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Afghanistan: Debatten über „Debakel“ – EU berät

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Von: Sandra Kathe, Tobias Utz, Jan-Frederik Wendt

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Wie umgehen mit den Taliban? Was tun mit Geflüchteten? Wo anfangen bei der Aufarbeitung? Nach den Ereignissen in Afghanistan stellen sich für die EU zahlreiche Fragen.

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Update vom Donnerstag, 02.09.2021, 07.20 Uhr: Am heutigen Donnerstag wollen die Außen- und Verteidigungsminister:innen der EU-Staaten bei einem Treffen in Slowenien über den Umgang mit den Entwicklungen in Afghanistan beraten. Für Deutschland werden Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) zu den Gesprächen erwartet.

Aus Sicht des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zeigt das „Afghanistan-Debakel“ vor allem, dass die EU militärisch unabhängiger werden muss. Der Spanier will deswegen unter anderem Diskussionen über den Aufbau einer neuen militärischen Eingreiftruppe vorantreiben. Eine solche Einheit hätte demnach zum Beispiel genutzt werden können, um nach dem Abzug der USA einen Weiterbetrieb des Flughafens in Kabul für Evakuierungsflüge abzusichern.

Zudem sprach sich Borrell für einen Dialog mit den Taliban aus. „China, Russland und der Iran werden in der Region einen größeren Einfluss haben - Pakistan, Indien, die Türkei und die Golfmonarchien werden sich alle neu positionieren“, prognostizierte er in einem Gastbeitrag für die „New York Times“ (Mittwoch). Man dürfe nicht zulassen, dass diese Länder künftig der einzige Gesprächspartner seien.

Konflikt in Afghanistan
Kämpfer der Spezialeinheit der Taliban treffen nach dem Abzug der US-Truppen auf dem Flughafen Kabul ein. © AP/dpa

Afghanistan: Hilferuf von früherem Biden-Dolmetscher

+++ 19.10 Uhr: Ein früherer afghanischer Dolmetscher, der 2008 eine Rettungsaktion für den damaligen Senator Joe Biden und zwei seiner Kollegen unterstützt hatte und sich nun mit seiner Familie vor den Taliban versteckt, hat sich mit einem öffentlichen Hilferuf direkt an den amtierenden US-Präsidenten gewandt: „Hallo Herr Präsident: Retten Sie mich und meine Familie“ zitiert das „Wall Street Journal“ den Mann, der im Artikel zu seinem Schutz nur Mohammed genannt wird: „Vergessen Sie mich hier nicht.“

Der ehemalige Unterstützer der US-Truppen gehört zu den Tausenden Menschen in Afghanistan, die es vor dem Abzug der US- und Nato-Streitkräfte nicht rechtzeitig auf einen Evakuierungsflug aus dem von den Taliban besetzten Land geschafft haben. 2008 gehörte der Mann zu einer kleinen Eingreiftruppe, die Biden und seine Senatoren-Kollegen Chuck Hagel und John Kerry aus einem abgelegenen Gebiet Afghanistans rettete. Der Hubschrauber der Politiker hatte damals wegen eines Schneesturms notlanden müssen, es bestand die Befürchtung, dass die Taliban die US-Politiker in ihrer Notlage angreifen könnten. Nach Angaben des „Wall Street Journal“ hatte Biden diese Episode im Präsidentschaftswahlkampf 2008 als Stellvertreter von Barack Obama angeführt, um seine außenpolitische Erfahrung zu belegen.

Afghanistan: USA versprechen weitere Unterstützung für ehemalige Ortskräfte

Als Reaktion auf den Medienbericht versprach das Weiße Haus dem Dolmetscher Hilfe. „Unsere Botschaft an ihn lautet: Danke, dass du in den letzten 20 Jahren an unserer Seite gekämpft hast“, sagte eine Sprecherin. „Wir werden dich da rausholen. Wir werden deinen Dienst ehren.“ Weil zahlreiche aghanische Ortskräfte in ebenso gefährlichen Situationen sind, steht Biden wegen seiner Entscheidung für den hastigen Abzug derzeit massiv unter Druck.

+++ 15.15 Uhr: Das Terrornetzwerk Al-Kaida hat den Taliban zur Machtübernahme in Afghanistan gratuliert und mit Blick auf den US-Abzug aus dem Land von einem „historischen Sieg“ gesprochen. Das „Generalkommando“ Al-Kaidas verbreitete über seinen Propagandaflügel Al-Sahab am Dienstagabend eine zweiseitige Mitteilung. „Das afghanische Debakel Amerikas und der Nato markiert den Anfang vom Ende einer dunklen Ära westlicher Vorherrschaft und militärischer Besatzung islamischer Länder“, heißt es darin. Das afghanische Volk sei aufgerufen, den Taliban zu vertrauen und sie zu unterstützen.

Afghanistan live: Al-Kaida gratuliert Taliban zu „historischem Sieg“

„Zu diesem historischen Ereignis möchten wir das islamische Emirat beglückwünschen, besonders (Taliban-Führer) Haibatullah Achundsada“, teilte Al-Kaida mit. „Gott hat uns den Sieg versprochen und Bush die Niederlage, wir werden sehen, welches Versprechen erfüllt wird“, schreiben die Autoren mit Verweis auf den früheren US-Präsidenten George W. Bush, der den US-Einmarsch in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 angeordnet hatte.

+++ 14.00 Uhr: Es scheint einzutreten, was viele im Vorfeld befürchtet hatten: Die radikalislamischen Taliban bedienen sich an modernem Militärgerät, zurückgelassen vom US-Militär nach dem Abzug der Truppen aus Afghanistan. In einer Art Militärparade präsentierten Talibankämpfer eine lange Reihe grüner Humvee-Geländefahrzeuge auf einer Autobahn nahe der Stadt Kandahar.

Doch damit nicht genug. Videos kursieren im Netz, auf denen sogar Hubschrauber zu sehen sind, die wohl einst im Besitz des US-Militärs waren und nun mit weiß-schwarzen Taliban-Flaggen geschmückt über jubelnde Kämpfer fliegen. Sogar ein Black-Hawk-Helikopter wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur afp über Kandahaar - Geburtsstätte der Islamisten-Bewegung - gesichtet. Bislang gehen Fachleute davon aus, dass die Taliban nicht über eigene, qualifizierte Piloten für derartiges Fluggerät verfügen. Der Verdacht liegt daher nahe, dass im Fall der Hubschrauber übergelaufenes Personal der afghanischen Armee am Steuer saß.

Afghanistan: Geheimer Deal zwischen Taliban und USA - Putin spricht von „Tragödie“

+++ 12.00 Uhr: Russlands Präsident Wladimir Putin hat das Ende des US-Militäreinsatzes in Afghanistan als „Tragödie“ bezeichnet. Zwei Jahrzehnte lang hätten US-Soldaten versucht, westliche „Normen“ in Afghanistan zu verankern, sagte Putin am Mittwoch bei einer Begegnung mit Jugendlichen in Wladiwostok. Im Ergebnis habe dies aber zu vielen „Verlusten“ geführt – sowohl aufseiten der USA als auch aufseiten Afghanistans.

Putin sagte, es sei „unmöglich“, Afghanistan in der Zukunft von außen etwas aufzuzwingen. Die russische Regierung hat im Umgang mit den radikalislamischen Taliban, die in Kabul Mitte August die Macht übernommen haben, eine versöhnliche Haltung angenommen. Moskau rief zu einem „nationalen Dialog“ in Afghanistan auf. Die Taliban werden von der Regierung in Moskau weiterhin als „Terrorgruppe“ eingestuft, auch wenn es seit Jahren Gesprächskontakte gibt. Die russische Regierung will die Herrschaft der Taliban nur anerkennen, wenn sie ausreichende Garantien zusagen. Insbesondere fürchtet Russland um die Sicherheit in den früheren Sowjetrepubliken in Zentralasien. Außerdem will Moskau einen Anstieg des Opium- und Heroin-Schmuggels verhindern.

+++ 11.15 Uhr: Nach dem US-Truppenabzug aus Afghanistan lassen die militant-islamistischen Taliban mit einer Regierungsbildung weiter auf sich warten. Es gebe noch keine exakten Informationen über den Zeitpunkt, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Auch ob Talibanführer Haibatullah Achundsada erstmals nach der Machtübernahme der Islamisten öffentlich auftreten werde, ließ er offen. „Wir warten“, so Mudschahid.

Unterdessen lieferten sich in der Nacht Widerstandskämpfer nahe dem Pandschirtal nach Angaben der Taliban erneut Gefechte mit den Islamisten. Die Provinz Pandschir ist die einzige von 34 Provinzen des Landes, die nach den Eroberungen der Taliban noch nicht unter Kontrolle der Islamisten steht. Verhandlungen hätten bisher keine „positiven Ergebnisse“ gezeigt, sagte Mudschahid.

Afghanistan live: Großbritannien verhandelt mit Taliban in Katar

+++ 10.00 Uhr: Die britische Regierung verhandelt derzeit mit den Taliban über Ausreisemöglichkeiten. Dabei geht es laut übereinstimmenden Medienberichten um die Evakuierung von Bürgerinnen und Bürgern aus Großbritannien sowie von Ortskräften. Boris Johnsons Sonderbeauftragter Simon Gass befindet sich dafür in Doha (Katar) für Gespräche mit ranghohen Offizieren der Taliban. Großbritanniens Außenminister Dominic Raab hatte am Dienstag gesagt, dass sich noch eine „niedrige dreistellige“ Zahl an Britinnen und Briten in Afghanistan befänden.

+++ 8.15 Uhr: Die Taliban haben offenbar Hunderten US-Bürgerinnen und Bürger dabei geholfen, Afghanistan verlassen zu können. Einem Bericht des TV-Senders CNN zufolge soll es einen geheimen Deal zwischen der US-Armee und der radikal-islamischen Miliz gegeben haben: Das Abkommen beinhaltete laut CNN eine Eskorte der Ausreisewilligen zu einem geheimen Tor am Flughafen von Kabul. Zuvor soll es in der Stadt mehrere Treffpunkte gegeben haben. Die Eskorten hätten laut mehreren US-Offiziellen „mehrmals am Tag“ stattgefunden – offenbar aus Angst vor weiteren Anschlägen des Islamischen Staates (IS). Diese eint die USA und die Taliban wohl.

Afghanistan live: Taliban halfen den USA bei Evakuierungen

Zum Zeitpunkt der Evakuierungen herrschte Chaos rund um den Flughafen von Kabul: Tausende Menschen drängten sich vor den Toren. Das Nadelöhr der Taliban stellte dabei eine der wenigen Möglichkeiten dar, tatsächlich auf das Rollfeld zu den Flugzeugen zu gelangen.

Update vom Mittwoch, 01.09.2021, 7.00 Uhr: Nach der Rede von Joe Biden (s. Meldung von 22.10 Uhr) richten sich in Afghanistan die Blicke auf die erneute Herrschaft der militant-islamistischen Taliban. Die Vorstellung der neuen Führung wird in Kürze erwartet. Unterdessen ist Außenminister Heiko Maas (SPD) heute weiter zu Gesprächen in Katar - das Golfemirat zählt zu den Ländern mit den besten Kontakten zu den Taliban.

Maas zeigte sich optimistisch, eine Lösung für die in Afghanistan verbliebenen Deutschen und für afghanische Ortskräfte zu erreichen. Die Taliban hätten sich bereiterklärt, sie ausreisen zu lassen, und sie seien auf internationale Hilfe angewiesen, etwa beim Betrieb des Flughafens in Kabul, sagte Maas im Heute Journal im ZDF. Die westlichen Staaten sind nach seinen Worten aber nicht erpressbar: „Wir haben auch klare Voraussetzungen definiert. Das sind: die Einhaltung der Menschenrechte, die Tatsache, dass überhaupt Menschen weiter ausreisen können, dass keinen terroristischen Gruppen Unterschlupf gegeben wird in Afghanistan.“

Derweil warnte UN-Generalsekretär António Guterres vor dem völligen Zusammenbruch der Grundversorgung in Afghanistan. „Eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an“, sagte Guterres in New York. „Fast die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans - 18 Millionen Menschen - sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, um zu überleben.“ Alle Mitgliedstaaten seien aufgefordert, „sich für die Menschen in Afghanistan in ihrer dunkelsten Stunde der Not einzusetzen“.

Joe Biden verteidigt Abzug aus Afghanistan

+++ 22.10 Uhr: In einer öffentlichen Stellungnahme im Weißen Haus hat US-Präsident Joe Biden* erneut die frühere Regierung Afghanistans für die Machtübernahme der Taliban und ihre Folgen verantwortlich gemacht. Man hätte mit 300.000 afghanischen Sicherheitskräften gerechnet, die dazu ausgebildet gewesen seien, ihr Land zu verteidigen. Diese Annahme sei ein Fehler gewesen, so Biden in seiner Stellungnahme. Die bisherige Regierung Afghanistans unter dem geflohenen Präsidenten Aschraf Ghani hätte „das Land ihren Feinden übergeben, den Taliban“.

EU-Innenminister:innen wollen keine „Anreize zur illegalen Migration“ aus Afghanistan schaffen

+++ 19.20 Uhr: Konkrete Zusagen zur Aufnahme von Geflüchteten aus Afghanistan soll es seitens der EU vorerst nicht geben. Das geht aus der Erklärung hervor, die die EU-Innenminister:innen nach ihrem Sondertreffen am Dienstag (31.08.2021) abgegeben haben. Ziel dabei sei es, „Anreize zur illegalen Migration“ zu vermeiden. Die Innenminister-Runde der EU-Staaten befürchtet, dass nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan erneut Millionen Migrant:innen Asylanträge in den EU-Staaten stellen könnten.

In der Erklärung heißt es weiter, man wolle sicherstellen, dass notleidende Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft Afghanistans angemessen Schutz erhalten. In die Staaten der EU sollten Afghan:innen den Plänen zufolge nur kommen dürfen, wenn die jeweiligen Länder „freiwillig Plätze anbieten“.

Sondertreffen der EU-Innenminister:innen zur Krise in Afghanistan: Seehofer spricht von Pull-Effekt

Auf die Frage nach einem möglichen Engagement Deutschlands verwies Bundesinnenminister Horst Seehofer darauf, dass sich die Bundesrepublik bislang immer an entsprechenden Initiativen beteiligt habe. Er wollte allerdings keine konkreten Zusagen machen. „Ich halte es nicht für sehr klug, wenn wir jetzt hier über Zahlen reden, weil Zahlen natürlich etwas auslösen“, sagte der CSU-Politiker. Man wolle keinen „Pull-Effekt“ (Sog-Effekt) auslösen.

Geflüchtete aus Afghanistan: Pakistan will keine weiteren Menschen aufnehmen

+++ 14.00 Uhr: Pakistan hat sich eindeutig im Afghanistan-Konflikt positioniert. Man werde keine weiteren flüchtenden Menschen aufnehmen, hieß es am Dienstagmittag in Islamabad.*

+++ 12.30 Uhr: Bei Kämpfen in Pandschir, östlich von Kabul, wurden acht Taliban-Kämpfer offenbar getötet. Dort kam es zu Kämpfen mit einer verfeindeten Miliz, wie ein Sprecher der nationalen Widerstandsfront mitteilte.

Afghanistan live: Maas appelliert an Taliban

+++ 11.30 Uhr: Außenminister Heiko Maas erwartet eine schnelle Regierungsbildung in Afghanistan. „In Kürze“ werde sich zeigen, ob die Taliban dafür bereit seien, Afghanistan in geeigneter Form zu repräsentieren, so Maas im pakistanischen Islamabad. Er appellierte zudem an die Taliban, die Zusagen für die Ausreise weiterer Menschen und den Aufbau einer inklusiven Regierung einzuhalten. „Wir wollen nicht nur, dass sie eingehalten werden, sondern sie auch umsetzen“, betonte der Außenminister.

+++ 10.00 Uhr: Bei ihrem Abzug aus Afghanistan haben die US-Truppen Hightech-Equipment teilweise zerstört beziehungsweise „entmilitarisiert“. Dazu zählen zahlreiche Flugzeuge aber auch gepanzerte Fahrzeuge und Raketenabwehrsysteme. Hintergrund dessen ist, dass die USA verhindern wollen, dass weitere Waffen in die Hände der Taliban fallen.

+++ 9.00 Uhr: Die Taliban haben den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan frenetisch bejubelt. Ein Reporter der New York Times berichtete in der Nacht, dass „Freudenschüsse“ zu hören seien, wie es Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid zuvor bezeichnet hatte. Verschiedenste Taliban-Anhänger beglückwünschten sich in sozialen Netzwerken gegenseitig: „Afghanistan ist frei“, „Gratulationen an alle“.

Afghanistan: Taliban bejubeln US-Truppenabzug

Anas Haqqani, hochrangiges Mitglied der islamistischen Miliz, teilte zudem mit: „Wir schreiben wieder Geschichte. Die 20-jährige Besetzung Afghanistans durch die USA und die Nato endete heute Abend.“ Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid betonte zudem, dass Afghanistan nun vollständige Unabhängigkeit erreicht habe. Zuvor hatte Mudschahid noch angekündigt, dass die Taliban „gute Beziehungen“ zu Staaten wie den USA* wollen (s. Update v. 6.44 Uhr).

US-Außenminister Anthony Blinken kündigte bereits am Montagabend an, dass eine Zusammenarbeit mit der neuen afghanischen Regierung durchaus möglich sei: „Wenn wir auf eine Weise zusammenarbeiten können, die unsere nationalen Interessen sichert, dann werden wir es tun“, so Blinken. Allerdings müsse sich eine Regierung unter Führung der Taliban zunächst die internationale Unterstützung und Legitimität verdienen, beispielsweise durch Reformen.

Update vom Dienstag, 31.08.2021, 6.44 Uhr: Nach dem Abzug der US-Truppen wollen die radikalislamischen Taliban nach eigenen Angaben „gute“ Beziehungen mit den USA. „Wir wollen gute Beziehungen zu den USA und der ganzen Welt haben“, sagte der Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid am Dienstag bei einer Rede am Flughafen in Kabul. „Wir begrüßen gute diplomatische Beziehungen mit allen.“

Nach 20 Jahren in Afghanistan: Letzte US-Militärmaschine verlässt das Land

+++ 22.55 Uhr: Nach 20-jährigem Einsatz am Hindukusch haben die US-Truppen Afghanistan verlassen. Die letzten Soldat:innen sind vom Flughafen in Kabul abgezogen, der letzte Evakuierungsflieger hat den Luftraum über dem Land verlassen. Das gab US-General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando Centcom führt, am Montag (30.08.2021) in einer Videoschalte mit Journalisten im Pentagon bekannt.

Er erinnerte bei seiner Erklärung an 2461 gefallene amerikanische Einsatzkräfte und Zivilist:innen und an über 20.000 Verwundete. „Es gibt keine Worte, die umfassend beschreiben können, welche Opfer die Einsatzkräfte gebracht haben und was sie geleistet haben“, sagte McKenzie in seiner Stellungnahme.

Lage in Afghanistan spitzt sich zu - UN-Sicherheitsrat fordert Wahrung von Menschenrechten

+++ 21.40 Uhr: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am Montag (30.08.2021) eine Resolution verabschiedet, mit deren Hilfe die Bevölkerung Afghanistans vor Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban geschützt werden soll. 13 von 15 Mitgliedern des Gremiums stimmten dafür, China und Russland enthielten sich. Vorgelegt hatten die Resolution die Mitgliedsstaaten Großbritannien, Frankreich, USA und Irland. Gefordert wird darin, dass Afghanistan unter den Taliban nicht zu einem Hafen für Terroristen und ihre Anschlagspläne werden dürfe und dass Afghanen – wie zuletzt von den Taliban angekündigt – das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehindert verlassen dürfen.

Geflüchtete aus Afghanistan: EU-Innenminister beraten weiteres Vorgehen

+++ 19.25 Uhr: Um trotz des für Dienstag (31.08.2021) geplanten vollständigen Abzugs der US-Truppen weitere Menschen außer Landes zu bringen, die noch in Afghanistan festsitzen, setzen die Europäischen Länder auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten. So ekrlärte das Auswärtige Amt, Außenminister Heiko Maas (SPD) habe Gespräche mit den afghanischen Nachbarstaaten Usbekistan und Tadschikistan aufgenommen, um Menschen die sichere Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen. Usbekistan sei bereit, seine Grenzen für Deutsche, afghanische Ortskräfte und andere Schutzbedürftige aus Afghanistan zu öffnen, kündigte der Minister an. Priorität habe außerdem, den stark beschädigten Flughafen von Kabul wieder soweit instand zu setzen, dass alle Ausreisewilligen mit entsprechenden Dokumenten mithilfe von zivilen Chartermaschinen ausgeflogen werden können.

Humanitäre Hilfen für Afghanistan: Finanzielle Unterstützung und medizinische Hilfsgüter

„Auf der Grundlage von Lehren der Vergangenheit“ müsse die EU gemeinsam eine „koordinierte und geordnete Reaktion“ auf mögliche Migrationsbewegungen vorbereiten, heißt es in der Vorlage, die der AFP vorliegt. In der vergangenen Woche hatte die EU-Kommission bekannt gegeben, 200 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Afghanistan und seinen Nachbarländern zur Verfügung stellen zu wollen.

+++ 16.15 Uhr: Im afghanischen Masar-i-Scharif ist am Montag ein Flugzeug mit medizinischen Hilfsgütern der Weltgesundheitsorganisation WHO gelandet. Wie die UN-Einrichtung mit Sitz in Genf weiter mitteilte, waren an Bord der in Dubai gestarteten Maschine 12,5 Tonnen Material für Operationen, Wundbehandlung und medizinische Grundversorgung. Die Hilfsmittel sollten auf 40 Gesundheitseinrichtungen in fast allen Provinzen Afghanistans verteilt werden. Es handele sich um den ersten von drei Flügen, die von der nationalen pakistanischen Fluggesellschaft PIA durchgeführt werden, teilte die WHO mit. Für die weitere Unterstützung sei eine verlässliche humanitäre Luftbrücke nötig. Am Freitag hatte die Weltgesundheitsorganisation vor einer Arzneimittelknappheit in Afghanistan gewarnt. Die Vorräte reichten nur noch wenige Tage.

Afghanistan: IS reklamiert Terroranschlag für sich

+++ 15.30 Uhr: Die Miliz Islamischer Staat (IS) hat den Raketenangriff auf den Flughafen von Kabul am Montagmorgen (s. Erstmeldung) für sich reklamiert. „Soldaten des Kalifats“ hätten den internationalen Flughafen der afghanischen Hauptstadt mit sechs Raketen des Typs „Katjuscha“ angegriffen, erklärte der regionale Ableger der IS-Miliz in Afghanistan (IS-Khorasan) auf der Plattform Naschir News. Es sei auch bestätigt, dass bei dem Angriff Menschen verletzt worden seien. Eine Bestätigung über mögliche Opfer oder Schäden gab es unabhängig von der Erklärung des IS zunächst nicht. Nach Angaben der radikalislamischen Taliban wurden die Geschosse vom Raketenabwehrsystem am Flughafen zerstört.

Afghanistan: Maas sagt weitere Soforthilfen zu

+++ 14.10 Uhr: Bundesaußenminister Heiko Maas hat weitere Soforthilfen in Millionenhöhe für Geflüchtete aus Afghanistan zugesagt. Zusätzlich zu den bereits zur Verfügung gestellten 100 Millionen Euro für Hilfsorganisationen, die Geflüchtete in den Nachbarländern unterstützen, sollen weitere 500 Millionen Euro an die betroffenen Nachbarstaaten gehen, sagte Maas am Montag auf einer Pressekonferenz mit seinem tadschikischen Kollegen Sirojiddin Muhriddin in der Hauptstadt Duschanbe.

+++ 13.00 Uhr: Die von der Bundesregierung organisierte Luftbrücke aus Kabul hat nach vorläufigen Angaben 138 Ortskräfte nach Deutschland gebracht sowie deren Familienangehörige. Insgesamt seien 634 Menschen aus dieser Gruppe ausgeflogen worden, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag in Berlin. Er verwies darauf, dass die Zahl der Hilfeersuchen erst nach dem Beginn der Luftbrücke deutlich gestiegen sei – auf nunmehr mindestens 40.000 Menschen.

+++ 10.25 Uhr: Bei einem US-Luftangriff in der afghanischen Hauptstadt Kabul am Wochenende sollen mindestens zehn Zivilistinnen und Zivilisten getötet worden sein. Das berichtet der lokale TV-Sender Tolo News am Montag. Unter den Toten bei dem Angriff am Sonntag (29.08.2021) seien auch Kinder, hätten Anwohnende dem TV-Sender gesagt. 

+++ 10.00 Uhr: Die fünf Raketenangriffe in Kabul haben sich offenbar aus einem Auto heraus ereignet. Das berichtet der lokale TV-Sender Tolo News. Wie der TV-Sender CNN bereits am Morgen berichtete, sei allerdings rechtzeitig das Raketenabwehrsystem aktiviert worden, was die Flugobjekte zerstört habe.

+++ 9.25 Uhr: Bundesaußenminister Heiko Maas hat sich für Gespräche mit China und Russland über die Krise in Afghanistan ausgesprochen. Es gebe Bemühungen, „international alle wichtigen Player an einen Tisch zu bringen, und dabei wird es wichtig sein, auch Russland und China dabei zu haben“, sagte Maas am Montag bei einem Besuch in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die laufenden Gespräche über eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Afghanistan. Dort werde sich zeigen, ob in Moskau und Peking die Bereitschaft zur Kooperation bestehe.

Afghanistan live: Außenminister Maas will mit China und Russland beraten

China und Russland gehören neben den USA, Frankreich und Großbritannien zu den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats, der das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen ist. Anders als die westlichen Staaten sind die beiden Länder auch nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan noch mit Botschaften in Kabul vertreten. Laut Maas ist auch eine Afghanistan-Konferenz der Nachbarländer geplant. Dazu zählen neben Usbekistan auch Tadschikistan, Pakistan, Turkmenistan, Iran und China.

+++ 8.10 Uhr: Am Montagmorgen haben sich zahlreichen Berichten zufolge erneute Raketenangriffe auf die Region Kabul ereignet. Internationale Beobachtende meldeten aufsteigenden Rauch nahe dem Flughafen. Die Gegend Chairchanah im Norden der Stadt war offenbar Ziel der Attacken durch Raketen, wie der US-Sender CNN berichtet.

Afghanistan live: Raketenangriffe auf Kabul – Joe Biden will „Anstrengungen verdoppeln“

Die Nachrichtenagentur Reuters vermeldet fünf Raketenangriffe, die allerdings durch das Raketenabwehrprogramm abgewehrt worden seien. Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Hauses, erklärte am Montagmorgen, dass Joe Biden bereits über die Lage informiert sei. Biden habe die US-Kommandeure vor Ort angewiesen, „ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um alles Notwendige zu tun, um unsere Streitkräfte vor Ort zu schützen“, so Regierungssprecherin Psaki. Am Dienstag ist der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan vorgesehen (s. Update v. 6.40 Uhr).

Erstmeldung von Montag, 30.08.2021, 6.40 Uhr: Kabul – Einen Tag nach einem US-Drohnenangriff auf ein mit Sprengstoff beladenes Auto sind am Montagmorgen (30.08.2021) Raketen auf den Flughafen in Kabul abgefeuert worden. Mitarbeiter:innen der Nachrichtenagentur AFP hörten das Geräusch von Geschossen über der Stadt in Afghanistan. In der Nähe des Flughafens stieg Rauch auf.

Afghanistan: Raketen auf Flughafen Kabul abgefeuert – Videos aufgetaucht

Die USA* stehen am Montag vor dem Abschluss ihres endgültigen Truppenabzugs aus Afghanistan. Die US-Streitkräfte verlassen am Dienstag (01.09.2021) das Land nach 20 Jahren. Mit dem Abzug endet auch die Luftbrücke, um Menschen aus Afghanistan auszufliegen und vor der Taliban zu schützen. Seit dem 15. August wurden etwa 114.000 Menschen aus Afghanistan evakuiert.

Die Gefahr von Terroranschlägen hatte sich in den vergangenen Tagen massiv erhöht. Bei einem Selbstmordattentat vergangene Woche waren mehr als 100 Menschen am Flughafen Kabul getötet worden. Unter den Opfern waren 13 US-Soldat:innen. Erst am Sonntag (29.08.2021) hatte die US-Armee einen weiteren Anschlag auf den Flughafen Kabul in Afghanistan vereitelt. Nach Angaben des Pentagons zerstörte eine US-Drohne ein mit Sprengstoff beladenes Auto. (jfw/tu/ska mit AFP/dpa/KNA/epd) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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