Update vom 10. Oktober, 7.18 Uhr: Aserbaidschan und Armenien haben sich auf eine Waffenruhe in der umkämpften Kaukasusregion Bergkarabach geeinigt. Dies teilte der russische Außenminister Sergej Lawrow in der Nacht zum Samstag nach Gesprächen in Moskau mit. Beide Seiten hätten zudem den Beginn "ernsthafter Verhandlungen" über die Zukunft der seit Jahrzehnten umstrittenen Region vereinbart.
Nach tagelangen Kämpfen hatten Armenien und Aserbaidschan am Freitag direkte Gespräche aufgenommen: Unter Schirmherrschaft Lawrows trafen sich die Außenminister beider Länder in Moskau, was Hoffnungen auf ein Ende der Gefechte weckte. Die nun "aus humanitären Gründen" vereinbarte Waffenruhe solle Samstagmittag in Kraft treten, erklärte der russische Außenminister nach stundenlangen Verhandlungen.
Update vom 8. Oktober, 18.12 Uhr: Bei neuen schweren Kämpfen in der Konfliktregion Bergkarabach im Südkaukasus hat es am Donnerstag wieder Tote und Verletzte gegeben. Nach Angaben des armenischen Verteidigungsministeriums wurde auch die Kathedrale der Stadt Schuscha beschossen. Dabei sei ein russischer Journalist schwer verletzt worden. Die Ärzte kämpften um sein Leben. Die Armee veröffentlichte Bilder von größeren Schäden an dem Gotteshaus. Zudem sei die Hauptstadt Stepanakert mehrfach mit Raketen beschossen worden, teilte Armenien weiter mit. Tausende Menschen sind auf der Flucht.
Auch im Süden der Region an der Grenze zum Iran gab es neue Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Ländern. Nach armenischen Angaben wurden von Mittwoch auf Donnerstag 30 weitere Soldaten getötet. Damit sei die Zahl der Toten auf 350 gestiegen. Aserbaidschan hat bislang keine Angaben zu Verlusten in den eigenen Reihen gemacht. Seit Beginn der neuen Auseinandersetzung vor mehr als anderthalb Wochen seien aber mindestens 31 Zivilisten ums Leben gekommen. In der umkämpften Region Bergkarabach im Süden des Kaukasus leben rund 145 000 Menschen.
Update vom 5. Oktober, 17.00 Uhr: Die offizielle Zahl der Toten infolge des blutigen Konflikts in Bergkarabach ist weiter gestiegen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Armenien wurden innerhalb eines Tages mehr als 20 eigene Soldaten getötet. Zudem seien 20 Zivilisten ums Leben gekommen. Damit stieg die Zahl der Getöteten auf armenischer Seite auf 250. Baku sprach von mehr als 24 getöteten Zivilisten seit Beginn der neuen Kämpfe vor gut einer Woche. Angaben zu Verlusten in der Armee wurden nicht gemacht.
Update vom 5. Oktober, 14.10 Uhr: Die Kämpfe in der Konfliktregion Bergkarabach im Südkaukasus dauern an. Laut den Behörden wurde die Hauptstadt Stepanakert am Montagvormittag mit Raketen beschossen - diese seien auch in Wohngebieten niedergegangen. Über Tote und Verletzte wurde zunächst nichts bekannt. In einem Video waren schwere Gefechte zu hören. Es wurden zerstörte Häuser gezeigt.
Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium in Baku wiederum sprach von schwerem Beschuss seiner Städte an der Demarkationslinie zu Bergkarabach. Betroffen gewesen sei etwa die Stadt Tartar. Armenien wies Anschuldigungen Aserbaidschans zurück, für die Angriffe verantwortlich zu sein. Diese Angaben lassen sich nur schwer überprüfen, weil es kaum unabhängige Beobachter dort gibt.
Update vom 4. Oktober, 17.26 Uhr: Der Konflikt in Bergkarabach eskaliert weiter. Die Regions-Hauptstadt Stepanakert ist das Ziel von schwerem Artillerie-Beschuss geworden. Armeniens Behörden veröffentlichten Videos, die brennende Autos auf den Straßen sowie brennende Gebäude nach Raketeneinschlägen zeigen sollen. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium in Baku wiederum warf dem „Gegner“ schweren Beschuss seiner Ortschaften an der Demarkationslinie zu Berg-Karabach vor.
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten haben beide Länder den Kriegszustand verhängt. Zudem werfen sich beide Seiten gegenseitig Kriegsverbrechen vor: In fast wortgleichen Mitteilungen ihrer Außenministerien bezichtigten sich beide Länder, gezielt die
Zivilbevölkerung und Infrastruktur unter Beschuss zu nehmen. Das sei ein Bruch des humanitären Völkerrechts, teilten die Ministerien in Baku und in Eriwan mit.
Aserbaidschan sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, türkische Offiziere und islamistische Terroristen aus den Kriegsgebieten in Syrien und Libyen als Söldner im Kampf gegen die christlichen Karabach-Armenier einzusetzen. Die Rede ist von Tausenden Kämpfern.
Armenien spricht von 2750 Toten auf der gegnerischen Seite. Aserbaidschan hatte ebenfalls von mehr als 2300 Toten gesprochen - auf armenischer Seite.
Update vom 4. Oktober, 14.30 Uhr: Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan hat Europa vor dem Hintergrund der Kämpfe in Bergkarabach vor der Türkei gewarnt. „Ich erwarte eine klare Position. Wenn die internationale Gemeinschaft die geopolitische Bedeutung dieser Situation nicht korrekt bewertet, sollte Europa die Türkei bald nahe Wien erwarten“, sagte Paschinjan der „Bild“-Zeitung laut einer Vorabmeldung vom Sonntag.
Auf die Frage, ob die Bundesregierung öffentlich erklären solle, wer den aktuellen Konflikt um Bergkarabach begonnen hat, antwortete Paschinjan: „Ja. Und Deutschland sollte die Einbindung von in Syrien rekrutierten Terroristen und Söldnern in diesen Konflikt in der Region durch die Türkei bewerten.“ Die Türkei sei nach hundert Jahren in die Region Südkaukasus zurückgekehrt, „um den Genozid an den Armeniern fortzusetzen, der im Herbst 1915 in der Türkei stattfand“, sagte Paschinjan weiter. Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan warf er eine imperialistische Politik vor, die viel weiter reiche als in den Südkaukasus. „Schauen wir uns das Vorgehen der Türkei im Mittelmeerraum, in Libyen, im Nahen Osten und Irak und in Syrien an“, sagte Paschinjan.
Am Telefon mit dem armenischen Regierungschef äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel laut Bundesregierung besorgt und forderte, „dass alle Seiten die Kampfhandlungen unverzüglich einstellen und Verhandlungen aufnehmen müssten“.
Update vom 4. Oktober, 9.15 Uhr: Armenien hat der Türkei vorgeworfen, in die Gefechte direkt verwickelt zu sein. „Es gibt 150 hochrangige türkische Offiziere, die die Militäroperationen Aserbaidschans leiten“, sagte der armenische Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan am Samstagabend in einer Rede an sein Volk. „Das Ausmaß der Offensive ist beispiellos.“ Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev hatte zu vor gesagt, die Türkei als Verbündeter seines Landes sei nicht an den Gefechten beteiligt.
Es gebe Kämpfe über die gesamte Frontlinie hinweg, sagte Paschinjan. „Wir stehen vor einem schicksalhaften Kapitel unserer Geschichte.“ Das armenische Volk sei Ziel Aserbaidschans und der Türkei, sagte der Regierungschef. Am Samstagabend soll er, so berichtete die armenischer Agentur Armenpress, zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert haben. Dabei habe sie über die Beteiligung türkischer Militäroffiziere informiert.
Aliyev wiederum dankte am Abend in einem von seinem Büro veröffentlichten Brief dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für seine Hilfe. Er verwies darauf, dass die Türkei das Vorgehen Armeniens verurteile.
Update vom 4. Oktober, 9.00 Uhr: Die Hauptstadt der selbst ernannten Republik Bergkarabach ist am Sonntag erneut Ziel von Angriffen geworden. In Stepanakert heulten am Morgen Sirenen, kurz danach wurde die Stadt von Explosionen erschüttert. Das berichteten AFP-Reporter. Zudem meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Außenministerium der selbst ernannten Republik, einen „Raketenbeschuss“ in Stepanakert.
Die Bewohner versteckten sich in Kellern und Unterständen, um sich vor den Attacken zu schützen. In der Nacht zum Sonntag brach in Stepanakert die Stromversorgung zusammen, da die aserbaidschanischen Angriffe laut örtlichem Außenministerium „eine Einrichtung der Stromversorgung“ getroffen hätten.
In der Nacht zum Samstag waren armenische Angriffe auf 19 aserbaidschanische Dörfer gemeldet worden, woraufhin die aserbaidschanische Seite einen „Gegenschlag“ angekündigt hatte.
Zu Opferzahlen gibt es derzeit keine verlässlichen Angaben. Beide Konfliktparteien sprechen von tausenden getöteten Kämpfern auf Seiten des Gegners.
Eriwan/Baku - Die kriegerischen Handlungen in der Grenzregion von Armenien und Aserbaidschan gingen auch am Wochenende weiter. Beide Staaten berichteten von Gefechten im Gebiet Bergkarabach, das zu Aserbaidschan gehört, jedoch seit Jahrzehnten von Armenien kontrolliert wird. Die Angaben zu den bisherigen Opfern des Krieges, der am Rande Europas fortschreitet, unterscheiden sich. Nach armenischen Angaben könnte die Zahl der Todesopfer bei deutlich über 200 liegen. Die Türkei und Russland sind auf unterschiedlichen Seiten in das Geschehen verwickelt.
Armenien teilte mit, Truppen aus Aserbaidschan seien am Samstag, den 3. Oktober, sowohl von Norden als auch von Süden nach Bergkarabach vorgerückt. Aserbaidschan berichtete wiederum, Armenien habe mehrerer Orte auf seinem Staatsgebiet beschossen.
Aus Sicht von Aserbaidschan ist die Region Bergkarabach widerrechtlich von Armenien besetzt. Entsprechend begründete Staatschef Ilham Aliyev das Vorrücken seiner Armee auch gegenüber Emanuel Macron. Der Präsident Frankreichs hatte sich in einem Telefonat um eine friedliche Lösung bemüht. Eine Waffenruhe konnte er dabei nicht erreichen. Genau wie Russland und die USA gehört Frankreich zu den langjährigen Vermittlern in dem Konflikt.
Die internationale Bedeutung des Krieges geht auch auf die unterschiedlichen Schutzmächte der beteiligten Staaten zurück. So gilt die Türkei als Verbündeter Aserbaidschans, wohingegen Russland auf der Seite Armeniens steht. Während der aktuellen Eskalation des Krieges in Bergkarabach wächst nun die Sorge darüber, welche Rolle die Türkei einnehmen könnte. Armenien hat der Türkei vorgeworfen, Tausende Söldner aus den Kriegsgebieten in Syrien und Libyen in den Südkaukasus verlagert zu haben. Auch Russland hatte von plausiblen Hinweisen darauf gesprochen.
Von einer friedlichen Einigung scheinen die Kriegsparteien nach einer Woche aber auch ohne Einmischung von außen weit entfernt zu sein. Aserbaidschans Präsident Aliyev lehnte weitere Verhandlungen mit Armenien ab: „Wir haben keine Zeit, noch weitere 30 Jahre zu warten. Der Konflikt muss jetzt gelöst werden.“ Die Lösung suchen beide Parteien zunächst weiter mit Waffengewalt.