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Donnerschlag in Italien: Populisten-Bündnis gescheitert - „Sind nicht Sklaven der Deutschen“

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Wird doch nicht Ministerpräsident: Der Anwalt Guiseppe Conte.
Wird doch nicht Ministerpräsident: Der Anwalt Guiseppe Conte. © AFP / VINCENZO PINTO

Erst verbreitet ein Populisten-Bündnis in Italien Unruhe in ganz Europa. Dann platzt es auf den letzten Metern. Kommen jetzt Neuwahlen?

Drei Monate nach der Wahl in Italien sind die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechte Partei Lega mit ihrer geplanten Regierungsbildung überraschend gescheitert. Ihr gemeinsamer Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Giuseppe Conte, gab am Sonntag nach nur vier Tagen den Regierungsauftrag an Staatspräsident Sergio Mattarella zurück. Eine Neuwahl in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone scheint damit kaum mehr abwendbar.

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Grund für das Scheitern der Allianz war vor allem der Streit der Bündnispartner mit Mattarella über die geplante Ernennung eines ausgewiesenen Euro- und Deutschland-Kritikers zum Finanzminister. In Italien muss der Präsident das Kabinett erst formell absegnen, bevor es sich im Parlament zur Wahl stellt und die Regierungsgeschäfte aufnehmen darf.

Nach der geplatzten Regierungsbildung bereitet Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella offenbar eine Übergangsregierung vor. Er berief für Montag den Ökonomen Carlo Cottarelli in den Präsidentenpalast. Es könnte sein, dass Mattarella nach der geplatzten Regierungsbildung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und fremdenfeindlicher Lega eine „Technokratenregierung“ ernennt, die das Land dann zur Neuwahl führt. 

Absetzung des Präsidenten gefordert

Die Fünf-Sterne-Bewegung unterdessen forderte die Absetzung des Präsidenten. Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Italien hat der Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung die Absetzung von Staatspräsident Sergio Mattarella gefordert. Unter Berufung auf Artikel 90 der italienischen Verfassung werde er Mattarellas Absetzung verlangen, sagte Parteichef Luigi Di Maio am Sonntagabend in einem Fernsehinterview. Anschließend solle es Neuwahlen geben. In dem Verfassungsartikel geht es um die Möglichkeit, den Präsidenten wegen Hochverrats oder Verletzung der Verfassung anzuklagen.

Sergio Mattarella, Präsident von Italien, spricht nach einem Treffen mit dem designierten Ministerpräsidenten Conte, vor Journalisten.
Sergio Mattarella, Präsident von Italien, spricht nach einem Treffen mit dem designierten Ministerpräsidenten Conte, vor Journalisten. © dpa / Fabio Frustaci

Pläne der Populisten-Regierung schockten Europa

Zuvor hatten die geplanten Mehrausgaben der populistischen Parteien und ihre Anti-EU-Rhetorik die Finanzmärkte in Unruhe versetzt und Schockwellen durch Europa gesendet. Geplant waren unter anderem Steuersenkungen und ein Mindesteinkommen. Italien ist mit knapp 132 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet, nach Griechenland ist das der zweithöchste Wert in Europa. Erlaubt sind 60 Prozent.

Conte sagte am Abend in Rom, er habe „maximale Anstrengung“ darauf verwendet, eine Regierung des Wandels zu bilden. Der parteilose Anwalt war erst am Mittwoch mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Präsident Mattarella kündigte an, in Kürze über den Ruf nach einer erneuten Wahl zu entscheiden.

Am 4. März hatten die Italiener gewählt. Mit 32 Prozent waren die Sterne stärkste Kraft geworden. Die Lega hatte 17 Prozent innerhalb einer Mitte-Rechts-Allianz bekommen. Befürchtet wird, dass eine Neuwahl ein ähnliches Ergebnis bringt und die Regierungsbildung auch nicht leichter wird.

Lega-Chef: „Sind nicht die Sklaven der Deutschen“

Lega-Chef Matteo Salvini sieht Neuwahlen dennoch als unumgänglich an. „Das Wort geht wieder an Euch“, schrieb er auf Twitter. Die Italiener dürften nicht länger „Sklaven“ sein, Italien sei keine Kolonie. „Wir sind nicht die Sklaven der Deutschen oder Franzosen (...). An diesem Punkt muss das Wort wieder an euch zurückgegeben werden.“ Auch die Sterne hatten sich vor eine rasche Neuwahl eingesetzt, falls das Bündnis platzen sollte.

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Streit mit Mattarella hatte es zuletzt vor allem wegen der geplanten Besetzung des Finanzministeriums mit dem Euro-Gegner Paolo Savona gegeben, dem Wunschkandidaten der Lega. Seine Ansichten über Deutschland drohten die Beziehungen mit Berlin zu belasten. So ist der Ökonom der Meinung, dass der Euro vor allem der Bundesrepublik nutzt und sprach von einer „Kolonalisierung“ Italiens. Er propagiert zwar nicht direkt einen Ausstieg Italiens aus dem Euro, jedoch meint er, das Land müsse dafür einen Plan in der Schublade haben.

Mattarella sagte, er könne keinen Kandidaten akzeptieren, der den Euro-Ausstieg für Italiens ins Spiel bringe. „Die Unsicherheit unserer Einstellung zum Euro hat italienische und ausländische Investoren in Alarm versetzt.“

Chef der Fünf-Sterne-Bewegung: Wählen ist sowieso unnütz

Der Chef der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, macht den Staatspräsidenten und die „Finanzlobby“ für das Scheitern der Regierungsbildung verantwortlich. Die Entscheidung des Präsidenten Sergio Mattarella, einen Euro-kritischen Finanzminister abzulehnen, sei nicht nachzuvollziehen, schrieb Di Maio am Sonntag auf Facebook. „Dies ist keine freie Demokratie.“

„Wir hatten eine Regierungsmannschaft, wir waren bereit zu regieren, und uns wurde Nein gesagt, (...) weil Ratingagenturen in ganz Europa in Sorge wegen eines Mannes waren, der den Finanzminister machen sollte“, so Di Maio. Es sei also unnütz wählen zu gehen, weil sowieso Ratingagenturen und die „Banken- und Finanzlobby“ über eine Regierung entschieden.

dpa/afp

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