Eschwege schafft das Amt des hauptamtlichen Ersten Stadtrats ab

CDU, FWG und FDP haben entschieden: Der 1. Stadtrat übt sein Amt in Eschwege ab 1. Oktober ehrenamtlich aus. Dann folgt Thomas Große auf Reiner Brill.
Eschwege. Ab 1. Oktober hat Eschwege keinen hauptamtlichen Ersten Stadtrat mehr. Das hat die Koalition aus CDU, FWG und FDP am Donnerstag in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Damit endet am 30. September sowohl die Amtszeit von Reiner Brill (SPD) als auch eine 93-jährige Tradition: Seit 1923 stand dem Bürgermeister ein hauptamtlicher Erster Stadtrat zur Seite. Dieses Amt wird künftig ehrenamtlich ausgeführt.
"In Nordhessen kommen fast alle Städte in der Größenordnung Eschweges ohne hauptamtichen Ersten Stadtrat aus", sagte Stefan Schneider (CDU). Er erinnerte daran, dass in den vergangenen Jahren massiv Personal im Rathaus eingespart wurde – "allerdings nur bei den Indianern, jetzt müssen wir uns auch mal einen Häuptling sparen."
SPD, Grüne und Linke kritisieren Koalition scharf
SPD, Grüne und Linke übten heftige Kritik an der Entscheidung der Koalition und werteten diese als "reine Machtdemonstration". Lothar Dietrich (Grüne) und Bernhard Gassmann (Linke) hoben sowohl die persönliche Leistung Brills als Stadtkämmerer und Sozialdezernent als auch die Bedeutung einer hauptamtlichen Doppelspitze für die Stadt hervor.
Zudem seien alle entscheidenden Fragen offen: Wer übernimmt die Aufgaben des Ersten Stadtrats, wie hoch ist die Aufwandsentschädigung für dessen ehrenamtlichen Nachfolger, und werden neue Stellen geschaffen, um den Verlust auszugleichen? "Sie schaffen mit Brachialgewalt ein Amt ab und überlegen danach, wie es weitergehen soll", kritisierte Thomas Reyer (SPD) die Koalition, und sein Kollege Jörg Heinz sagte: "Sie wollen verhindern, dass es neben dem Bürgermeister eine Person mit ernstzunehmendem politischen Gewicht gibt."
Mit Brills designiertem Nachfolger Thomas Große (parteilos; CDU-Fraktion) ging der SPD-Mann hart ins Gericht: Während er den Amtsinhaber als "Motor der Stadtentwicklung" bezeichnete, nannte er Große ein "antriebsschwaches Ersatzaggregat". Der sei während seiner ersten Amtszeit von 2004 bis 2010 bereits "sechs glücklose Jahre an der Haushaltskonsolidierung gescheitert" – im Gegensatz zu Brill. "Und jetzt streicht die Koalition die Stelle desjenigien, der den Haushalt konsolidiert hat, um den Haushalt zu konsolidieren." Heinz´ Fazit: "Reiner Brill spielt das Geld, das er die Stadt kostet, um ein Vielfaches wieder ein."
Koalition rechtfertigt ihre Entscheidung
Manfred Lister (FDP) erinnerte daran, dass es nicht um die Person sondern um das Amt des Ersten Stadtrats gehe. Er warnte zudem davor, den ausgeglichenen Haushalt allein dem Kämmerer zuzuschreiben. Dazu hätten die Mitarbeiter der Verwaltung ebenso beigetragen wie externe Faktoren, beispielsweise gestiegene Schlüsselzuweisungen.
Lobende Worte für den Amtsinhaber fand auch Andreas Hölzel (FWG). "Wir sind mit Reiner Brills Arbeit zufrieden, aber wir können uns vorstellen, dass diese Arbeit im Rathaus auch andere leisten können". Lösungen zu den offenen Fragen werde die Koalition bis zum 30. September erarbeiten, versprach Hölzel.
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