Streit um AfD-Würdenträger im Bundestag: Schäuble sieht „keinen Rechtsanspruch“ - und empört die Partei

Dreimal hat die AfD versucht, einen Kandidaten ins Amt des Bundestagsvizepräsidenten zu bekommen. Dreimal ist sie gescheitert. Doch sie besteht auf den Posten. Wolfgang Schäuble hat eine andere Sicht der Dinge.
Update 20. April: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat die Position der AfD zurückgewiesen, sie habe einen Anspruch auf einen Vizepräsidentenposten im Parlament. „Es gibt keinen Rechtsanspruch“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe lediglich eine „Verabredung“ in der Geschäftsordnung des Bundestags, dass jede Fraktion einen Kandidaten vorschlagen könne.
Dann gelte: „Es wird immer nur Vizepräsident, wer in geheimer Wahl die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält. Und wenn ein vorgeschlagener Kandidat diese Mehrheit nicht bekommt, dann ist er nicht Vizepräsident. Da ist nichts Unklares dran.“
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland sagte dazu der dpa: „Es ist schlimm, dass der Bundestagspräsident, der alle Fraktionen repräsentieren sollte, solche Äußerungen tätigt. Letztendlich wird das Bundesverfassungsgericht dies klären.“
Die AfD ist bislang mit drei Bewerbern gescheitert, einen Vizepräsidentenposten zu bekommen. Keiner von ihnen erhielt die erforderliche Mehrheit. Die Partei hat damit gedroht, nun in jeder Sitzungswoche einen Kandidaten zur Wahl zu stellen. Dazu sagte Schäuble: „Warum soll ich mich durch Drohung als frei gewählter Abgeordneter des Bundestages zu einer Entscheidung zwingen lassen?“ Gauland erwiderte: „Von Drohung kann überhaupt nicht die Rede sein.“
In Paragraf 1 der Geschäftsordnung des Bundestags steht: „Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten.“ Anschließend ist das von Schäuble dargestellte Wahlverfahren beschrieben. Für die ersten beiden Wahlgänge braucht ein Bewerber eine Mehrheit von 355 Stimmen. Im dritten Wahlgang benötigt er nur noch mehr Ja- als Nein-Stimmen, Enthaltungen werden nicht mitgezählt.
Schon der Dritte: Wieder AfD-Kandidat für Bundestagsvizepräsidenten durchgefallen
Update vom 11. April: Die AfD ist erneut mit dem Versuch gescheitert, einen Abgeordneten aus ihren Reihen zum Bundestagsvizepräsidenten wählen zu lassen. Der 63 Jahre alte Berufsoffizier Gerold Otten aus Bayern erhielt am Donnerstag in einer geheimen Abstimmung nicht die notwendige Mehrheit. Für den früheren Kampfpiloten stimmten 210 der Abgeordneten. Gegen den AfD-Kandidaten votierten 393 Abgeordnete. 31 Parlamentarier enthielten sich.

Otten ist bereits der dritte Kandidat, den die AfD nominiert hat. In der vergangenen Woche war die Juristin Mariana Harder-Kühnel aus Hessen im dritten Wahlgang abgelehnt worden. Vor ihr hatte der Bundestag Albrecht Glaser drei Mal durchfallen lassen. Während Angehörige anderer Fraktionen bei Glaser vor allem Äußerungen zur Religionsfreiheit von Muslimen in Deutschland moniert hatten, gab es gegen Harder-Kühnel keine konkreten persönlichen Vorwürfe.
Abgeordnete anderer Fraktionen, die sich gegen die Familienpolitikerin aussprachen, begründeten ihre Ablehnung mit Positionen anderer AfD-Politiker wie Björn Höcke vom rechtsnationalen Flügel der Partei. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach erklärte beispielsweise: „Die Gesinnung lässt sich halt nicht trennen von den Menschen, mit denen ich gemeinsam Politik mache.“
Nach Niederlage von Harder-Kühnel: AfD will neue Wahl des Bundestagsvize beantragen
Update vom 9. April: Die AfD will im Bundestag erneut die Wahl eines Bundestagsvizepräsidenten aus ihren Reihen auf die Tagesordnung setzen. „Ich gehe davon aus, dass wir die Wahl abhalten können diese Woche“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, am Dienstag in Berlin. Am Nachmittag wollte die Fraktion beschließen, wer nun für den Posten kandidieren soll. Am vergangenen Donnerstag war die hessische AfD-Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel im dritten Wahlgang gescheitert. Die Juristin war nach dem ehemaligen CDU-Mitglied Albrecht Glaser bereits die zweite Kandidatin der Partei, die nicht die notwendige Mehrheit erhielt.
Laut Baumann will die Fraktion nun in jeder Sitzungswoche einen Kandidaten aufstellen. Er sagte, anstatt der AfD den ihr zustehenden Posten zu gönnen, verwende der Bundestag „wertvolle Zeit auf solche Geschichten.“
News vom 4. April: AfD-Frau Harder-Kühnel fällt bei Wahl zu Bundestagsvize erneut durch
15.32 Uhr: Die AfD-Politikerin Mariana Harder-Kühnel ist auch im dritten Anlauf bei der Wahl zur Vizepräsidentin des Bundestags durchgefallen. Auf die hessische Abgeordnete entfielen bei der Abstimmung am Donnerstag in Berlin nur 199 Ja-Stimmen. 423 Abgeordnete stimmten mit Nein, 43 enthielten sich. Damit bleibt der Posten im Bundestagspräsidium, der laut Geschäftsordnung der AfD-Fraktion zusteht, weiterhin unbesetzt.

Harder-Kühnel war zuvor bereits zweimal bei der Wahl zur Bundestags-Vizepräsidentin gescheitert. Mitte Dezember hatte sie im zweiten Anlauf 241 Ja-Stimmen und 377 Nein-Stimmen erhalten. 41 Abgeordnete enthielten sich damals. Im ersten Anlauf im November gab es 223 Ja-Stimmen, 387 Nein-Stimmen und 44 Enthaltungen.
Nach drei Niederlagen darf sich Harder-Kühnel nur dann ein viertes Mal zur Wahl stellen, wenn zuvor der Ältestenrat des Bundestags zustimmt. Die AfD könnte aber auch einen neuen Bewerber ins Rennen schicken.
AfD-Politikerin Mariana Harder-Kühnel bekommt Gegenwind aus der eigenen Partei
15.19 Uhr: Kurz vor der Abstimmung um Harder-Kühnel regt sich Widerstand gegen die Kandidatin auf den Posten des Schäuble-Stellvertreters - und zwar aus der AfD. Das jedenfalls berichtet der Spiegel. Die eigene Kandidatin sei "mitnichten unabhängig", tuscheln Fraktionskollegen. Sondern sie sei eng verdrahtet mit dem "Flügel" des Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Also jenem Teil der Partei, der vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wird.
"Ich möchte nicht, dass so jemand Teil des Staatsorgans Bundestagspräsidium wird", erklärte einer von ihnen dem Magazin, "deswegen werde ich sie nicht wählen." Ein anderer: "Ich kann das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, sie zu wählen."
Tatsächlich gibt es laut Spiegel mehrere Hinweise, dass Harder-Kühnel weit rechter positioniert ist als bislang bekannt.
15.05 Uhr: Die Wahl zur Bundestags-Vizepräsidentin hat begonnen. Bei der Abstimmung am Donnerstag entscheidet sich, ob die AfD-Politikerin Mariana Harder-Kühnel zu einer der Stellvertreterinnen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) werden kann. Die AfD-Fraktion zeigte sich zuvor optimistisch, dass ihre Kandidatin nun im dritten Anlauf ins Bundestagspräsidium aufrücken wird.
AfD-Fraktion geht von Wahl Harder-Kühnels aus
12.59 Uhr: Die AfD-Fraktion hat sich optimistisch gezeigt, dass ihre Kandidatin Mariana Harder-Kühnel im dritten Anlauf am Donnerstag zur Vizepräsidentin des Bundestags gewählt werden wird. Es gebe "keinen Grund, sie nicht zu wählen", sagte Fraktionssprecher Christian Lüth der Nachrichtenagentur AFP. Die Abgeordnete sei "persönlich wie fachlich einwandfrei".
Zum Inhalt von Vorgesprächen, die mit anderen Fraktionen außer der Linken geführt wurden, wollte sich Lüth unter Verweis auf deren Vertraulichkeit nicht äußern. Die "absurde Nervosität" vor allem bei der SPD lasse aber tief blicken. Aus den Reihen der Sozialdemokraten hatte sich etwa der Abgeordnete Sören Rix gegen die Wahl von Harder-Kühnel ausgesprochen und auf Twitter geschrieben: "So fängt es an... Nazis werden salonfähig... Geht gar nicht!"
Lesen Sie auch: Peinliche GroKo-Panne im Bundestag - ausgerechnet, als es um die Nato ging
Update vom 4. April 2019, 12.46 Uhr: Die AfD-Politikerin Mariana Harder-Kühnel unternimmt am Donnerstag den dritten Anlauf, im Bundestag zur Vizepräsidentin gewählt zu werden. Ihr Chancen stehen diesmal besser als zuvor: Denn diesmal ist die relative Mehrheit ausreichend - es muss mehr Ja- als Nein-Stimmen geben. Grundsätzlich steht der AfD der Posten zu: Denn in der Geschäftsordnung des Bundestages heißt es, dass jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten stellen soll.
Sollte sie am Donnerstag erneut scheitern, müsste der Ältestenrat entscheiden, ob sie noch ein viertes Mal antreten darf. Die AfD könnte aber auf jeden Fall einen neuen Bewerber ins Rennen schicken.
Erstmeldung vom 3. April: Fraktionschef der Union will AfD-Kandidatin wählen
Berlin - Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus will an diesem Donnerstag bei der neuen Abstimmung über ein Vizepräsidentenamt des Bundestages für die AfD-Kandidatin Mariana Harder-Kühnel stimmen. Er habe sich nach einem Gespräch mit Harder-Kühnel für diesen Schritt entschlossen, sagte der CDU-Politiker am Dienstag nach Angaben von Teilnehmerkreisen in der Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Die Spitze der Unionsfraktion will den Abgeordneten von CDU und CSU aber offiziell wie bisher keine Wahlempfehlung geben.
AfD-Frau Harder-Kühnel ist schon zweimal bei der Wahl gescheitert
Harder-Kühnel hatte am 29. November und am 13. Dezember jeweils die erforderliche Mehrheit von 355 Stimmen verfehlt. An diesem Donnerstag soll es die dritte Abstimmung geben. Dabei reicht die einfache Mehrheit - Enthaltungen zählen dabei nicht mit. Harder-Kühnel hatte am Montag an die anderen Abgeordneten appelliert, den „Königsweg“ der Enthaltung zu gehen. Kurz nach der Bundestagswahl war der damalige AfD-Kandidat Albrecht Glaser dreimal bei der Wahl für das Amt des Bundestagsvizes durchgefallen. Seitdem ist der Posten unbesetzt.
Video: Geldstrafe für Ex-AfD-Chefin Petry wegen Falscheids
Lesen Sie auch: Hin und her bei der Landtags-AfD: Jetzt doch kein Fraktionsausschluss auf der Tagesordnung?
SPD-Abgeordnete lehnen Harder-Kühnel strikt ab
Focus Online liegt ein Statement von 12 SPD-Abgeordneten vor, in dem steht, dass Harder-Kühnel „für uns als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags nicht wählbar ist“.
In dem Schreiben heißt es weiter: „Die AfD spaltet, grenzt aus und hetzt - nicht zuletzt, indem eine Abkehr von der Erinnerungskultur zu den Naziverbrechen gefordert wird oder Menschen mit Behinderungen, anderer Hautfarbe oder Frauen abgewertet werden. Wenn eine Fraktion systematisch den Anstand unserer demokratischen Kultur missachtet, dann steht ihr auch keine Vizepräsidentin zu."

Zu den Unterschreibern des Statements gehören: Wiebke Esdar, Timon Gremmels, Elisabeth Kaiser, Elvan Korkmaz, Helge Lindh, Siemtje Möller, Falko Mohrs, Josephine Ortleb, Johannes Schraps, Michael Schrodi, Manja Schüle und Marja-Liisa Völlers.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte eine Wahlrechtsreform für den Bundestag geplant. Ist damit aber vorerst gescheitert. Die Opposition macht die Unionsparteien für das Scheitern verantwortlich.
Ebenfalls interessant: Aktuelle Umfrage zur Europawahl 2019: AfD legt zu, SPD und Grüne gleichauf
dpa/md