Update vom 20. August, 19.25 Uhr: Nachdem die EU das Wahlergebnis in Belarus nicht anerkannt hat, geht der Machtkampf zwischen Opposition und Regierung weiter. Nun greift die Staatsführung zu juristischen Mitteln. Generalstaatsanwalt Alexander Konjuk erklärte am Donnerstag in einer Videoaufzeichnung, es seien strafrechtliche Ermittlungen wegen der Versuche der Opposition eingeleitet worden, die Macht im Land an sich zu reißen. Die Gründung eines Koordinierungsrates durch die Opposition ziele darauf ab, „die Macht zu ergreifen und die nationale Sicherheit von Belarus zu untergraben“, sagte Konjuk. Dies verstoße gegen die Verfassung.
Währenddessen hat die Demokratiebewegung in Weißrussland das Militär und die Sicherheitskräfte der ehemaligen Sowjetrepublik zur Abkehr von Machthaber Alexander Lukaschenko aufgerufen. Die Uniformierten sollten das Volk beschützen und nicht einem einzigen Mann gehorchen. Zugleich sicherte sie Seitenwechslern Immunität und materielle Sicherheit zu.
Update vom 19. August, 21.03 Uhr: Nach der EU-Entscheidung, die Wiederwahl von Alexander Lukaschenko zum Staatsoberhaupt der Ex-Sowjetrepublik nicht anzuerkennen, hat die Demokratiebewegung in Belarus (Weißrussland) dies begrüßt. Ebenso sei wichtig, dass von der EU und Russland ein Dialog in dem Land zwischen der Zivilgesellschaft und dem Machtapparat unterstützt werde, meinte die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa* am Mittwochabend gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Minsk.
„Wir brauchen auch eine Hilfe, weil wir so etwas in Belarus noch nie gehabt haben“ sagte die 38-Jährige, die neben der Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch dem siebenköpfigen Präsidium des neuen Koordinierungsrates für einen Machttransfer in Belarus angehört.
Laut Kolesnikowa ist der Machtapparat auf die Bemühungen der Zivilgesellschaft, in einen Dialog zu treten, bisher nicht eingegangen. Der ehemalige Kulturminister Pawel Latuschko, ebenfalls Mitglied des Präsidiums des neuen demokratischen Gremiums beklagte: „Unsere Anrufe werden nicht beantwortet.“
Update vom 19. August, 15.24 Uhr: Es gebe keinen Zweifel daran, dass es massive Regelverstöße bei der Wahl gegeben habe, fährt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Pressekonferenz nach dem EU-Sondergipfel zu Weißrussland fort: „Wir verurteilen die brutale Gewalt gegen Menschen.“ Alle Gefangenen müssten bedingungslos freigelassen werden. Zudem setze man sich - wie von der Opposition gefordert - für einen nationalen Dialog ein.
Update vom 19. August, 15.16 Uhr: Weiter erklärt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten das Ergebnis der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus nicht anerkennen werden. Die Abstimmung sei weder fair noch frei gewesen.
Update vom 19. August, 15.07 Uhr: Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich bei einer Video-Konferenz mit der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Weißrussland (Belarus) befasst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tritt danach vor die Presse und betont, dass man sich darauf geeinigt habe, bei Sanktionen gegen das Land zu bleiben - „gezielte Sanktionen“, hebt Merkel hervor. Am Freitag hatten die EU-Außenminister bereits Sanktionen gegen Verantwortliche für Wahlmanipulation und Gewalt in Belarus auf den Weg gebracht.
Unter anderem Russlands Präsident Wladimir Putin hatte vor dem EU-Sondergipfel davor gewarnt, sich in die politischen Belange des Landes einzumischen (siehe Ursprungsmeldung). Die Linie verfolgt nun auch Merkel. Man werde Belarus auch Unterstützung zukommen lassen, aber „es darf keine Einmischung von außen geben. Die Menschen in Weißrussland wissen, was sie wollen und was gut für sie ist“, so Merkel.
Ursprungsmeldung vom 19. August: Brüssel/Minsk - Angesichts der Massenproteste in Belarus (Weißrussland) wollen die Staats- und Regierungschefs der EU über den weiteren Umgang mit der politischen Krise in dem Land beraten. Bei einer außerplanmäßigen Videokonferenz an diesem Mittwoch (12.00 Uhr) geht es um die Frage, wie Präsident Alexander Lukaschenko dazu gebracht werden kann, in einen Dialog mit Opposition und Gesellschaft in der früheren Sowjetrepublik einzutreten. Seit mehr als einer Woche gehen die Menschen landesweit gegen ihren Staatschef auf die Straße. Auch am Abend gab es in der Hauptstadt Minsk stundenlange Proteste.
Allein auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Minsk zählten Beobachter in der Nacht zum Mittwoch Tausende Menschen. Zu hören waren unzählige hupende Autos. Landesweit sollen es Zehntausende Demonstranten gewesen sein - und damit deutlich mehr als am Abend zuvor. Die bislang größten Proteste hatte das zwischen Russland und EU-Mitglied Polen gelegene Land am Sonntag erlebt. Hunderttausende beteiligten sich an den Aktionen. Aber auch die Unterstützer Lukaschenkos organisierten gestern wiederum eigene Aktionen.
Die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja hat die EU indes um Unterstützung gebeten. Die EU dürfe das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Belarus nicht anerkennen, Tichanowskaja am Mittwoch in einer Video-Botschaft aus ihrem litauischen Exil.
Auslöser der Krise im Land war die Präsidentenwahl vor mehr als einer Woche, die von massiven Fälschungsvorwürfen überschattet wurde. Viele haben erhebliche Zweifel, dass Lukaschenko tatsächlich mit mehr als 80 Prozent der Stimmen haushoch gewonnen hat. Die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja nimmt einen Sieg für sich in Anspruch. Sie und ihre Anhänger dringen auf Neuwahlen. Eine Neuauszählung halten sie für nicht mehr möglich, weil viele Stimmzettel bereits vernichtet worden seien.
Breite Kritik kommt seit Tagen auch aus dem Ausland. So wirft die EU Lukaschenko mittlerweile offen vor, die Präsidentenwahl gefälscht zu haben und mit Einsatz von Gewalt die Versammlungs-, Medien- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Bereits am Freitag hatten die Außenminister deswegen neue Sanktionen auf den Weg gebracht.
In den ersten Tagen der Demonstrationen waren Sicherheitskräfte hart gegen überwiegend friedliche Menschen vorgegangen. Tausende wurden festgenommen. Die meisten sind inzwischen wieder frei. Nach Angaben des Innenministeriums waren zuletzt nur noch 44 Personen in Haft.
Russlands Präsident Wladimir Putin warnte unterdessen bei mehreren Telefonaten mit Spitzenpolitikern der EU vor Einflussnahme aus dem Ausland auf Belarus. Das könnte die Lage verschlechtern, meinte er dem Kreml zufolge bei einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel* und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron.
Lukaschenko hatte wiederholt das Ausland für die Proteste in seinem Land verantwortlich gemacht. Konkret beschuldigte er etwa Polen und die Ukraine, ohne aber Beweise vorzulegen. Am Abend gab er bekannt, dass die Armee an der Westgrenze in Gefechtsbereitschaft versetzt worden sei. Dort laufen auch Militärübungen.
Nach einem Ausweg aus der Krise sucht nun ein von Gegnern Lukaschenkos gegründeter Koordinierungsrat. Das Gremium will sich am Mittwoch zu seiner ersten Sitzung treffen. Es gehe dabei nicht um eine gewaltsame Machtübernahme, sondern um einen friedlichen Machttransfer und darum, in der Gesellschaft Einigkeit zu erzielen, sagte Olga Kowalkowa vom Oppositionsstab am Abend. Lukaschenko, der auch als „letzter Diktator Europas“ gilt, hatte zuvor den Initiatoren mit „Maßnahmen“ gedroht.
Als ein möglicher Vermittler in dem Konflikt gilt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), in der Belarus neben 56 anderen Staaten Mitglied ist. Die schwedische Außenministerin Ann Linde bestätigte am Dienstag als Mitglied der sogenannten OSZE-Troika, dass sie dazu bereits mit dem belarussischen Außenminister Wladimir Makej gesprochen habe.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sagte der Deutschen Welle: „Wenn ein Diktator am Ende ist, ist es das Beste, man findet einen Weg ohne weitere Gewalttaten.“ Europa müsse deutlich zum Ausdruck bringen, dass es „alle seine Möglichkeiten nutzt, um auf die Einhaltung von Menschenrechten und Demokratie und auf Gewaltfreiheit zu setzen“. „Wir haben eine Verantwortung, auch für unsere Nachbarn.“ (dpa/frs) *Merkur.de gehört zum Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerk.
Die schwierige Lage in Weißrussland wird auch ein Thema des Treffens der EU-Außenminister sein, wie bereits im Voraus angekündigt wurde.