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Afghanistan: Situation am Flughafen von Kabul "gefährlich" und "volatil"

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Von: Teresa Toth, Kerstin Kesselgruber, Jan-Frederik Wendt

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Das US-Militär hielt bereits tausende Menschen ohne Papiere davon ab, auf das Gelände des Flughafens in Kabul zu gelangen.
Das US-Militär hielt bereits tausende Menschen ohne Papiere davon ab, auf das Gelände des Flughafens in Kabul zu gelangen. © Wakil Kohsar/afp

Während die Taliban weiter über eine neue Regierung für Afghanistan beraten, spitzt sich die Lage am Flughafen Kabul weiter zu. Tausende Menschen werden abgewiesen.

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+++ 21.48 Uhr: Die Sicherheitslage am Flughafen Kabul spitzt sich zu. Rettungsaktionen Deutschlands und anderer Nato-Staaten werden dadurch massiv erschwert. Zwar flog die Bundeswehr am Samstag mehr als 200 Menschen aus – beim ersten von zwei Evakuierungsflügen konnten aber nur acht Menschen mitgenommen werden. Laut Angaben des Auswärtigen Amts ist die Situation am Flughafen der afghanischen Hauptstadt "gefährlich" und "volatil". Mit dem zweiten Flug konnten dann 205 Menschen in Sicherheit gebracht werden.

Zuvor warnte bereits die US-Botschaft davor, zum Flughafen zu kommen. Seit die radikal-islamischen Taliban vor einer Woche die Macht in Afghanistan wieder an sich gerissen haben, versuchen unzählige Menschen, das Land zu verlassen. Im Flughafengebäude warteten am Samstag weiter tausende afghanische Menschen mit Ausreisepapieren auf rettende Flüge. Streitkräfte der USA hielten bereits tausende Menschen ohne Papiere davon ab, auf das Gelände des Hamid Karzai International Airport zu gelangen.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) beteuerte, dass trotz der „schwierigen Lage“ weiter daran gearbeitet werde, „so viele Menschen wie möglich“ aus Afghanistan in Sicherheit zu bringen.

Afghanistan: Taliban-Gespräche über neue Regierung laufen – Evakuierung stockt

+++ 18.57 Uhr: Die Evakuierung von Menschen durch die Bundeswehr ist angesichts chaotischer Verhältnisse am Flughafen Kabul ins Stocken geraten. Zwei heute gestartete deutsche Flieger konnten nur sieben beziehungsweise acht Personen nach Usbekistan bringen, wie die Bundeswehr via Twitter mitteilt. Am späten Freitagabend deutscher Zeit wurden 172 Menschen von der Bundeswehr aus dem von den Taliban eroberten Land ausgeflogen.

Große Probleme gibt es bei den Zugängen zum Kabuler Flughafen, an dem sich weiterhin dramatische Szenen abspielen. Ein Augenzeuge berichtet der Deutschen Presse-Agentur, dass dort Tausende Menschen ausharrten. „Sicherheitslage am Flughafen in #Kabul ist weiterhin äußerst gefährlich, Zugang zum Flughafen häufig nicht möglich. Nach unserem Kenntnisstand sind die Gates derzeit geschlossen“, twitterte das Auswärtige Amt. „Derzeit ist es grundsätzlich sicherer, zu Hause oder an einem geschützten Ort zu bleiben“, schrieb die deutsche Botschaft in Kabul an Landsleute. Die US-Botschaft rief amerikanische Staatsbürger am Samstag dazu auf, den Flughafen aufgrund möglicher Sicherheitsbedrohungen zu meiden. Die afghanische zivile Luftfahrtbehörde machte deutlich, dass es weiter keine zivilen und kommerziellen Flüge geben werde.

Derweil sind Anführer der Taliban in Kabul eingetroffen. Etwa eine Woche nach ihrer Machtübernahme kündigte die radikal-islamistische Bewegung einen Rahmenplan für eine neue Regierung an, an dem nach eigenen Angaben Juristen, Geistliche und außenpolitische Experten beteiligt seien. Co-Gründer Mullah Abdul Ghani Baradar werde „mit Dschihadistenführern und Politikern zusammentreffen, um eine inklusive Regierung zu bilden“, wird ein hochrangiger Vertreter der Taliban von der Deutschen Welle zitiert. Baradar war im Jahr 2010 in Pakistan inhaftiert worden, bis er 2018 auf Druck der USA freigelassen und nach Katar überführt wurde. In dieser Woche kehrte er schließlich nach Afghanistan zurück.

Afghanistan: EU erkennt neue Machthaber nicht an – dennoch Gespräche mit Taliban

+++ 16.34 Uhr: Nach Angaben der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erkennt die EU die neuen Machthaber in Afghanistan nicht an. Gespräche mit der Taliban führe man lediglich, um Menschen schnell und sicher evakuieren zu können. Vor allem für diejenigen Menschen, die sich durch die Machtübernahme der islamistischen Gruppe in Gefahr befinden, müssen „sichere und legale“ Fluchtwege geschaffen werden.

Bei ihrem Besuch einer Aufnahmeeinrichtung für geflüchtete Menschen aus Afghanistan spricht Ursula von der Leyen über das weitere Vorgehen der Kommission.
Bei ihrem Besuch einer Aufnahmeeinrichtung für geflüchtete Menschen aus Afghanistan spricht Ursula von der Leyen über das weitere Vorgehen der Kommission. © Paul White/dpa

Bei ihrem Besuch einer Aufnahmeeinrichtung für afghanische geflüchtete Menschen in Madrid betonte Leyen, dass die von der Kommission vorgesehene humanitäre Hilfe in Höhe von 57 Millionen Euro zwar aufgestockt werde, allerdings nur solange die Einhaltung von Menschenrechten und Rechten von Minderheiten und Frauen gewährleistet wird.

Merkel räumt Fehler in Afghanistan ein: Armee in „atemberaubendem Tempo kollabiert“

+++ 13.48 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel räumt ein, dass die Bundesregierung die Widerstandskraft der afghanischen Armee falsch eingeschätzt habe. „Die Armee ist in atemberaubendem Tempo kollabiert“, sagt Merkel bei CDU-Wahlkampfauftakt. „Wir hatten die Widerstandskraft stärker eingeschätzt“, fügt sie mit Blick auf die Debatte hinzu, ob die Regierung schneller hätte handeln müssen.

Zugleich dankt sie den Bundeswehr-Soldatinnen und -Soldaten, die sich jetzt für die Evakuierung von Menschen in Afghanistan einsetzen. Es sei ein „überaus komplizierter Einsatz“, sagt Merkel. „In diesen Stunden heißt es jetzt vor allem, Menschen retten.“ Die Entwicklung in Afghanistan mit der Machtübernahme der Taliban sei ein „Drama“ und eine „Tragödie“.

Nach der Rettungsaktion werde darüber zu reden sein, was in Afghanistan geschafft wurde und was nicht, so Merkel. „Wir wollten möglichst vielen Menschen in Afghanistan ein freies, ein gutes und selbstbestimmtes Leben ermöglichen“, sagt sie. „Und da müssen wir einfach sagen: Das ist so nicht gelungen.“ 

Afghanistan-Evakuierung: Bundeswehr plant Hubschrauber-Einsätze

+++ 10.51 Uhr: Die Bundeswehr will in der afghanischen Hauptstadt Kabul Deutsche, EU-Ausländer und Ortskräfte mit Hubschraubern sicher zum Flughafen bringen. Zwei Maschinen vom Typ Airbus H145M sind laut Angaben der Bundeswehr seit Samstag (21.08.2021) einsatzbereit.

Dem Verteidigungsministerium zufolge können die Bundeswehr-Helikopter in Afghanistan nur in Kabul eingesetzt werden. Es gebe keine Möglichkeit, über den Hindukusch nach Masar-i-Scharif zu fliegen. Bisher ist die Bundeswehr nur innerhalb des Flughafens Kabul im Einsatz. Dieser wird von US-Truppen abgesichert.

Die Bundeswehr will deutsche Bundesbürger und Ortskräfte aus Afghanistan retten (Symbolbild).
Die Bundeswehr will deutsche Bundesbürger und Ortskräfte aus Afghanistan retten (Symbolbild). © Marius Becker/dpa

Derweil belagern weiterhin Tausende Menschen die Eingänge zum Flughafen Kabul. Das berichten Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die verängstigten Menschen hoffen auf einen Platz in einem Flugzeug, um vor der Taliban zu fliehen. Es fallen praktisch durchgehend Schüsse am Flughafen, so ein Augenzeuge.

Rettung aus Afghanistan: Erste US-Maschinen in Ramstein gelandet

+++ 09.11 Uhr: Am späten Freitagabend (20.08.2021) sind die ersten beiden C-17-Transportmaschinen mit etwa 300 Geretteten aus Afghanistan auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein nahe Kaiserslautern gelandet. Die Afghaninnen und Afghanen werden vorübergehend in einem Flugzeughangar untergebracht. Das berichtet tagesschau.de.

Die US-Rettungsflüge aus Afghanistan sollen hauptsächlich über diese europäische Basis abgewickelt werden. Dort will man US-Staatsangehörige und Ortskräfte aus Afghanistan auf ihren Weiterflug in die USA vorbereiten.

Ein Transportflugzeug mit aus Afghanistan ausgeflogenen Menschen landet auf der Ramstein Air Base.
Ein Transportflugzeug mit aus Afghanistan ausgeflogenen Menschen landet auf der Ramstein Air Base. © Uwe Anspach/dpa

Nach Angaben des Pentagons konnte die US-Armee seit vergangenen Samstag (14.08.2021) mindestens 7000 Menschen aus Afghanistan retten. Wie viele Schutzsuchende die USA insgesamt in Sicherheit bringen müssen, ist nach Pentagon-Angaben unklar. US-Präsident Joe Biden sprach zuletzt von etwa 50.000 bis 65.000 Hefler:innen einschließlich ihrer Familien.

Afghanistan-Krise: US-Luftbrücke führt über Deutschland

Erstmeldung vom Samstag, 21.08.2021, 7.03 Uhr: Kabul – Nach fast einer Woche Taliban-Herrschaft läuft die dramatische Rettungsaktion für gefährdete Menschen in Kabul unter Hochdruck weiter: Die USA mussten sogar Hubschrauber losschicken, um rund 170 US-Bürgerinnen und -Bürger von einem Hotel in der afghanischen Hauptstadt zum Flughafen in Sicherheit zu bringen. Die Bundeswehr flog auch in der Nacht zum Samstag erneut Menschen nach Usbekistan aus. Derweil reißt die Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung nicht ab. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock* warf Außenminister Heiko Maas (SPD) Versagen vor.

US-Präsident Joe Biden*, der wegen des raschen Abzugs der US-Truppen aus Afghanistan mit der Folge der Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban ebenfalls in der Kritik steht, sicherte am Freitag (20.08.2021) die Rettung aller Amerikanerinnen und Amerikaner aus dem Land zu. „Wir werden Sie nach Hause bringen“, sagte Biden im Weißen Haus. Eine ähnliche Zusage machte er für die afghanischen Ortskräfte. Es sei aber „eine der größten, schwierigsten Luftbrücken der Geschichte“.

Afghanistan: USA wollen Basis Ramstein für Evakuierung nutzen

Wie gefährlich und chaotisch die Lage rund um den Flughafen von Kabul weiterhin ist, zeigte sich daran, dass US-Soldatinnen und -Soldaten mit Hubschraubern losfliegen mussten, um am Freitag 169 Menschen sicher zum Flughafen zu bringen. Pentagon-Sprecher John Kirby teilte mit, die Menschen seien vom Baron Hotel nahe des Flughafens von drei Chinook-Hubschraubern abgeholt worden. Grund sei eine „große Menschenmenge“ vor dem Flughafen gewesen, ein Durchkommen für die 169 Menschen sei unsicher gewesen. Auch die Bundeswehr schickte zwei Hubschrauber nach Kabul, die inzwischen dort ankamen und ab Samstag (21.08.2021) einsatzbereit sein sollen.

Die USA hatten am Freitag über sechs oder sieben Stunden ihre Rettungsflüge von Kabul nach Katar unterbrechen müssen, weil dort die Kapazitäten zur Aufnahme von Menschen aus Afghanistan erschöpft waren. Nun soll auch die US-Luftwaffenbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz als Drehscheibe für Evakuierungen genutzt werden. Seit vergangenem Samstag haben die USA laut Biden 13.000 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen. Fast 6000 US-Soldaten sichern den Flughafen von Kabul.

Bundeswehr fliegt mehr als 2000 Menschen aus Afghanistan aus

Die Bundeswehr flog bislang über 2000 Menschen aus Kabul aus, zuletzt 172 am späten Freitagabend und weitere sieben in der Nacht zu Samstag, wie die Bundeswehr auf Twitter mitteilte. Auf dem Weg zum Flughafen war am Freitag ein Deutscher angeschossen worden, er wurde nicht lebensgefährlich verletzt. Ein weiterer Deutscher erlitt nach ZDF-Informationen in der Nähe des Flughafens leichte Verletzungen.

„Wir erwarten von den Taliban, dass sie allen ausländischen Staatsangehörigen und Afghanen, die das Land verlassen wollen, die sichere Ausreise ermöglichen,“ hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag gesagt. Mehrere tausend Menschen warten allein vor dem Flughafen auf einen Platz in einer Maschine. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel wollen am Samstag ein Erstaufnahmelager für afghanische Ortskräfte in Spanien besuchen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte die EU in einem Telefongespräch mit dem griechischen Regierungschef vor einer neuen „Flüchtlingswelle“, falls Afghanistans Nachbarländern wie dem Iran bei der Aufnahme von Flüchtlingen nicht geholfen werde.

Info
LandAfghanistan
Bevölkerung38,04 Millionen (Stand 2019)
HauptstadtKabul
Fläche652.860 km²
SprachenPaschtu, Dari

Menschen aus Afghanistan sollen in Deutschland Visum für 90 Tage bekommen

In Deutschland sollen ausgeflogene Afghanen, die noch keine Aufenthaltszusage hatten, vorerst ein Visum für 90 Tage erhalten, meldete der Spiegel. Ihr Status soll in dieser Zeit geklärt werden. Neben Ortskräften, die oft bereits auf Listen der Bundesregierung stehen, werden auch Frauen- oder Menschenrechtsaktivisten ausgeflogen. Die Linke forderte, auch Familienangehörige von bereits in Deutschland lebenden Afghanen aufzunehmen.

Angesichts der dramatischen Lage griff Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock die Bundesregierung scharf an. „Ich sehe ein riesengroßes Versagen“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung vor allem mit Blick auf Außenminister Heiko Maas (SPD*) und Innenminister Horst Seehofer (CSU*). Seit Monaten sei klar gewesen, dass afghanische Ortskräfte Schutz bräuchten. Auch die Linke sprach von einem „Totalversagen“ von Maas und anderen Ministern. Nach der Wahl sei ein Untersuchungsausschuss nötig und eine Überprüfung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr, sagte Linken-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte der Rheinischen Post vom Samstag. (afp/dpa) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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