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In einer investigativen Dokumentation auf ProSieben soll sich Christian Lüth, der frühere Sprecher der AfD-Fraktion menschenverachtend zu Migranten geäußert haben. Auf Kritik reagiert der Sender mit einer klaren Haltung.
- Am Montagabend hat ProSieben die Dokumentation „ProSieben Spezial: Rechts. Deutsch. Radikal.“ ausgestrahlt.
- Die Journalisten begleiteten ein vermeintlich vertrauliches Gespräch zwischen dem damaligen Sprecher der AfD-Fraktion und einer rechten YouTuberin mit verdeckten Kameras.
- Auf Kritik der AfD reagierte der Sender eindeutig (siehe Update vom 30. September, 13.18 Uhr).
Update vom 1. Oktober, 15.50 Uhr: Die ProSieben-Doku „Rechts. Deutsch. Radikal“ sorgte für Aufregung. Sie deckte auf, dass Christian Lüth, ehemaliger Sprecher der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD), extreme Aussagen gegen Migranten getroffen hat (siehe Update vom 29. September). In einem vermeintlich vertraulichen Gespräch tätigte Lüth unter anderem auch folgende Aussage: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“
Hinsichtlich dessen meldete sich nun Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, zu Wort und wurde deutlich. Wie „FOCUS Online“ berichtet, sagte er am Mittwoch im Zuge einer Debatte: „Wer meint, er könnte in so einer Situation Deutschland noch weitere Krisen an den Hals wünschen, wer meint, es sei besser für Deutschland, wenn es diesem Land schlechter geht, der ist keine Alternative für Deutschland! Der ist der Abgrund für Deutschland.“ Gegenüber „FOCUS“ habe Dobrindt schließlich auch bestätigt, dass er mit diesem Statement auf die ProSieben-Doku angespielt habe. Seine getroffenen Aussagen würde er zu jeder Zeit so wiederholen.
„ProSieben Spezial“: AfD wehrt sich gegen Bericht - TV-Sender reagiert prompt und stellt entlarvende Frage
Update vom 30. September, 13.18 Uhr: Der Sender ProSieben ging mit kritischen und teils hasserfüllten Reaktionen auf die Doku „Rechts. Deutsch. Radikal.“ sachlich um und ließ sich davon nicht beirren. Der Beitrag, welcher am Montag zur Primetime ohne Werbeunterbrechungen lief, thematisierte Rechtsextremismus in Deutschland. Dabei ging es auch um die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD*).
ProSieben-Doku über Rechtsextremismus: Sender reagiert mit klarer Haltung auf Kritik
Die ProSieben-Doku deckte auf, dass Christian Lüth der ehemalige Parteisprecher extreme Aussagen gegen Migranten getroffen hatte (siehe voriges Update). Darauf behauptete die Bundes-AfD auf Twitter, Lüth sei kein Parteimitglied und seit drei Jahren nicht mehr für die Partei tätig. Allerdings war er von 2018 bis 2020 Pressesprecher der Bundestagsfraktion der AfD. Der Sender reagierte auf die Rechtfertigung der Partei und stellte Fragen: „Oh. Hat Herr Lüth nicht bis gerade für die AfD-Bundestagsfraktion gearbeitet? Oder hat die AfD im Bundestag gar nichts mit der Partei zu tun? Oder ist das der Versuch, Zusammenhänge zu vernebeln?“
Oh. Hat Herr #Lüth nicht bis gerade für die @AfD-Bundestagsfraktion gearbeitet? Oder hat die @AfDimBundestag gar nichts mit der Partei zu tun? Oder ist das der Versuch, Zusammenhänge zu vernebeln? #P7Spezial #RechtsDeutschRadikal https://t.co/Z0MrOmohUL
— ProSieben (@ProSieben) September 28, 2020
Am Montag verkündete die AfD-Fraktion die fristlose Kündigung des langjährigen Pressesprechers Christian Lüth, nachdem die menschenverachtenden Äußerungen bekannt geworden waren (siehe Erstmeldung).
„Rechts. Deutsch. Radikal.“ - ProSieben verteidigt Doku gegen Zuschauer
Ein Zuschauer degradierte die Doku auf Twitter als „Diskussion über Stoffbeutel“. Er bezog sich auf Szene, in der Taschen mit Nazi-Symbolen behandelt wurden. ProSieben stelle daraufhin klar: „Es war keine Diskussion über Stoffbeutel. Es war eine Diskussion über einen Begriff und ein Symbol, das das NS-Regime zum Symbol für Mord, Erniedrigung gemacht hat. Zudem ist es verboten.“
Es war keine Diskussion über Stoffbeutel. Es war eine Diskussion über einen Begriff und ein Symbol, das das NS-Regime zum Symbol für Mord, Erniedrigung gemacht hat. Zudem ist es verboten. #P7Spezial #RechtsDeutschRadikal https://t.co/ZAACvOlWOr
— ProSieben (@ProSieben) September 28, 2020
Update vom 29. September, 10.35 Uhr: Die AfD-Bundestagsfraktion hat nach der fristlosen Entlassung ihres ehemaligen Pressesprechers Christian Lüth betont, man spekuliere nicht aus parteitaktischen Gründen auf eine Verschlechterung der Situation in Deutschland. „Die AfD legt es nicht auf einen schlechten Zustand Deutschlands an“, sagte der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer am Dienstag.
Olaf Scholz mit Seitenhieb gegen AfD - „Populisten, die sich freuen, wenn es dem eigenen Land schlecht geht“
Lüth, der auch als enger Vertrauter des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland gilt, hatte bei einem vermeintlich vertraulichem Gespräch im Februar gesagt: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“ In dem Gespräch, dass für eine Dokumentation des Privatsenders ProSieben mit versteckter Kamera gefilmt wurde, sagte Lüth angesprochen auf den Zuzug von Migranten. „Wir können die nachher immer noch alle erschießen, das ist überhaupt kein Thema, oder vergasen, oder wie du willst, mir egal.“
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz reagierte in einer Rede im Bundestag auf die Aussagen Lüths. Im Bezug auf die Corona-Krise sagte der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten: „Die ganzen Populisten, die sich freuen, wenn es dem eigenen Land schlecht geht und daraus sogar ihre Strategie machen wollen, sind jetzt ganz still geworden.“ In Kisen, so Scholz würde sich zeigen, wer man wirklich sei.
"Die ganzen Populisten, die sich freuen, wenn es dem eigenen Land schlecht geht und daraus sogar ihre Strategie machen wollen, sind jetzt ganz still geworden", stellt @OlafScholz fest. Denn in der Krise zeigt sich, wer man eigentlich ist. #Haushalt #Bundestag #GeldInDieHand pic.twitter.com/C9cdVGNSpM
— SPD-Fraktion im Bundestag (@spdbt) September 29, 2020
Langjähriger AfD-Sprecher vor versteckter Kamera mit heftiger Aussage - Partei reagiert
Originalmeldung vom 28. September:
München - Am Montagabend, den 28. September, hat ProSieben die Dokumentation „ProSieben Spezial: Rechts. Deutsch. Radikal.“ ausgestrahlt. In einem vermeintlich vertraulichen Gespräch soll Christian Lüth, der frühere Sprecher der Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD), menschenverachtende Äußerungen zu Migranten getätigt haben. In einer Fraktionssitzung am Montag hat AfD-Fraktionschef Alexander Gauland die fristlose Kündigung des ehemaligen Presseprechers verkündet.
Dokumentation: „Vertrauliches“ Treffen zwischen AfD-Sprecher Lüth und rechter YouTuberin
Die investigative Dokumentation „ProSieben Spezial: Rechts. Deutsch. Radikal.“ zeigt den Journalisten Thilo Mischke, der in den vergangenen 18 Monaten innerhalb rechter Netzwerke recherchiert und dabei Anhänger verschiedener rechter und rechtsextremer Gruppierungen getroffen hat. Ebenfalls ausgestrahlt wird ein Treffen vom 23. Februar zwischen Christian Lüth, dem damaligen Sprecher der AfD-Fraktion, und der rechtslastigen YouTuberin Lisa Licentia in Berlin. Ein Journalistenteam des Senders ProSieben war mit verdeckten Kameras bei dem Gespräch dabei.
Dokumentation: Christian Lüth seit Gründung der AfD in gehobener Position für Partei tätig
In dem Film wird Lüth aus rechtlichen Gründen nur als „hoher AfD-Funktionär“ bezeichnet und nicht namentlich genannt, wie die Zeit berichtet. Allerdings konnte die Zeit eigenen Angaben zufolge Lüth mithilfe eines Datenleaks und mehrerer Informanten eindeutig identifizieren. Wegen seiner herausragender Stellung in der Partei zum Zeitpunkt des Treffens und wegen des damit einhergehenden besonderen öffentlichen Interesses, habe man sich entschieden, seinen Namen öffentlich zu machen.
Lüth war seit Gründung der AfD in gehobener Position für die Partei tätig. Zunächst agierte er als Parteisprecher, später war er Sprecher der Bundestagsfraktion. Er gilt als enger Vertrauter des Ehrenparteivorsitzenden Alexander Gauland. Im April wurde er freigestellt, nachdem Vorwürfe laut geworden waren, er habe sich in einem Gespräch selbst als „Faschist“ bezeichnet.
ProSieben nimmt Treffen zwischen Lüth und Licentia mit verdeckten Kameras auf
Die Verabredung zwischen der YouTuberin Licentia und Lüth, die zwei Monate vor seiner Freistellung stattfand, sei zustande gekommen, nachdem der AfD-Politiker die rechte Influencerin zunächst mehrfach auf Twitter angeschrieben habe. Dem ehemaligen AfD-Sprecher sei nicht bekannt gewesen, dass Licentia aus der rechten Szene aussteigen wollte und deswegen mit dem ProSieben-Team um Reporter Thilo Mischke in Kontakt stand. Die Journalisten entschieden sich, das Treffen mit verdeckten Kameras zu filmen, um dokumentieren zu können, was Lüth wirklich denkt und was er sagt, wenn er sich unter Gleichgesinnten wähnt.
Oh. Hat Herr #Lüth nicht bis gerade für die @AfD-Bundestagsfraktion gearbeitet? Oder hat die @AfDimBundestag gar nichts mit der Partei zu tun? Oder ist das der Versuch, Zusammenhänge zu vernebeln? #P7Spezial #RechtsDeutschRadikal https://t.co/Z0MrOmohUL
— ProSieben (@ProSieben) September 28, 2020
Dokumentation: Lüth mit menschenverachtenden Äußerungen über Migranten
Die Aussagen des AfD-Funktionärs seien nach Angaben von ProSieben aus einem Gedächtnisprotokoll nachgesprochen. Ein Sprecher des Senders erklärte gegenüber dem Spiegel, dass es mehrere Ohrenzeugen des Gesprächs gebe. Diese hätten die Inhalte des Gesprächs an Eides statt versichert. Lüth soll bei dem Treffen unter anderem gesagt haben: „Die AfD ist wichtig; und das ist halt schizophren, das haben wir mit Gauland lange besprochen: je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“ Auf den Zuzug von Migranten angesprochen wird dem AfD-Funktionär außerdem folgender Satz zugeschrieben: „Wir können die nachher immer noch alle erschießen, das ist überhaupt kein Thema, oder vergasen, oder wie du willst, mir egal.“
Nach Berichten über Äußerungen: AfD-Fraktion entlässt Lüth fristlos
Nach den Berichten über die menschenverachtenden Äußerungen über Migranten hat die AfD-Fraktion ihren langjährigen Pressesprecher Lüth fristlos entlassen. Der Fraktionsvorstand habe diese Entscheidung einstimmig gefällt. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Gauland äußerte sich zu den Aussagen des ehemaligen Funktionärs gegenüber der dpa: „Die Herrn Lüth zugeschriebenen Äußerungen sind völlig inakzeptabel und in keiner Weise mit den Zielen und der Politik der AfD und der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag vereinbar.“ Die Behauptung, er habe mit Lüth „über diese Themen auch nur gesprochen beziehungsweise ich hätte die Herrn Lüth zugeschriebenen Äußerungen ihm gegenüber sogar gebilligt, ist völlig absurd und frei erfunden“, stellte er klar.
Seine derzeit thematisierten Äußerungen, die er im Februar 2020 tätigte und die im direkten Gegensatz zu den freiheitlich-demokratischen Grundsätzen unserer Partei stehen, können der AfD deshalb auf keinen Fall zugerechnet werden. (2/3)
— Alternative für 🇩🇪 Deutschland (@AfD) September 28, 2020
Auf dem offiziellen Twitter-Account der AfD erklärt die Partei: „Christian Lüth ist kein Mitglied der AfD mehr und spricht seit Januar 2018 auch nicht mehr für die Partei. Die verschiedentlich in der Berichterstattung aufgetauchte Bezeichnung ‚AfD-Parteifunktionär‘ ist daher nicht zutreffend. Seine derzeit thematisierten Äußerungen, die er im Februar 2020 tätigte und die im direkten Gegensatz zu den freiheitlich-demokratischen Grundsätzen unserer Partei stehen, können der AfD deshalb auf keinen Fall zugerechnet werden.“
Die AfD-Fraktion im hessischen Landtag erklärte: „Rassistische, antisemitische Äußerungen sowie Gewaltfantasien haben in der AfD keinen Platz. Wir sind sehr froh, dass der Vorstand der Bundestagsfraktion schnell gehandelt und Christian Lüth mit sofortiger Wirkung entlassen hat.“ (ph) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks