Feuergefecht am Flughafen in Kabul: Bundeswehr beteiligt
Am Flughafen in Kabul herrscht Chaos. Es fallen Schüsse. Mindestens eine Person stirbt. Der News-Ticker aus Afghanistan.
- Die radikalislamischen Taliban* haben die Macht in Afghanistan* an sich gerissen.
- Die westlichen Staaten unter der Führung der USA* evakuieren ihre Landsleute.
- Widerstand gegen die Islamisten formiert sich in Afghanistan. Doch die Vereinten Nationen warnen vor den Taliban.
+++ 15:47 Uhr: Bei einem Gefecht am Flughafen Kabul ist eine afghanische Sicherheitskraft ums Leben gekommen. Drei weitere Afghanen wurden dabei verletzt. Neben afghanischen Kräften seien auch US- und Bundeswehrsoldaten bei dem Vorfall beteiligt gewesen. Laut Angaben eines Bundeswehr-Sprechers waren die vier ehemaligen afghanischen Soldaten der aufgelösten Armee „im Rahmen der multinationalen Operation in die Absicherung des Flughafens“ im Einsatz gewesen.
Der Vorfall ereignete sich laut Angaben der Bundeswehr, am Nordtor des Flughafens. Über das Nordtor erreicht man die Rettungsflugzeuge. Die deutsche Botschaft warnte kürzlich davor, dass die Situation an den Zugängen sehr gefährlich sei. Es komme immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Bislang wisse man nicht, wer die Angreifer waren und ob sie auch bei dem Vorfall verletzt worden sind.
Afghanistan: „Fast 6000“ US-Soldat:innen am Flughafen in Kabul im Einsatz
+++ 20.41 Uhr: Das US-Militär ist am Flughafen Kabul nach Angaben von Präsident Joe Biden inzwischen mit „fast 6000“ Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Das US-Militär werde alles tun, den Evaluierungseinsatz für Amerikaner und Verbündete sicher und erfolgreich durchzuführen, sagte Biden am Freitag im Weißen Haus. Biden hatte für den Einsatz eine Truppenstärke von rund 6000 Soldaten autorisiert.
Bis zum Donnerstag (19.08.2021) war die Truppenstärke bereits auf 5200 angestiegen, wie das Verteidigungsministerium mitgeteilt hatte. Die Soldaten sollen die Sicherheit des Flughafens gewähren und unter anderem die Evakuierung von Amerikanern und früheren afghanischen Mitarbeitern der US-Streitkräfte organisieren.
Afghanistan: Bundeswehr verlegt zwei Hubschrauber nach Kabul
+++ 15.15 Uhr: Für die Evakuierungsoperation am Kabuler Flughafen sollen bereits ab morgen auch zwei leichte Hubschrauber eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich um Maschinen des Typs H-145M mit insgesamt 13 Soldaten. Sie sind Spezialkräften zugeordnet und wurden von den USA angefordert, die nur über schwerere Maschinen verfügten. „Im urbanen Umfeld“ werde kleineres Fluggerät gebraucht, sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn.
Wie der ranghöchste General der Bundeswehr weiter ausführte, sollen die Helikopter nur in Kabul eingesetzt werden. Es gebe keine Möglichkeit, über den Hindukusch nach Masar-i-Scharif zu fliegen, um jemanden abzuholen. Die Maschinen könnten für die Rettung einzelner Deutscher oder auch Ortskräfte aus Gefahrenlagen eingesetzt werden.
Bis Freitagmittag wurden laut Verteidigungsministerium 1645 Menschen aus 38 Ländern durch Flugzeuge der Bundeswehr ausgeflogen. Neben Deutschen sowie Afghaninnen und Afghanen waren darunter auch mehr als 100 Menschen aus anderen EU-Staaten sowie 160 weitere aus Drittstaaten. Umgekehrt seien mit Flugzeugen anderer Nationen 135 Deutsche sowie von Deutschland benannte Afghaninnen und Afghanen ausgeflogen worden.
Die Lage am Flughafen beschrieb ein Sprecher des Auswärtigen Amts als „weiter extrem chaotisch“. Immer wieder gebe es Augenzeugenberichte über Menschen in extrem schwierigen und gefährlichen Situationen.

Taliban erschießen Angehörigen von Deutsche-Welle-Reporter
+++ 13.35 Uhr: Taliban-Kämpfer gehen auf der Suche nach Personen, die in den vergangenen Jahren mit den westlichen Staaten oder der UN zusammengearbeitet haben, von Tür zu Tür (s. Erstmeldung). Gesucht haben sie wohl auch einen Reporter der Deutschen Welle. Der lebt aber bereits wieder in Deutschland. Allerdings wurde bei der Suche offenbar ein Familienangehöriger des Journalisten erschossen und ein weiterer schwer verletzt. Andere Familienmitglieder konnten in letzter Minute fliehen und waren auf der Flucht, sagte ein Sprecher der Deutschen Welle.
„Die Tötung eines nahen Verwandten eines unserer Redakteure durch die Taliban ist unfassbar tragisch und belegt die akute Gefahr, in der sich alle unsere Mitarbeitenden und ihre Familien in Afghanistan befinden“, sagte DW-Intendant Peter Limbourg. „Die Taliban führen in Kabul und auch in den Provinzen offenbar schon eine organisierte Suche nach Journalisten durch. Die Zeit läuft uns davon!“
Afghanistan: Amnesty klagt die Taliban an
+++ 12.10 Uhr: Nach außen hin geben sich die Taliban vergleichsweise tolerant und versöhnlich. Doch Zurückhaltung übt die radikal-islamitische Miliz wohl bisher nur in Kabul. Andernorts scheinen die Taliban ähnlich brutal vorzugehen wie schon in den 90er-Jahren. Damals wurden die Vorstellungen der Islamisten mit barbarischen Strafen durchgesetzt, und Frauen waren vom öffentlichen Leben komplett ausgeschlossen.
Jetzt macht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Taliban für ein Massaker an der Hazara-Minderheit Anfang Juni verantwortlich. Die Hazara sind eine vorwiegend schiitische Minderheit in Afghanistan. Nach der Machtübernahme in der Provinz Ghazni hätten die militanten Islamisten neun Männer auf grausame Weise getötet, hieß es in einem Bericht. „Diese gezielten Tötungen sind ein Beweis dafür, dass ethnische und religiöse Minderheiten auch unter der neuen Herrschaft der Taliban in Afghanistan besonders gefährdet sind“, sagte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard.
Für den Amnesty-Bericht sprach ein Recherche-Team vor Ort mit Augenzeuginnen und Augenzeugen. Die Morde geschahen demnach zwischen dem 4. und 6. Juli in dem Dorf Mundarakht im Bezirk Malistan. Sechs Männer seien erschossen worden, drei zu Tode gefoltert. Diese Tötungen seien wahrscheinlich nur ein Bruchteil der Todesopfer, die die Taliban bislang zu verantworten hätten, schrieb Amnesty.
Afghanistan: Verzweiflung am Flughafen in Kabul
+++ 11.20 Uhr: Rund um den Flughafen von Kabul herrscht weiter pure Verzweiflung. Wie ein Augenzeuge nun der Deutschen Presse-Agentur sagte, halten sich am Eingang zum zivilen Teil, der an einem großen Kreisverkehr liegt, weiterhin Hunderte Menschen auf, die versuchen, auf das Gelände und dann mit Hilfe von westlichen Flugzeugen außer Landes zu kommen. Kämpfer der militant-islamistischen Taliban feuerten dort in die Luft und schlugen mit Peitschen, um die Leute zu vertreiben.
In einem Schreiben der deutschen Botschaft an Menschen, die auf einen Flug hoffen, hieß es heute: „Die Lage am Flughafen Kabul ist aber äußerst unübersichtlich. Es kommt an den Gates immer wieder zu gefährlichen Situationen und bewaffneten Auseinandersetzungen. Der Zugang zum Flughafen ist derzeit möglich. Zwischendurch kann es aber immer wieder kurzfristig zu Sperrungen der Tore kommen, auch weil so viele Menschen mit ihren Familien versuchen, auf das Gelände zu kommen. Wir können Sie leider nicht vorab informieren, wann die Tore geöffnet sein werden.“
Am Flughafen von Kabul gibt es einen zivilen und einen militärischen Bereich. Da die Taliban den Zugang zum zivilen Airport kontrollieren und blockieren, ist der Ansturm auf den militärischen Teil des Flughafen groß. Der US-Fernsehsender CNN zeigte auch Bilder, wie US-Soldaten in die Luft schossen, um die Menschenmenge von den Außenmauern zurückzuhalten.

Afghanistan: Junger Fußballspieler fällt aus Flugzeug
+++ Update, 09.16 Uhr: Die schrecklichen Bilder vom Chaos am Flughafen in Kabul dürften den meisten Menschen noch in Erinnerung sein. Zahlreiche Personen hatten sich an der Außenhülle eines startenden Flugzeugs festgeklammert, um so Afghanistan noch verlassen zu können. Zu groß war offensichtlich die Angst vor den Taliban.
Unter diesen Menschen war nach neuen Erkenntnissen auch Zaki Anwari. Der 19 Jahre alte Jugendfußballer starb nach einem Sturz von einem US-Evakuierungsflugzeug. Das berichten zahlreiche Medien, darunter Al Jazeera und die New York Times. Anwari spielte für die Juniorennationalmannschaft Afghanistans. „Er hatte hier keine Hoffnung mehr und wollte ein besseres Leben“, sagte laut New York Times ein offizieller Vertreter, der auch den Tod des 19-Jährigen bestätigte.
Taliban rufen „Islamisches Emirat Afghanistan“ in Kabul aus
Erstmeldung: Kabul - Die Taliban machen Ernst. Die Führer der radikalislamischen Miliz haben das „Islamische Emirat Afghanistan“ ausgerufen. Wie schon 1997 kontrollieren die Taliban de facto einen Großteil Afghanistans und werden nun damit beginnen, ihre Macht sukzessive zu festigen.
Doch gegen die Herrschaft der Taliban in Afghanistan formiert sich Widerstand*. In zahlreichen Städten des Landes demonstrierten die Menschen gegen die radikalen Islamisten. Dabei kam es auch immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. In Asadabad sollen zwei Leute von den Taliban erschossen worden sein, nachdem sie an einer Demonstration gegen die Machtübernahme teilgenommen hatte. In Jalalabad eröffneten die Taliban das Feuer auf eine Menschenmenge, die am afghanischen Unabhängigkeitstag mit der afghanischen Flagge durch die Straßen zogen. Die Anzahl der Todesopfer ist unbekannt. Auch in der Hauptstadt Kabul kommt es vereinzelt zu Protesten gegen die Herrschaft der Taliban.

Afghanistan: Taliban suchen in Kabul von „Tür zu Tür“ nach Kollaborateuren
Laut eines bislang vertraulichen Berichts der Vereinten Nationen (UN) intensivieren die Taliban mittlerweile auch die Suche nach Personen, die in den vergangenen Jahren mit den westlichen Staaten oder der UN zusammengearbeitet haben. Kämpfer der Taliben würden in den Städten Afghanistans „von Tür zu Tür“ gehen, um die Personen ausfindig machen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Al Jazeera. Die Islamisten hätten eine Liste erstellt mit allen Menschen und ihren Familienmitgliedern, die verhaftet oder getötet werden sollen.
Info | |
Land | Afghanistan |
Bevölkerung | 38,04 Millionen (Stand 2019) |
Hauptstadt | Kabul |
Fläche | 652.860 km² |
Sprachen | Paschtung, Dari |
Derweil laufen die Evakuierungsmaßnahmen der westlichen Staaten vom Flughafen Kabul aus weiter. Die ersten Geflüchteten aus Afghanistan sind bereits in Italien angekommen. Mehrere hundert afghanische Hilfskräfte, Übersetzer wie Sicherheitspersonal, sind bereits auf einer Militärbasis der italienischen Streitkräfte in Roccaraso, einer kleinen Stadt in der Nähe von Rom angekommen. Insgesamt sollen laut eines Nato-Mitarbeiters mehr als 18.000 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen worden sein. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Bundeswehr hat nach eigenen Angaben mehr als 1400 Menschen vom Flughafen in Kabul aus in Sicherheit gebracht.
Afghanistan nach Machtübernahme der Taliban: Nato kommt zur Beratung zusammen
Die Außenministerinnen und -minister der Nato-Mitgliedsstaaten wollen am heutigen Freitag (20.08.) zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen in der Afghanistan-Krise zu beraten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat dafür eine Videokonferenz einberufen, an der sich Heiko Maas (SPD*) beteiligen wird. (Daniel Dillmann mit Agenturen) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN-MEDIA.