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Shanghaier Omikron-Welle: Viele Quarantänezentren voll, Berichte über undichtes Dach – und mehr Menschen krank

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Von: Christiane Kühl

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Ein freiwilliger Helfer spricht ein Megaphon, um mit den Bewohnern eines Wohnhauses in Shanghai zu sprechen.
Die meisten Shanghaier verharren weiter im Lockdown. Informationen zu neuen Regeln bekommen sie oft über Megafon. © Chen Jianli/Xinhua/AP/dpa

Trotz Lockdown steigen die Fallzahlen in Shanghai immer weiter. Inzwischen werden auch mehr Menschen krank. Und die Quarantänezentren der Metropole werden immer voller.

Update vom 14. April 2022: Trotz des Lockdowns in Shanghai* steigen die Fallzahlen immer weiter. Vor allem gibt es in der abgeriegelten Metropole immer mehr Menschen mit Symptomen. Allein am Donnerstag meldeten die Behörden 2573 Erkrankte, den mit Abstand höchsten Wert seit Beginn des aktuellen Ausbruchs. Neun Menschen in der Metropole leiden demnach derzeit an „ernsten“ Symptomen – allesamt ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Eine nähere Definition, was „ernst“ bedeutet, gab es nicht. Die lokalen Behörden fürchten nichts mehr als chaotische Zustände wie kürzlich in Hongkong. Dort überschwemmte die hochansteckende Omikron-Variante trotz harter Maßnahmen die Stadt so sehr, dass Quarantäne-Einrichtungen und Krankenhausbetten nicht mehr ausreichten. Die Todesrate von Hongkong* gilt inzwischen als eine der höchsten weltweit; vor allem starben viele ungeimpfte Ältere.

In Shanghai sind die Menschen zwar von dem langen Lockdown und den Problemen unter anderem mit der Nahrungsmittelversorgung inzwischen zermürbt. Viele fürchten eher die Isolierstation als das Virus selbst. Am Mittwoch machte ein Video einer Quarantänestation die Runde, in die es hineinregnete. Das Dach der hektisch zusammengezimmerten Unterkunft war undicht. Ein weiteres Video, das am Wochenende viral gegangen war, zeigte nach einem Bericht der Hongkonger South China Morning Post zwei Dutzend Einwohner im Bezirk Pudong, die mehr als 10 Stunden in einem Bus durch die Stadt gekarrt wurden, um für sie ein Qarantänezentrum zu finden. Doch vier Isolierstationen lehnten sie ab: Sie waren bereits voll.

Doch die Regierung mahnt weiter zum Durchhalten. Wirkliche Lockerungen kommen wegen des hohen Anteils der Ungeimpften unter den Älteren nicht infrage. Aber selbst eine leichte Öffnung ist schwierig, da die Zentralregierung eisern an der Null-Covid-Politik festhält. Seit einer Woche hat Peking das Zepter bei der Seuchenbekämpfung in Shanghai in der Hand, unter Leitung der eigens in die Stadt gereisten Vizeministerpräsidentin Sun Chunlan.

Und Staatschef Xi Jinping betonte am Mittwoch auf der Tropeninsel Hainan erneut: „Die Präventions- und Kontrollarbeit kann nicht gelockert werden.“ Alle Maßnahmen müssten strikt umgesetzt werden, forderte Xi laut der Hongkonger South China Morning Post – und fügte hinzu, dass die Antivirus-Kampagne die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen minimieren müsse. Er zeigte sich sicher: „Wir werden den Kampf gegen das Virus gewinnen, wenn wir mithalten können.“ Doch das wird immer schwieriger.

China verärgert über Reisewarnung der USA

Erstmeldung vom 13. März 2022: Shanghai/München – Es gibt nichts, worüber China* und die USA keinen Streit anzetteln können. Das neueste Wortgefecht dreht sich um den abgeriegelten Corona-Hotspot Shanghai. Denn das State Department in Washington hat diese Woche nicht-essentielles Personal seines Generalkonsulates in der Wirtschaftsmetropole in die Heimat zurückbeordert. Zuvor hatte man den Diplomaten die Ausreise freigestellt. Doch „aufgrund eines Anstiegs der Covid-19-Fälle und der Auswirkungen von Beschränkungen im Zusammenhang mit (Chinas) Reaktion“ zog Washington dann offenbar die Notbremse. Ein Reisehinweis des Außenministeriums fordert US-Amerikaner nachdrücklich auf, Reisen nach ganz China „zu überdenken“. Das Ministerium bezieht sich vor allem auf strenge Covid-Beschränkungen, einschließlich „des Risikos, dass Eltern und Kinder getrennt werden“.

Das stößt China natürlich sauer auf. In Peking ist man stolz auf die Null-Covid-Politik, durch deren harte Maßnahmen man bis zum Auftreten der Omikron-Variante das Virus leidlich im Griff hatte. Das Narrativ lautet: Wir besiegen das Virus, während der Westen daran gescheitert ist. Dass nun die USA* öffentlich die Fähigkeit Shanghais infrage stellen, die Kontrolle über die aktuelle Omikron-Welle zu behalten, passt da nicht hinein. Peking weise die „unbegründeten Anschuldigungen“ der US-Botschaft in China entschieden zurück, betonte Außenamtssprecher Zhao Lijian. Er warf den USA vor, das Thema zu politisieren und „China zu verleumden“. Chinas Seuchenbekämpfungspolitik sei „wissenschaftlich und effektiv. Wir haben volles Vertrauen, dass Shanghai und andere Orte diese Runde der Epidemie überwinden werden.“

Peking befindet sich seit Jahren in einem Handelsstreit mit den USA; die Spannungen zwischen beiden Staaten nehmen immer weiter zu. Auch um den Ursprung der Corona-Pandemie streiten sich beide immer wieder, seit mehrere Politiker in Washington die These stützten, das Virus sei Ende 2019 aus einem Labor in Wuhan ausgetreten. Im Ukraine-Krieg* gibt die Volksrepublik immer wieder öffentlich Washington die Schuld an der Eskalation.

Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, spricht bei einer Pressekonferenz.
Selten um Kritik an den USA verlegen: Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums (Archivbild). © picture alliance/dpa/kyodo

China bleibt als einziges Land der Welt bei Null-Covid-Politik

China ist derweil das letzte Land der Welt, das stoisch an einer Null-Covid-Politik festhält*. Andere vormals strikte Staaten wie Singapur, Australien oder Neuseeland sind dabei, sich vorsichtig wieder zu öffnen. Angesichts der hochansteckenden Omikron-Variante aber ist Null-Covid nur mit immer drastischeren Maßnahmen auch nur im Ansatz möglich. Doch die Strategie ist in China quasi heilig, ist sie doch nach offiziellen Verlautbarungen konzipiert von Staatschef Xi Jinping persönlich. Deshalb ist ein kurzfristiges Umdenken nicht in Sicht.

Zumal Shanghai am Mittwoch erneut Rekordzahlen bei den Neuinfektionen meldete: gut 26.300 Fälle, von denen fast 1.200 als „symptomatisch“ eingestuft wurden. Jeder positiv Getestete muss in ein Quarantäne-Zentrum gebracht werden, Menschen mit Symptomen in speziell eingerichtete Krankenstationen. Seit Tagen zirkulieren Videos, die Streits verärgerter Bürger mit Sicherheitsleuten, Proteste und sogar Plünderungen* zeigen. Ärger hatte es dabei vor allem um die Trennung selbst kleiner Kinder von ihren Eltern gegeben. Die Stadt präsentierte daher nun spezielle „Eltern-Kind-Abteile“ in den Quarantänezentren als großen Fortschritt. Video-Beiträge mit fröhlicher Musik zeigen Waben aus halbhohen Stellwänden, in denen 2- bis 18-Jährige mit einem Elternteil ihre Isolationszeit verbringen. Gemütlich und kindgerecht wirkt dies trotz mitgebrachter Stofftiere allerdings nicht.

Die Shanghaier Lokalregierung hat bereits öffentlich Fehler* im Zusammenhang mit dem vielfach als chaotisch empfundenen Lockdown eingeräumt. Am Dienst warnte parallel der Vizedirektor der Nationalen Gesundheitskommission Lei Zhenglong, dass der Ausbruch in Shanghai „nicht wirksam eingedämmt“ worden sei. Dieser habe sich inzwischen auf viele Provinzen ausgebreitet, die Zahl der Neuinfektionen werde in den kommenden Tagen voraussichtlich hoch bleiben.

China: Mehr Sorge vor Beschränkungen als vor Omikron

Tatsächlich schwappt der Ausbruch in Shanghai auf die benachbarten Provinzen Jiangsu und Zhejiang über, in denen diese Woche erste Städte abgeriegelt wurden. Beide Provinzen gehören zu den wichtigsten Industriezentren Chinas; viele deutsche Firmen produzieren dort. Viele Unternehmen leiden unter wachsenden Störungen der Lieferkette*. Selbst Warensendungen müssen an manchen Orten in Quarantäne; Lastwagenfahrer können manche Provinz- oder Bezirksgrenzen nicht mehr überschreiten. Wenn China voraussichtlich Anfang kommender Woche die Wirtschaftszahlen für das erste Quartal herausgibt, dürften sich die Beschränkungen in inzwischen mehr als 70 Städten in niedrigeren Wachstumsraten widerspiegeln.

Mehrere Vertreter der EU-Handelskammer an verschiedenen Standorten forderten daher kürzlich eine groß angelegte Impfkampagne anstelle immer rigiderer Lockdowns. Die Impfquote unter Älteren ist in China niedrig: Nur gut die Hälfte der über 80-Jährigen ist doppelt geimpft. Auch ist unklar, wie wirksam die chinesischen Vakzine gegen die Omikron-Variante sind. Ausländische mRNA-Impfstoffe wie von Biontech sind in China nicht zugelassen, vermutlich aus politischen Gründen. Stattdessen entwickelt das Land derzeit einen eigenen mRNA-Impfstoff. (ck) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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