Die Bundesregierung hat sich bereiterklärt, in einem ersten Schritt 1600 syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufzunehmen. Bei Bedarf wird Deutschland nach Angaben des Bundesinnenministeriums weitere 13 500 Plätze zur Verfügung stellen - insgesamt also gut 15 000.
In Hannover sind am Montag die ersten syrischen Flüchtlinge gelandet, die legal auf direktem Weg aus der Türkei in die Europäische Union einreisen durften. 24 Menschen kamen am Morgen in einer aus der Türkei kommenden Linienmaschine an. Sie werden mit einem Bus zunächst in das Erstaufnahmelager Friedland bei Göttingen gebracht, wie ein Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks sagte, der für den Transport verantwortlich ist. Am Mittag werden weitere 18 Flüchtlinge am Airport erwartet.
Wie werden die Menschen ausgewählt?
Die türkische Migrationsbehörde schickt zunächst eine Namensliste an das UN-Flüchtlingshilfswerk. Das UNHCR erstellt Dossiers über die Schutzbedürftigkeit der Genannten und schickt diese an die EU-Staaten, die sich zur Aufnahme bereiterklärt haben. Da die Flüchtlinge legal einreisen, brauchen sie ein Visum, das vom deutschen Generalkonsulat in Istanbul erteilt wird. Parallel dazu findet eine Sicherheitsüberprüfung statt.
Ist Deutschland das einzige Land, das von Anfang an mitmacht?
Nein. Nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin wollen neben Deutschland Anfang der Woche auch die Niederlande, Frankreich, Finnland und voraussichtlich Portugal syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen, und zwar in derselben Größenordnung wie die Bundesrepublik. Genaue Zahlen gibt es nicht. Die EU-Kommission, die bei Koordinierung eine zentrale Rolle spielt, hat sich dazu bisher nicht geäußert. Klar ist, dass es in vielen Ländern Widerstände gibt.
Wie sollen die Rückführungen aus Griechenland in die Türkei ablaufen?
Nach den Plänen der griechischen Küstenwache und der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sollen bis Mittwoch zunächst 750 Migranten mit zwei Schiffen von Mytilini, dem Hauptort der Insel Lesbos, in den Hafen von Dikili in der Westtürkei gebracht werden. Bei den Schiffen handelt es sich um den türkischen Katamaran „Nazli Jale“ und die türkische Kleinfähre „Lesbos“. Die erste Überfahrt soll gegen 10.00 Uhr Ortszeit (9.00 MESZ) in Mytilini starten. Jeder Flüchtling soll von einem Polizisten begleitet werden.
Haben die Behörden in Griechenland überhaupt genug Leute dafür?
Nein. Seit dem 20. März sind etwa 5000 Menschen auf den Inseln der Ostägäis eingetroffen. Frontex verfügt bislang aber nicht einmal über die Hälfte der Polizisten, die für die Abschiebung erforderlich wäre. Wie eine Sprecherin der „Welt am Sonntag“ mitteilte, hatten die EU-Staaten bis zum Wochenende die Entsendung von knapp 700 Beamten und 44 Rückführungsexperten zugesagt - obwohl Frontex Mitte März 1500 Polizisten und 50 Experten angefordert hatte. Deutschland hat 30 Bundespolizisten und acht Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach Griechenland geschickt. Bis Ende der Woche sollen es 100 Bundespolizisten sein.
Wie hat sich die Türkei auf die Rücknahme der Migranten vorbereitet?
Die ersten Rückkehrer aus Griechenland sollen nach türkischen Medienberichten ab Montag im westtürkischen Küstenbezirk Dikili eintreffen. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums sollen die Flüchtlinge zunächst in Aufnahmezentren in mehreren Bezirken gebracht werden. Anschließen würden Syrer im Land verteilt, Afghanen oder Pakistaner gegebenenfalls abgeschoben.
Ob auch Flüchtlinge in Dikili untergebracht werden, ist offen. Nach Angaben des Bezirksbürgermeisters von Dikili, Mustafa Tosun, sind noch keinerlei Vorbereitungen getroffen worden. Die Regierung in Ankara habe die lokalen Behörden nicht über ihre Pläne informiert, sagt er. Eine nach Medienberichten geplante Flüchtlingsunterkunft sei noch nicht im Bau. Die türkische Regierung äußerte sich dazu zunächst nicht.
Wie reagiert die Bevölkerung in der Türkei?
Die Aufnahme von Flüchtlingen stößt in der Hafenstadt Dikili zunehmend auf Widerstand. Hunderte demonstrierten am Wochenende gegen die Unterbringung weiterer Migranten. Bislang hatte die Küstenwache auf See aufgegriffene Migranten vorübergehend in Sporthallen gebracht. Mitte März hatten die Schutzsuchenden dagegen protestiert und Decken in Brand gesteckt.
Wie entwickeln sich die Flüchtlingszahlen hierzulande?
In Deutschland sind im März nur noch 20 000 neue Flüchtlinge registriert worden. Das ist ein dramatischer Rückgang. Im Februar waren es noch mehr als 60 000, im Januar mehr als 90 000. Mit dem EU-Türkei-Pakt hat das aber nichts zu tun, sondern vor allem damit, dass die Balkanländer seit Anfang März niemanden ohne gültigen Pass und Visum mehr passieren lassen. Damit ist die Balkanroute so gut wie dicht.
dpa/vf
Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion