Mega-Erfolg für Greta-Bewegung: Deutsche Politik knickt ein - doch Klimaaktivisten sind noch nicht zufrieden

Im Kanzleramt wurde ein Fahrplan für den Kohleausstieg beschlossen. Die Greta-Bewegung darf einen Erfolg feiern - die Betreiber der Kraftwerke werden mit Milliarden Euro entschädigt.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Ministerpräsidenten der vier betroffenen Bundesländer ins Kanzleramt geladen
- Für den Kohleausstieg ist ein Fahrplan gefunden worden. Kraftwerks-Betreiber erhalten Milliarden-Entschädigung.
- Der Hambacher Forst wird nicht gerodet. Es wird keinen Tagebau dort geben.
Update um 22.10 Uhr: Obwohl am Donnerstag ein Kompromiss beim Kohleausstieg erzielt werden konnte, ist Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die auch als die „deutsche Greta“ gilt, offenbar trotzdem nicht zufrieden. In einem ihrer letzten Twitter-Posts teilte Neubauer mit, was sie vom Fahrplan für den Kohleausstieg hält.
Update vom 16. Januar, 14.40 Uhr: Die Klimaaktivisten glauben nicht an den Kohle-Kompromiss und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) tut es auch nicht - was das Misstrauen der Klimaschützer befeuern dürfte. Schon ließ Sachsens Regierungschef nämlich verlauten, dass er einen Kohleausstieg bis spätestens 2038 noch nicht für entschieden hält. „Es kann sein, dass der eine oder andere Kraftwerksblock auch länger am Netz sein muss", sagte Kretschmer in Görlitz. Dies solle zu den beim Kohleausstieg vorgesehenen Revisionsdaten 2026 und 2029 überprüft werden.
Bisher hatte die Bundesregierung es so kommuniziert, dass an diesen Daten geprüft werden solle, ob ein Ausstieg 2035 schon möglich ist. Kretschmer sagte dazu, nur wenn die Entwicklung mit Blick auf Versorgungssicherheit und Preisstabilität positiv sei, könne der Kohleausstieg wie vereinbart erfolgen. Kretschmer geht sogar noch einen Schritt weiter. Er findet nämlich, dass Deutschland auch einen Wiedereinstieg in die Atomkraft nicht ausschließen sollte. Zwar sei dies in den nächsten zehn bis 15 Jahren kein Thema. Es solle aber die Atomforschung weitergeführt werden, um späteren Entscheidungsträgern auch diesen Weg offenzuhalten.
Es ist geschafft: Der Fahrplan für den Kohleausstieg in Deutschland steht. Es sind aber nicht alle begeistert. Aktuell ist die Grünheide in Brandenburg Streitthema: Ein Verband erreichte per Klage den Baustopp für eine Tesla-Fabrik. Die Politik ist entsetzt und will sich wehren.
Kohle-Kompromiss: Neues Kraftwerk geht ans Netz und altes Kraftwerk läuft länger
Update vom 16. Januar, 10.20 Uhr: Nun sind weitere Details zum Kohle-Kompromiss von Bund und den betroffenen Ländern bekannt: Zu dem Gesamtpaket zählt, dass das neue und umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen des Betreibers Uniper ans Netz gehen soll. Die Politik werde die Inbetriebnahme nicht verhindern, sagte Altmaier. Dies habe auch mit der komplexen Systematik von Entschädigungsleistungen zu tun. Vor allem Umweltverbände hatten die Inbetriebnahme eines neuen Steinkohlekraftwerks bereits scharf kritisiert, weil es angesichts der Klimakrise ein völlig falsches Signal setze.
Das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt soll bis 2034 laufen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte befürchtet, dass Schkopau zugunsten von Datteln früher vom Netz muss, im Gespräch war das Jahr 2026. Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg soll bis Ende 2028 vom Netz gehen.
Update 10.10 Uhr: Betreiber von Kohlekraftwerken bekommen Milliardenentschädigungen für das vorzeitige Abschalten ihrer Anlagen. Finanzminister Olaf Scholz sagte am Donnerstag in Berlin, die Betreiber westdeutscher Kraftwerke erhielten 2,6 Milliarden Euro, Betreiber von Anlagen im Osten 1,75 Milliarden.
Mega-Erfolg für Greta-Bewegung: Deutsche Politik muss einknicken - doch Klimaaktivisten sind nicht zufrieden
Update vom 16. Januar, 10.00 Uhr: Nach heftigen Protesten der Klimaschutz- und Greta-Bewegung zum Erhalt des Hambacher Forstes lenkte die deutsche Politik am Mittwochabend beim Kohlegipfel ein. Ministerpräsident Armin Laschet verkündete nach dem Kohleausstieg-Kompromiss, dass NRW beim Klimaschutz nun Tempo mache. „Wir erhalten den Hambacher Forst dauerhaft und beginnen im Rheinischen Revier mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung, indem wir hier die ersten Kraftwerke vom Netz nehmen und bis 2030 den bei weitem größten Beitrag zur CO2-Einsparung leisten werden“, erklärte Laschet.
Durch diesen Stilllegungspfad werde erreicht, dass der Hambacher Forst im Rheinland nicht für den Tagebau in Anspruch genommen wird - und damit nicht gerodet wird.
Bei einigen Klimaaktivisten überwiegt aber noch das Misstrauen: „Wir haben denen noch nie geglaubt, und fangen jetzt nicht damit an. Die Bagger laufen noch. Die Zerstörung in den Dörfern auch. Es wird weiterhin viel zu tun geben, selbst wenn der Wald bleibt. Lasst euch nicht verarschen - und nicht vertreiben“, postet die Twitter-Seite „Hambi Chaos News“.
Andere Aktivisten sprechen dagegen von einem ersten wichtigen Schritt, wobei ein Kohleausstieg auch schon bis 2035 aus ihrer Sicht zu spät komme für einen erfolgreichen Klimaschutz.
Gipfel mit Merkel: Kohle-Kompromiss gefunden - samt klarem Plan für Hambacher Forst
Update vom 16. Januar, 7.00 Uhr: Bundesregierung und Bundesländer haben sich auf einen Fahrplan für die Stilllegung von Kohlekraftwerken geeinigt. Bei einem Gipfeltreffen im Kanzleramt wurde ein "Stilllegungspfad" für die Braunkohlekraftwerke in Deutschland vereinbart, wie Regierungssprecher Steffen Seibert in der Nacht zum Donnerstag mitteilte. Gemäß der Vereinbarung soll geprüft werden, ob das bislang für das Jahr 2038 anvisierte Ende der Kohleverstromung um drei Jahre vorgezogen werden kann.
Nach Angaben Seiberts wurde der "Stilllegungspfad" von der Bundesregierung vorgelegt. Die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hätten diesem Vorschlag in dem Treffen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugestimmt. Die Bundesregierung wolle diesen Fahrplan mit den Betreibern der Kraftwerke und Abbaustätten vertraglich festlegen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bezeichnete die Einigung als „wichtigen Durchbruch“ für den Klimaschutz. Der CDU-Politiker sagte der dpa: „Wir haben uns auf ein Paket der Vernunft geeinigt, das die verschiedenen berechtigten Anliegen aus Schutz für das Klima, Strukturstärkung für die betroffenen Regionen und Versorgungssicherheit für unsere Industrie zusammenbringt.“
Die Vereinbarung sieht laut Seibert auch vor, dass im Hambacher Forst trotz der erteilten Genehmigung kein Tagebau stattfinden soll. Die Bundesregierung bekräftigte zudem ihre Zusage, die vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländer und Regionen im Zeitraum bis spätestens 2038 mit einer Gesamtsumme von 40 Milliarden Euro zu unterstützen.
Die Bundesregierung will nun laut Seibert den Gesetzentwurf zum Ausstieg aus der Kohleverstromung noch im Januar auf den Weg bringen. Das Gesetzgebungsverfahren solle im ersten Halbjahr 2020 abgeschlossen werden.
Kohleausstieg: Fördergelder schüren „Ost-West-Konflikt“ zwischen betroffenen Bundesländern
Erstmeldung: Berlin - Das Feilschen um den Kohleausstieg kommt voran. Bundesregierung und Braunkohle-Unternehmen sind sich über einen Plan fürs Abschalten der Kraftwerke weitgehend einig, hieß es am Mittwoch aus Verhandlungskreisen. Die vier betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen sollten anschließend im Kanzleramt an Bord geholt werden. Vorab forderten insbesondere die Ost-Länder Sicherheit für ihre Regionen - und warnten vor einem „Ost-West-Konflikt“ beim Kohleausstieg.
Spätestens 2038 soll für den Klimaschutz Schluss sein mit der Stromgewinnung aus Kohle in Deutschland. Dafür hat eine breit besetzte Kohlekommission schon vor rund einem Jahr ein Konzept vorgelegt. Die vier Kohleländer sollen insgesamt 40 Milliarden Euro Hilfen für den Umbau ihrer Wirtschaft und neue Jobs bekommen.
Kohleausstieg: Beim Kohlegipfel fordern Länder feste Zusagen von der Bundesregierung
Für Steinkohle-Kraftwerke soll es zunächst Ausschreibungen geben, so dass Betreiber sich aufs Abschalten gegen Entschädigung bewerben können. Komplizierter ist die Braunkohle, wo es auch um Tagebaue geht. Seit Monaten verhandeln Bund und Betreiber über milliardenschwere Entschädigungen. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, man habe sich weiter aufeinander zubewegt.
Die Kohle-Länder forderten vor dem „Kohlegipfel“ im Kanzleramt verbindliche Zusagen. „Unsicherheit ist das Schlimmste, was uns passieren kann“, sagte Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD). Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) verlangte Klarheit über die Milliardenhilfen für den Strukturwandel und warb für ein Sondervermögen: „So dass das Geld bereit liegt, egal, was passiert“, sagte er. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) machte seine Zustimmung zum Kohleausstieg von der Einhaltung der Zusagen abhängig.
Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser appellierte an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Geld für den Strukturwandel nicht zuzusagen, ohne auch den Kohleausstieg festzuzurren. „Knicken Sie heute Abend nicht vor dem Gebrüll der Ministerpräsidenten nach mehr Geld ohne Leistung ein!“, schrieb er auf Twitter.
Bayern forderte die Kohleländer auf, den Blick für das „rechte Maß“ zu behalten. „Mit den zugesicherten Finanzrahmen gehen wir bereits weit über das hinaus, was man gegenüber den Beschäftigten von anderen Branchen, die ebenfalls mit strukturellen Problemen zu kämpfen haben - zum Beispiel die Automobilindustrie - noch ernsthaft vertreten kann“, sagte Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann (CSU) der dpa.
Kohlegipfel im Kanzleramt: Streit um Steinkohle-Kraftwerk in Datteln
Umstritten war auch, ob das neue Steinkohle-Kraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfahlen ans Netz darf. Es gab Befürchtungen, dass Betreiber Uniper dafür etwa das Braunkohle-Kraftwerk in Schkopau in Sachsen-Anhalt früher abschalten könnte -
(CDU). „Jetzt haben wir einen echten Ost-West-Konflikt“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. Klimaziele müssten erreicht werden, aber fast die gesamte CO2-Ersparnis nach der Wiedervereinigung komme aus Ostdeutschland. Es könne nicht sein, dass man jetzt noch mal bluten“ solle. Aus Verhandlungskreisen hieß es laut dpa, dass Schkopau auf keinen Fall wie befürchtet bereits 2026 vom Netz gehen soll.
„Der Kohleausstieg droht, Ost und West neu auseinander zu treiben“, warnte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Die Milliarden müssten für neue Jobs statt für Entschädigungen der Energiekonzerne ausgeben werden. „Beschäftigte dürfen nicht zu den Verlierern und Konzerne zu den Gewinnern gemacht werden“, sagte er.
Kohleausstieg: Bundesregierung hat bereits hohe Entschädigungssumme zugesagt
Für den Strukturwandel in den Kohleregionen wie der Lausitz und dem Mitteldeutschen Revier mit Tausenden Jobs hatte die Bundesregierung bereits Hilfen von insgesamt mehr als 40 Milliarden Euro zugesagt - etwa für den Bau neuer Straßen und Bahnstrecken oder die Förderung von Firmenansiedlungen. Das Gesetz dazu ist aber noch nicht beschlossen und ist zudem ans Kohleausstiegsgesetz gekoppelt - das wiederum an den Verhandlungen mit den Braunkohle-Betreibern hängt.
Bei den Gesprächen im Kanzleramt soll es auch um Kompensationen für steigende Strompreise und um ein Anpassungsgeld für Kohle-Beschäftigte ab 58 Jahre gehen, die im Zuge des Kohleausstiegs die Zeit bis zum Renteneintritt überbrücken müssen. Beides hatte die Kohlekommission empfohlen.