„Covid tötet noch immer“: US-Politiker warnen vor steigenden Infektionszahlen durch Floyd-Demos
Die USA scheinen dem Coronavirus so langsam Herr zu werden. Doch die Demos im Zuge der gesellschaftlichen Missstände könnten diesen Erfolg konterkarieren. Politiker schlagen Alarm. Doch die Minderheiten stecken in einem Dilemma.
- In den USA gehen täglich Tausende Demonstranten* wegen der gesellschaftlichen Missstände auf die Straßen.
- Dabei werden Abstandsregeln und Schutzmaßnahmen ignoriert.
- Das beschwört die Gefahr einer erneuten Corona-Verbreitung herauf.
München - Es ist ein Phänomen aus allen Lebensbereichen. Ein Problem wird nur solange als echtes Problem wahrgenommen, bis das nächste auftritt und alle bisherigen Sorgen in den Schatten stellt. So schnell kann der Kummer von einst verdrängt und vergessen werden. Was natürlich ein riesengroßes Problem darstellt, wenn die vorige Not noch längst nicht gelindert ist.
Wie etwa die Corona-Pandemie*. Die war in den USA wie in weiten Teilen der übrigen Welt wochenlang das beherrschende Thema. Bis ein weißer Cop dem auf dem Boden fixierten Afroamerikaner George Floyd* bei dessen Festnahme fast neun Minuten lang das Knie auf den Hals presste und diesem damit die Luft zum Atmen nahm. Dank eines von einem Zeugen gefilmten Videos nahm die ganze Welt Anteil an diesem leider keineswegs beispiellosen Drama.
Corona-Gefahr durch Demos in den USA: Floyd-Tod offenbart gesellschaftliche Missstände
Der auf diese Weise billigend in Kauf genommene Tod* des wehrlosen Mannes offenbarte einmal mehr die Missstände, denen Minderheiten in den USA nach wie vor ausgesetzt sind. Und brachte ein bereits zum Bersten gefülltes Fass zum Überlaufen. Seither wird in vielen Städten des Landes Tag für Tag, Nacht für Nacht demonstriert - oftmals auf friedliche Art, manchmal aber auch brandschatzend.
Letzteres ist schlimm genug. Ähnlich verheerend ist angesichts des nach wie vor grassierenden Coronavirus der Umstand, dass bei diesen Demonstrationen und Kundgebungen keinerlei Abstandsregeln eingehalten und oftmals auch keine anderen Schutzmaßnahmen* ergriffen werden. Deswegen warnt etwa Dr. Jerome Adams, Facharzt und Leiter der US-Gesundheitsbehörde: „Es ist anzunehmen, dass wir neue Cluster und potenziell neue Ausbrüche sehen werden.“

Corona-Gefahr durch Demos in den USA: „Covid ist noch immer ein Problem“
Andrew Cuomo, Gouverneur des zum Corona-Hotspot mutierten Bundesstaates New York redet den sich unter die Massen mischenden Demonstranten ins Gewissen: „Ich weiß, dass viele Protestler genervt davon sind und nichts mehr von Covid hören wollen, als wäre es von gestern. Nein, Covid ist noch immer ein Problem. Covid tötet noch immer - seid euch dessen bewusst und respektiert das.“ In Los Angeles befürchtet Bürgermeister Eric Garcetti bereits sogenannte Superspreader-Ereignisse, wenn Tausende zusammen auf die Straßen gehen.
Zwar gebe es laut New York Times noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, inwiefern Sars-CoV-2 bei Menschenaufkommen wie Demos übertragen werden könnte. Doch das Problem sei: Wegen der - wenn überhaupt - erst verspätet auftretenden Symptome* begleite uns diese Ungewissheit noch einige Zeit.
Corona-Gefahr durch Demos in den USA: Gemeinsames Singen oder Brüllen kann Verbreitung beschleunigen
Zwar betonen Experten derzeit, dass die Gefahr einer Ansteckung* unter freiem Himmel bei weitem nicht so groß sei wie in geschlossenen Räumen. Doch gerade das gemeinsame Singen oder Brüllen von Parolen in einer Menschentraube dürfte dem Virus durchaus wieder Auftrieb geben. „Es ist stressig, wenn sich eine ganze Reihe von Menschen versammeln, um gemeinsam zu schreien, was bekanntlich ein effektiver Weg zur Verbreitung des Virus ist“, zitiert die Times den Buchhändler Jamie Schwesnedl, dessen Laden unweit einer Polizeistation beheimatet ist, die im Zuge der Proteste bereits in Brand gesteckt wurde.
„Die Leute riskieren ihre Leben, ihre Gesundheit, um ihre Solidarität mit den Schwarzen zu beweisen“, erklärt Kelli Ann Thomas, die sich aktiv für die Stärkung des Gemeinwesens einsetzt. Damit spielt sie eben nicht auf die Gefahr einer Eskalation an, die gewaltsame Zusammenstöße mit Ordnungskräften zur Folge haben könnten, stellt aber eben auch klar: „Die Polizeigewalt gegen schwarze Menschen - auch das ist eine Pandemie.“
Corona-Gefahr durch Demos in den USA: „Covid und Proteste Teile der gleichen Diskussion“
Für viele Gesundheitsexperten ist der Zusammenhang der Corona-Krise und der nun um sich greifenden Unruhen ohnehin sonnenklar: Der Zorn über die gesellschaftlichen Missstände in den USA spiegele sich auch in den verhältnismäßig größeren Zahlen der Corona-Infizierten und -Todesopfer unter afroamerikanischen Bürgern. Oder wie es Eleanor Murray, Epidemiologie-Dozentin an der Boston University, in der Times ausdrückt: „Vergangene Woche drehte sich alles um Covid, diese Woche ging es nur um die Proteste. In Wahrheit sind beides Teile der gleichen Diskussion.“
Wegen des Hintergrunds der Unruhen, aber eben auch den womöglich verheerenden Folgen. Gerade erholen sich die USA von der Pandemie, die im Land bereits eine sechsstellige Zahl an Menschenleben forderte. Dennoch würden große Städte der Times zufolge weiterhin täglich Hunderte neue Fälle melden. Im County rund um Minneapolis, wo Floyd gewaltsam zu Tode kam, hätten sich in der vergangenen Woche mehr als 1000 Menschen infiziert.

Corona-Gefahr durch Demos in den USA: Tränengas-Einsatz provoziert Hustenanfälle
Gefahr beschwört dabei auch das Vorgehen der Polizei beim Eindämmen der Protestwelle herauf. Schließlich werden durch Tränengas-Einsatz Hustenanfälle provoziert, zudem die Demonstranten zur besseren Kontrolle zusammengetrieben und vereinzelt Personen in Bussen, Vans oder mobilen Zellen eingepfercht.
All das kann dem Coronavirus in die Karten spielen. Ebenso, dass nur wenige Protestler Mund und Nase bedecken*. Und wenn, dann eher zur Vermummung als zur Verhinderung der Virusverbreitung. Also werden die Bedeckungen womöglich schon inmitten der Menschentrauben wieder abgenommen. Abhilfe könnten Massentests* schaffen, die aber auch eine trügerische Sicherheit mit sich bringen: Nicht jedes negative Ergebnis ist gleichbedeutend mit einer Infektionsfreiheit.
Corona-Gefahr durch Demos in den USA: Epidemiologin fordert Quarantäne für Protestler
Eine andere Lösung bringt Dr. Emily Landon ins Spiel. Die Epidemiologin von der University of Chicago fordert: „Menschen, die an diesem Wochenende an den Protesten teilgenommen haben, sollten für 14 Tage zu Hause bleiben.“ Ihr Appell: „Begebt euch für 14 Tage in Quarantäne*. Das wird schwierig, weil immer mehr geöffnet wird, aber es wäre das beste für uns alle.“ Deutlich wird dabei auch: Es müsste auf freiwilliger Basis ablaufen. Weswegen die Umsetzung schwierig zu gestalten sein wird.
Wahrscheinlich ist der großen Mehrheit der Demonstranten und Aktivisten auch angesichts der aufgeheizten Atmosphäre wirklich nicht bewusst, welcher Gefahr sie sich aussetzen. Andere nehmen sie aber auch in Kauf. Für das große Ganze.
Corona-Gefahr durch Demos in den USA: „Wählen zwischen Tod durch Covid oder Tod durch Cops“
Yolanda Williams sieht es derweil pragmatisch. Die alleinerziehende Mutter, die in einem Podcast Tipps zur Erziehung schwarzer Kinder gibt, bleibt den Protesten zwar fern, ermutigt jedoch andere zur Teilnahme. Denn die schwarze Gemeinschaft stehe vor einem Dilemma: „Das Problem ist, dass wir wählen müssen zwischen dem Tod durch Covid und dem Tod durch Cops.“
US-Präsident Donald Trump droht angesichts der Aufstände im Land bereits mit dem Einsatz des Militärs*. Dazu bieten wir auch die beiden Kommentare: „Trump nutzt die Tragödie aus“* und „Trump ist ungeeignet für sein Amt“*.
Zu einem Eklat kam es bei einem Floyd-Protest im US-Bundesstaat New York. Dort stießen Polizisten einen älteren Demonstranten zu Boden, dieser wurde dabei schwer verletzte.
In den USA ist ein Auto ein eine Demonstration gerast. Dabei starb eine Frau, einer weitere wurde verletzt.
*merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.
mg