Corona-Ausreiseverbote: Merkels rechte Hand sieht „Schrecken“ schwinden - nun kommt sogar ein „Reise-Wegweiser“
Kommen Ausreiseverbote in Corona-Hotspots? Angela Merkels Pläne sorgen für Aufruhr in einigen Bundesländern. Doch nun naht offenbar die Wende.
- Aktuell scheint die Corona-Lage in Deutschland ruhig - doch die Bundesregierung will mit schärferen Regeln vorbeugen.
- Im Gespräch ist ein Ausreiseverbot für von Ausbrüchen betroffene Landkreise.
- Doch in den Bundesländern regt sich heftiger Widerstand. Am Donnerstag (16. Juli) wird verhandelt.
Update vom 17. Juli, 15.18 Uhr: Nach dem Ausreiseverbot kommt die Reise-Empfehlung: Damit sich Reisende besser auf die jeweiligen Corona-Regeln in den Bundesländern einstellen können, hat die Bundesregierung einen neuen digitalen „Tourismus-Wegweiser“ vorgestellt.
Neben allgemeinen Abstandsregelungen oder Vorgaben zu einer Mund-Nasen-Bedeckung wird darin auch aufgeführt, welche Beschränkungen es zu Gästezahlen bei Hotels und Campingplätzen gibt, ob und bis wann in den Ländern aktuell jeweils Kneipen öffnen dürfen oder wieviele Menschen an Kulturveranstaltungen teilnehmen dürfen. Hinweise gibt es auch zu Regeln bei Messen oder Kongressen. Insgesamt gibt es 45 Rubriken.
Experten gehen in einem Szenario davon aus, dass sich der Deutschland-Tourismus deutlich schneller und stärker erholt als der internationale Tourismus, wie Prof. Heinz-Dieter Quack, Leiter des „Kompetenzzentrums Tourismus“ des Bundes sagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren Sommerurlaub* jedenfalls schon an einen anderen Ort verlegt als üblich.
Corona-Ausreiseverbote: Merkels rechte Hand sieht „Schrecken“ schwinden - und erklärt Regelung
Update vom 17. Juli, 10.15 Uhr: Nach der Bund-Länder-Einigung auf neue Corona-Maßnahmen sieht Angela Merkels Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) die Behörden gut gerüstet für akute Infektionsausbrüche. Der Plan ziele darauf ab, "jeden Ausbruch so zu beenden, dass wir nicht wieder in ganz Deutschland größere Zahlen von Infektionen haben", sagte Braun am Freitagmorgen auf NDR Info. Es gehe darum, "solche lokalen Ausbrüche möglichst schon im Keim zu ersticken".
Dabei werde auf lokaler Ebene gehandelt - die Beschlüsse vom Donnerstag stellten aber sicher, dass dies "nach einheitlichen Maßstäben" geschieht, sagte Braun. Etwaige lokale Beschränkungen könnten dann auch zügig wieder aufgehoben werden. "Es geht nicht darum, dass man gleich für viele Wochen was tut", sagte der Kanzleramtsminister. "Das nimmt den Maßnahmen ganz viel ihres Schreckens."
Update vom 16. Juli, 17.48 Uhr: Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, begrüßte den Verzicht von Bund und Ländern auf Ausreisesperren für ganze Landkreise. „Wir sind bislang sehr gut damit gefahren, das örtliche Infektionsgeschehen präzise zu begrenzen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Vizevorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, sah dies ähnlich: „Notwendig und richtig sind praxistaugliche, maßgeschneiderte Hotspot-Strategien mit regional differenzierten und räumlich sowie zeitlich eng begrenzten Lösungen, die sich an der tatsächlichen Infektionsgefahr orientieren.“ Alles andere wäre unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig, sagte Theurer.
Übrigens: Schlechte Corona-News gibt es heute (17. Juli) aus Rheda-Wiedenbrück. Dort ist nach einem massiven Corona-Skandal die Produktion im Fleischkonzern Tönnies wieder angelaufen. Nach nur einem Tag musste nun die Schlachtung aber vorübergehend wieder gestoppt werden.
Corona-Ausreiseverbote: Lob für Merkels Plan - wichtige Neuigkeiten für Reise-Rückkehrer
Update vom 16. Juli, 14.30 Uhr: Bund und Länder haben sich geeinigt - nach Informationen der dpa gibt es nun tatsächlich einen Beschluss unter anderem zu den viel diskutierten „Ausreiseverboten“ für Corona-Hotspots. Ein- und Ausreisesperren soll es geben können, wenn die Zahl der Infektionen weiter steigt oder es keine Gewissheit gibt, dass die Infektionsketten bereits unterbrochen sind (siehe vorheriges Update).
Dem Papier zufolge sollen die Länder Vorsorge dafür treffen, dass Reisende aus Regionen mit erhöhten Corona-Infektionen nur dann in einem Beherbergungsbetrieb untergebracht werden beziehungsweise ohne Quarantänemaßnahme in ein Land einreisen dürfen, wenn sie mit einem ärztlichen Zeugnis nachweisen können, dass sie nicht infiziert sind.
Mit Blick auf die Reisesaison wurde zudem festgelegt, dass Rückkehrer aus dem Ausland, die sich innerhalb der vergangenen 14 Tage in einem Risikogebiet aufgehalten haben, verpflichtet bleiben, sich für 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern sollen dem Beschluss zufolge kurzfristig die nationale Teststrategie in Hinblick auf den Umgang mit Reiserückkehrern weiterentwickeln. Sie sollen Kriterien dafür erarbeiten, ob, wann und in welchem Umfang Tests für diese sinnvoll sind. „Dies kann gegebenenfalls der Fall sein, wenn eine Urlaubsregion eine deutlich höhere Zahl aktiver Fälle aufweist als Deutschland im Durchschnitt, wenngleich die Kriterien für ein Risikogebiet bzw. besonders betroffenes Gebiet noch nicht erreicht sind“, heißt es in dem Papier.
Corona-Ausreiseverbote: Unerwartete Wende bei Merkels Plan, Details da - ein Wort fehlt offenbar
Update vom 16. Juli, 13.45 Uhr: Wohl an diesem Nachmittag sollen die Ergebnisse der Verhandlungen zu Ein- und Ausreisesperren in deutschen Corona-Hotspots verkündet werden - doch schon jetzt liegen weitere Details aus der Beschlussvorlage der Chefs von Bundeskanzleramt und der Staatskanzleien der Länder vor.
So ist das umstrittene Wort "Ausreisesperren" im Entwurf nicht enthalten, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Die Rede ist dort vielmehr von "Beschränkungen nicht erforderlicher Mobilität in die besonders betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus". Sie sollten "zielgerichtet" erfolgen und könnten also auch Gebiete betreffen, die kleiner sind als ganze Landkreise.
Zu einer Beschränkung von Ein- und Ausreise solle aber nur dann gegriffen werden, wenn kein "milderes Mittel" zur Verfügung steht, die Zahl der Infektionen weiter steige "und es keine Gewissheit gibt, dass die Infektionsketten bereits umfassend unterbrochen werden konnten". Die erste Maßnahme bei einem Ausbruch solle es immer sein, "Kontakt- und Ausbruchscluster" zu isolieren.
Als Beispiele für solche Infektionscluster nennt das Papier "Unternehmen, Einrichtung, Freizeitgruppe, Glaubensgemeinschaft, Familienfeier". Hier sollten zunächst die "bewährten Maßnahmen Quarantäne, Kontaktnachverfolgung und Testung" ergriffen werden.
Corona-„Ausreiseverbote“: Unerwartete Wende - Gesundheitsminister schon einig?
Update vom 16. Juli, 11.05 Uhr: Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben sich auf zielgenauere, lokale Beschränkungen in Regionen mit einem starken Corona-Ausbruch verständigt. Lokale Ausreisesperren könnten dabei „ein geeignetes Mittel“ sein, heißt es in einem Papier der Gesundheitsministerkonferenz vom Donnerstag, das der dpa vorliegt.
Die Minister empfehlen den Regierungschefs der Länder, künftig kleinere örtliche Einheiten bei einem Ausbruch einzuschränken. „Die Abriegelung ganzer Bezirke zum Beispiel in Hamburg oder Berlin ist nicht möglich“, heißt es in dem Papier. Es dürfe bei solchen Maßnahmen keinen Automatismus geben: „Entscheidungen müssen vor Ort flexibel von den zuständigen Behörden getroffen werden.“
Die Gesundheitsminister räumten aber ein, dass die Umsetzung und Kontrolle solcher lokalen und zeitlich eng begrenzten Ausreisesperren problematisch sein könnten. Wichtig sei daher eine Einbindung des Bundesinnenministeriums sowie gegebenenfalls der Innenministerkonferenz, um hier praktikable Lösungen zu finden.
Erstmeldung: Corona-Ausreiseverbote? Rebellion gegen Merkels Pläne - „überhaupt nicht akzeptabel“
Berlin/Dresden - Die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) möchte mit lokalen Ausreiseverboten den Corona*-Schutz verbessern. Doch auch wenn Kanzleramtschef Helge Braun vorab relativiert und „Schrecken“ nehmen will - vor einer neuen Verhandlungsrunde am Donnerstag (16. Juli) schwelt Streit mit den Bundesländern. Dabei scheint ein Kompromiss eigentlich greifbar.
So oder so: Aus mindestens zwei Ländern droht heftige Gegenwehr gegen die ursprünglichen Pläne - pikanterweise auch aus solchen mit einer CDU-geführten Koalition. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) hat bereits angekündigt, die Ländern würden einer grundsätzlichen Regelung für ganze Landkreise „nicht zustimmen“. Braun und die Chefs der Staatskanzleien der 16 Bundesländer wollen sich am Donnerstag erneut für Beratungen zusammenschalten.
Corona-Ausreiseverbot? Kretschmer attackiert Merkels Regierung - „verärgert Bevölkerung“
Kretschmer zeigte sich verärgert darüber, dass die Bundesregierung eine Debatte über derartige Ausgangssperren angestoßen hat. "Vieles, was diskutiert wird in Berlin, ist aus meiner Sicht viel zu holzschnittartig, sorgt dann auch für Verärgerung und Verwirrung in der Bevölkerung", kritisierte er im Deutschlandfunk. "Die Menschen können sicher sein: Wir werden keine generellen Ausreisesperren für Landkreise bekommen. Das ist aus meiner Sicht überhaupt nicht akzeptabel."
Kretschmer sagte allerdings auch, in der Vorlage für die Bund-Länder-Gespräche zeichne sich eine Kompromisslinie ab. "Da geht es in der Tat darum, wenn in Regionen im kleinen lokalen Kontext etwas passiert, dass dort zu solchen Maßnahmen gegriffen werden kann." Es dürfe aber nicht um Ausreisesperren für ganze Landkreise gehen.
Mehrere Bundesländer hatten zuvor Beschränkungen für gesamte Landkreise abgelehnt. „So etwas kann man sich im fernen Berlin oder auch München ja gerne ausdenken, aber es ist in der Fläche überhaupt nicht praktikabel“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) der Neuen Osnabrücker Zeitung. Gerade in großen Landkreisen mit mehreren hunderttausend Einwohnern und einer entsprechenden Größe erschließe sich ihm nicht, wie entsprechende Kontrollen umgesetzt werden könnten.
Corona: Merkels Kanzleramtschef will „Beschränkungen den Schrecken nehmen“
Kanzleramtschef Braun hat noch am Donnerstagmorgen die Pläne für lokale Reisebeschränkungen verteidigt. Es gehe darum, nach Corona-Ausbrüchen "schneller, kleinräumiger, präziser" zu handeln, sagte Braun vor den Beratungen im ZDF-"Morgenmagazin". Es gehe nicht darum, ganze Landkreise mit Reisesperren zu belegen. Ziel könnten auch "Teile von Landkreisen sein oder Cluster" wie ein Betrieb oder eine Gemeinde.
Die Beschränkungen sollen sich "nur auf diesen Bereich beziehen", wo es erforderlich sei, betonte Braun. Das sei die Erfahrung aus den Corona-Ausbrüchen in den vergangenen Wochen etwa im Landkreis Gütersloh, wo nach massenhaften Infektionsfällen beim Fleischkonzern Tönnies vorübergehend wieder ein Lockdown verhängt worden war.
Es gehe auch darum, schnell zu testen etwa mit Unterstützung der Bundeswehr, damit Beschränkungen schnell wieder aufgehoben werden könnten. Die Beschränkungen sollen "ihren Schrecken verlieren", betonte Braun. Wenn schnell getestet werde, dauerten diese nur wenige Tage.
Coronavirus: Seibert erklärt Merkels „Sympathien“ - wie reagieren die Länder?
Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Mittwoch betont, Merkel habe Sympathien für den Vorschlag, „dass bei lokalen Corona-Ausbrüchen die Menschen in den betroffenen Gebieten erst einmal zu Hause bleiben“. „Und zwar so lange, bis die Infektionsketten erkannt sind und die Reisewilligen einen negativen Corona-Test vorlegen können.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder* (CSU) hatte den Vorschlag ebenfalls gutgeheißen. Unübersichtlich scheint die Lage in der nordrhein-westfälischen Landesregierung von CDU-Vorsitz-Anwärter Armin Laschet*. Sie signalisierte einerseits Zustimmung. Lokale Ausreisebeschränkungen könnten „im akuten Bedarfsfall hilfreich sein“, sagte ein Sprecher der Landesregierung dem Kölner Stadt-Anzeiger (Donnerstag).
Corona-Ausreisesperren: Laschets NRW unentschieden - „so viel Polizei kann man gar nicht aufbieten“
NRWs Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann äußerte sich aber anders zur Debatte über Ausreisesperren für Kreise mit erhöhten Coronavirus-Infektionszahlen: Er sei der Meinung, "dass das nicht funktioniert", sagte Laumann im „Morgenmagazin“. "So viel Polizei kann man gar nicht aufbieten, um einen ganzen Landkreis abzusperren." In NRW finden noch in diesem Jahr Kommunalwahlen* statt.
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow* (Linke) zeigte sich skeptisch. „Das ist keine Frage von politischen Aushandlungsprozessen“, sagte Ramelow der dpa. Entscheidend sei, was die örtlichen Gesundheitsämter entschieden. „Und daran haben sich alle zu halten.“ Ramelow hatte sich bereits im Mai gegen die Linie der Bundesregierung gestellt - und die Corona-Regelungen vorrangig an die Gesundheitsämter delegiert. (dpa/AFP/fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.
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