Die Grünen haben ein neues Spitzen-Duo

Die Grünen haben eine neue Doppelspitze: Die Realos Annalena Baerbock (37) und Robert Habeck (48) sind die Grünen-Chefs. Damit verabschieden sich die Grünen von einem Prinzip.
Hannover - Bislang waren an der Spitze der Grünen beide Flügel - Realos und Parteilinke - vertreten. Die beiden neuen Gesichter, sind beide Realos. Ein langjähriger Hoffnungsträger und eine energische Newcomerin auf der großen bundespolitischen Bühne: Robert Habeck und Annalena Baerbock sollen die Grünen in den nächsten beiden Jahren führen.
Annalena Baerbock
Die 37-jährige Bundestagsabgeordnete erobert auf dem Hannoveraner Parteitag mit einer leidenschaftlichen Rede die Herzen der Delegierten. Sie präsentiert sich als basisnahe Kämpferin, die sich persönlich um Flüchtlingskinder kümmert und für den Kohleausstieg "raus auf die Straße" will. Die Delegierten quittieren das mit überraschenden 64,45 Prozent der Stimmen. Mehr zum Grünen Parteitag in Hannover lesen Sie hier.
Die Parteilinke Anja Piel, mit der der Flügelproporz gewahrt worden wäre, ließ Baerbock weit hinter sich. In ihrer Bewerbungsrede streckt sie den Skeptikern vom linken Flügel die Arme aus: Den "vermeintlichen Widerspruch zwischen staatstragend und radikal" solle die Partei als Chance begreifen, schreibt sie den Delegierten ins Stammbuch.
Bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen hat sich Baerbock als Europa- und Klimaexpertin einen Namen gemacht. Um für den Kohleausstieg zu streiten, will sie nun auch den Dialog mit Kohlelobbyisten und Gewerkschaftern suchen, wie sie in Hannover ankündigt.
Generell verfolgt Baerbock, die seit 2013 im Bundestag sitzt, einen pragmatischen Politikansatz. So konstatiert sie anlässlich ihrer Bewerbung für den Parteivorsitz, dass die Grünen beim Klimaschutz programmatisch schon weit gekommen seien. Doch sie fragt zugleich: "Wie halten wir den massiven Druck auf die anderen aufrecht?" Und Baerbock zeigt sich diskussionsfreudig: Die anstehenden Debatten sollten "unter die Haut gehen", bekundet die Abgeordnete. "Sie dürfen, ja sie müssen ruhig laut sein, ohne zu diffamieren."
Die am 15. Dezember 1980 in Hannover geborene Politikwissenschaftlerin war von 2009 bis 2013 Landesvorsitzende der Grünen in Brandenburg, bevor sie in den Bundestag einzog.
Robert Habeck
Der Kieler Landesumweltminister ist seit den gescheiterten Jamaika-Sondierungen auch bundesweit einer ihrer bekanntesten Köpfe. Schon eilt ihm der Ruf des "Poster-Boys" bei den Grünen voraus, und die Delegierten in Hannover feiern ihn wie ihren neuen Politstar: Mit 81,3 Prozent fährt er ein gutes Ergebnis ein.
Und die Abkehr von der Trennung zwischen Partei- und Regierungsamt, die der eloquente Minister aus dem Norden zur Bedingung machte, trugen die Delegierten ohne Murren mit. Nunmehr darf der 48-Jährige, der sich auch als Schriftsteller einen Namen gemacht hat, sein Kieler Regierungsamt behalten, bevor er sich ganz auf sein Berliner Parteiamt konzentriert.
Der am 2. September 1969 in Lübeck geborene Habeck gilt auch als Vordenker der Partei, doch er ist keineswegs ein spröder Theoretiker: In Schleswig-Holstein ist er durch einen bürgernahen Wahlkampf aufgefallen, der in ein überdurchschnittliches Ergebnis von 12,9 Prozent mündete. Der 48-Jährige unterlag bei der Kür der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zwar knapp Özdemir, doch bei den schließlich gescheiterten Jamaika-Sondierungen nahm er eine führende Rolle ein.
Gerade weil er im Sommer 2017 in seinem Bundesland ein Bündnis mit Union und FDP auf die Beine gestellt hatte, wusste Habeck bei den Jamaika-Sondierungen von Anfang an, wie schwierig es im Bund werden würde - und äußerte sich immer wieder entsprechend skeptisch. Der bisherige Landespolitiker, der 2009 erstmals in den Kieler Landtag einzog und seit 2012 Minister ist, sieht seine Partei jetzt auf einem "linksliberalen" Kurs. Auch er möchte die alten Widersprüche der Flügel aufbrechen.
AFP/dpa