Italien versinkt im Polit-Chaos: Oettinger-Aussage sorgt für Wirbel

Was heute gilt, ist morgen überholt: In Italien spielt sich ein beispielloses Polit-Chaos ab. Wird die Übergangsregierung überhaupt ins Amt kommen oder klappt es doch noch mit der Populisten-Allianz? Alles ist möglich. Die Märkte entspannen sich - vorübergehend.
Rom - In Italien steht nach den Turbulenzen an den Finanzmärkten nun auch die Bildung einer Übergangsregierung in Frage. Der designierte Premier Carlo Cottarelli traf sich am Mittwoch erneut mit Staatschef Sergio Mattarella, um über eine rasche Lösung in dem Chaos zu beraten. Die Lage an den Börsen entspannte sich wieder etwas. Händler sprachen von einer Gegenbewegung, nachdem am Vortag die Krise die Kurse ins Taumeln gebracht hatte.
Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung scheint derweil dem Präsidenten wieder die Hand auszustrecken, um doch noch eine Koalition mit der rechten Lega zu bilden. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Mattarella sei „vom Tisch“, weil die Lega dies nicht unterstütze, sagte Sterne-Chef Luigi Di Maio am Dienstagabend in Neapel. Zugleich holte er erneut zum Schlag gegen Deutschland aus: „Wir müssen entscheiden, ob über die italienischen Regierungen die Wähler entscheiden oder die Ratingagenturen und Deutschland.“
Das geplante Bündnis aus der Anti-Establishment-Partei und der Lega war an der Personalie des gewünschten Finanzministers gescheitert. Den Euro- und Deutschlandkritiker Paolo Savona wollte der Präsident mit Blick auf die Unruhe an den Finanzmärkten nicht absegnen.
Mattarella gab darauf dem Finanzexperten Cottarelli den Auftrag, eine Expertenregierung zu bilden, um das Land zu einer Neuwahl zu führen. Die Unsicherheit verursachte an den Börsen dann richtige Kursstürze und Turbulenzen, die böse Erinnerungen an die Eurokrise 2011/2012 weckten.
Wenigstens etwas: Entspannung an Märkten
An Europas Finanzmärkten schnauften die Anleger am Mittwoch erst einmal durch. Am italienischen Anleihenmarkt gingen die Renditen als Zeichen der Entspannung deutlich zurück. Die Aktienbörsen der Region verzeichneten überwiegend Gewinne. Doch die Unsicherheit werde noch für einige Zeit hoch bleiben, so dass die Aktienkurse unter Druck bleiben dürften, schrieb Volkswirtin Silvia Ardagna von der US-Bank Goldman Sachs.

Es gilt als wahrscheinlich, dass Cottarelli keine Unterstützung im Parlament bekommt - von keiner Partei. Das wäre auch für Präsident Mattarella eine Niederlage. Die Lega und die Sterne wollen so schnell wie möglich wählen lassen. Lega-Chef Matteo Salvini sagte jedoch, Juli sei keine Option, denn da sei das in Land in den „sakrosankten“ Ferien. Beide Parteien hatten den Staatschef in den letzten Tagen hart angegriffen und das Klima weiter vergiftet.
Di Maio sagte nun aber: „Wir sind bereit, unsere Position zu überdenken. Wenn wir etwas falsch gemacht haben, sagen wir es.“ Sogleich verbreitete sich die Spekulation, dass Di Maio und Lega-Chef Salvini doch noch ihre „Regierung des Wandels“ auf die Beine stellen könnten und dabei Mattarella entgegenkommen. Salvini sprach sich am Mittwoch jedoch dagegen aus.
Der Präsidentenpalast sah sich in dem Chaos gezwungen, Gerüchte zu dementieren, wonach Cottarelli den Regierungsauftrag wieder zurückgeben werde. „Niemand hat von einem Amtsverzicht gesprochen“, hieß es am Dienstag noch. Am Mittwoch jedoch war alles wieder offen.
Oettinger sorgt für Empörung - Juncker mahnt
Angesichts der Finanzmarkt-Turbulenzen mahnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Respekt für Italien an. "Italiens Schicksal liegt nicht in den Händen der Finanzmärkte", erklärte Juncker. "Italien verdient Respekt." Er sei "überzeugt, dass Italien seinen europäischen Weg weitergehen" werde.
Aus der Pressemitteilung der Kommission ging nicht hervor, was Juncker zu der Erklärung veranlasste. Kurz zuvor hatte EU-Haushaltskommissar Oettinger in einem Interview die Hoffnung geäußert, dass die Finanzmarkt-Turbulenzen ein "Signal" seien, in Italien "Populisten von links und rechts nicht in die Regierungsverantwortung zu bringen". Eine zugespitzte Wiedergabe dieser Äußerung in den Medien löste in Italien große Empörung aus.
Später bat Oettinger um Entschuldigung. Er habe "nicht respektlos" sein wollen, erklärte der Haushaltskommissar. Er respektiere den Willen der Wähler in jedem Land, unabhängig davon, ob sie dem linken oder rechten Lager oder der Mitte angehörten.
dpa, afp