit, die uns ohnehin latent im Verdacht hat, eigene wirtschaftliche Interessen über das Wohl der Bevölkerung zu stellen.“ Anders gesagt: Bestechlichkeit hin oder her, wie kann Amthor es aussehen lassen wie Bestechlichkeit? Wie konnte er es wagen, sich erwischen zu lassen und es so aussehen zu lassen... wie es ist?!
Man erwartet von Lanz ja so etwas wie ein Distanzierung oder eine moralische Verurteilung gar nicht mehr. Aber wie gut gelaunt er abschließend hervorhebt: „Er folgt ja normalerweise unseren Einladungen sehr gerne, in dem Fall war er leider zeitlich verhindert.“ Wie grinsend er diese offensichtliche Lüge genießt. „Ja, ist Sitzungswoche“, kichert Bosbach. „Genau“, feixt Markus Lanz. Hach, wie ulkig, schaut mal, der kleine CDU-Emporkömmling hat einen Bestechungsskandal am Hals. Problematisch? Undemokratisch? Beschämend? Iwo. Ist doch drollig.
TV: Blinde Flecken bei Markus Lanz im ZDF
Der nächste blinde Fleck: die beeindruckende Juristin Karoline Preisler, die nach ihren Auftritten als eine der ersten schweren Corona-Opfer in ihrer Heimat massive Todesdrohungen, Schuldzuweisungen und Verleumdungen abbekommen hat, soll doch bitte berichten, wie hässlich diese Menschen da draußen alle sind. Aber sie macht was anderes.
Sie weist Markus Lanz erst mal darauf hin, dass er gerade eben einen Barkeeper im Ski-Ort Ischgl als „Täter“ der Corona-Übertragung bezeichnet hat. Das sind diese starken Momente, diese Möglichkeiten zur erschreckten Selbsterkenntnis – das sind die Momente, in denen echte Talk-Master brillieren. Es ist das totäugig lächelnde Unverständnis, mit der Lanz über solche Momente drübersegelt, als hätte er tatsächlich kein Wort gehört, die die Sendung manchmal so verstörend machen.
Am schlimmsten aber ist das letzte Segment über Polizei-Rassismus in Deutschland. Dass das tief in die Hose geht ist, mit Verlaub, bei Lanz nicht überraschend. Man muss nicht zum Blackfacing-Skandal bei „Wetten Dass?“ zurückgehen, um dem Mann eine katastrophale Taubheit in Sachen Rassismus zu bescheinigen. Am 2. Juni hielt Markus Lanz einen Talk über Polizeigewalt gegen schwarze Menschen in den USA und in Deutschland mit einer komplett weißen Runde.
Am Tag danach rechtfertigte „Lanz“-Redaktionsleiter Markus Heidemanns das damit, dass die Hautfarbe für die Expertise egal wäre. Wieder einen Tag später erklärte Lanz der afrodeutschen Filmemacherin Mo Asumang, dass Deutschland im Kern doch kein rassistisches Land wäre – nachdem die ihm erzählt hat, wie sie in Berlin bereits grundlos von Polizisten körperlich attackiert worden war. Danach gab es sogar Petitionen, ihn aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu verbannen.
TV: Markus Lanz (ZDF) und der Rassismus - Racial Profiling gibt es nicht
All das ist natürlich längst wieder durch Markus Lanz hindurchgezogen. Was er gehört hat, war vermutlich: „Sollen doch alle sich beruhigen und nichts Grundlegendes verändern, jeder passt auf sich selbst auf, dann wird alles gut.“ Diesmal musste er immerhin nicht mehr selbst alle weißen Fettnäpfchen-Argumente durchprobieren – diesmal hatte er Wolfgang Bosbach.
Der stellt gleich mal fest: Racial Profiling gibt es in Deutschland nicht. Sicher, einige Beamte würden bevorzugt Menschen mit Migrationshintergrund kontrollieren, aber das liegt einfach an der „gelebten Erfahrung“ der Beamten in den Problemvierteln, an der „Lebenswirklichkeit in Deutschland“, die anscheinend auch beinhaltet, dass es einen „weit überwiegenden Anteil von Tätern mit Migrationshintergrund“ gibt. Er geht noch weiter, er findet Texte wie in der faz, die das Vertrauen in die Polizei untergraben, „menschenverachtend“.
Der deutsche Politologe Joshua Kwesi Aikins kriegt nur zwei kurze Wortmeldungen, aber die reichen aus, um Bosbachs grenz-xenophobe „Die Polizei ist nur da rassistisch, wo es angebracht ist“-Theorie völlig zum Einsturz zu bringen. Er zitiert aus den Akten des NSU-Verfahrens, wo alle Landespolizei-Einheiten jahrelang ausschließlich im Umfeld der Opfer ermittelt haben, weil die Brutalität der Tötungen „nur außerhalb des europäischen Kulturraums verortet werden kann.“ Dabei war genau das Gegenteil richtig: Der Tod ist weiterhin ein Meister aus Deutschland.
TV: Miserable Entscheidung von Markus Lanz (ZDF)
Plötzlich rudert Bosbach so heftig und hektisch zurück, dass kein Fehl-Argument-Klischee unausgesprochen und kein logischer Stein auf dem anderen bleibt. Erst zieht er sich zurück auf die „schwarzen Schafe“, die es also plötzlich doch gibt, aber die natürlich nicht „symptomatisch für die Arbeit unserer Polizei“ sind. Dann gibt er plötzlich das Gegenteil seiner vorherigen These zu: „Migranten werden häufiger Opfer von Gewalttaten, sind seltener Täter, aber werden häufiger als Täter verdächtigt.“ Aha? Also plötzlich doch? Aber: „Die Polizei hat sich doch in den letzten Jahren deutlich verändert.“ Fortbildungen und so. Also war man früher richtig doll rassistisch, aber heute nicht mehr ganz so sehr? Worauf will er hinaus?
Es ist eine miserable Entscheidung von Lanz, dass er nach dem größten Knoten, den Bosbach in sein Gehirn redet, kurzerhand die Sendung beendet. Dadurch schafft er nicht nur ein selten dummes Schlusswort, sondern beweist auch mal wieder, dass er vermutlich gar nicht zugehört hat. Deswegen hier nochmal für ihn zum analysieren.
TV: Markus Lanz (ZDF) gibt Wolfgang Bosbach das Wort - der macht sich lächerlich
Für sein Schlusswort holt Bosbach nämlich die Amthor-Klage nochmal raus, dass die unschöne Wirklichkeit doch den ganzen schönen Schein zerstört: „Wie soll man das Vertrauen von schwarzen Menschen in die Polizei stärken, wenn man ihr latenten Rassismus unterstellt?“ Wow. Zum Mitschreiben: Wolfgang Bosbach wirft schwarzen Bürgern, die über latenten Polizei-Rassismus klagen, vor, dass sie das Ansehen der Polizei bei schwarzen Bürgern beschädigen. Vielleicht sollte man einfach gar keine weißen Menschen mehr über Rassismus mitreden lassen, sie machen sich dabei doch nur lächerlich. (Von D.J. Frederiksson)
Aktuell ist der Moderator wie von der Bildfläche verschwunden. Dafür gibt es ein Best-of aus den vergangenen Monaten Markus Lanz im ZDF*.
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