Das Regierungspräsidium äußert sich zum Fall Sommerlad

Causa Sommerlad: Interview mit Susanne Linnenweber vom Regierungspäsidium Kassel. Regeln der Regionalplanung einhalten.
Fulda aktuell (FA): Frank Sommerlad sagt, das Regierungspräsidium in Kassel (RP) versuche sich von seiner politischen Verantwortung zu drücken...
Susanne Linnenweber (RP): Die Gemeinde Künzell hat bei der Regionalversammlung für das "Vorhaben Sommerlad" einen Antrag auf Abweichung vom Regionalplan gestellt. Das Regierungspräsidium entscheidet aber nicht politisch. Es ist Verwaltungsbehörde und entscheidet ausschließlich auf rechtlichen Grundlagen. In diesem Sinne bearbeitet die Regionalplanung im Regierungspräsidium als zuständige Obere Landesplanungsbehörde den Antrag der Gemeinde Künzell. Die abschließende Entscheidung über die Abweichung von den Zielen der Raumordnung und Landesplanung trifft die Regionalversammlung. Der dafür zuständige Zentralausschuss tagt am 5. September 2016.
FA: Sommerlad behauptet außerdem, Sie als Dezernentin Linnenweber hätten am 5. August in der "Hessenschau" falsche Behauptungen aufgestellt – dergestalt, dass nach der Errichtung des Möbelhauses "von der restlichen Gewerbefläche auch nicht mehr viel für Gewerbe bliebe".
RP: Meine Aussage fasst das Ergebnis der möglichen Ansiedelung nach den vorgelegten Plänen richtig zusammen. Der Abweichungsantrag der Gemeinde Künzell für das Vorhaben der Firma "Sommerlad" umfasst eine Abweichungsfläche von 6,6 Hektar in einer insgesamt elf Hektar großen gewerblichen Bau-fläche, die durch die Bundesautobahn (BAB) 7, die Bundesstraße 458 und die neue südliche (noch zu bauende) Verbindungsspange eingefasst wird. Von dem Gesamtgebiet entfallen ferner Bereiche für die Maßnahmen zum Quellenschutz am Krätzbach sowie der Böschungsbereich der BAB A7. Von dem zusammenhängenden Gebiet verbleiben insgesamt noch rund drei Hektar – und das ist nicht mehr viel im Vergleich zur Ausgangsfläche von elf Hektar. Die ursprünglichen elf Hektar stellen aber eine für gewerbliche Ansiedlungen in der Stadtregion wichtige interkommunale Fläche dar.
FA: Ist die Tür für "Sommerlad" in der Region endgültig zugeschlagen oder gibt es doch noch die eine oder mehrere mögliche Standort-Alternativen?
RP: Im Vorfeld der Antragstellung wie auch während des gesamten Beteiligungsprozesses wurde frühzeitig und immer wieder auf Alternativen verwiesen. Dies auch, weil der "Wunsch-Standort" nicht zustimmungsfähig erschien. Es ist übrigens immer so, dass das Regierungspräsidium dort, wo es um Arbeitsplätze und größere Investitionen geht, den Antragsteller zum frühestmöglichen Zeitpunkt darauf hinweist, wenn der Genehmigung etwas entgegensteht. So war es in diesem Falle auch.
FA: Bedeutet die "angedeutete Ablehnung" des "Sommerlad"-Antrages in einem "Drei-Augen-Vorgespräch" am 20. Juli beim RP das definitive Aus für den Neubau an der A7, oder könnte der Regionale Planungsausschuss am 5. September doch noch einen positiven Bescheid erlassen, wenn die Gemeinde Künzell ihren Abweichungs-Antrag aufrecht erhält?
RP: Der Zentralausschuss der Regionalversammlung entscheidet grundsätzlich selbstständig. Allerdings wird in der überwiegenden Zahl der Fälle den Empfehlungen der Verwaltung gefolgt. Um einen positiven Bescheid zu erlangen, müsste aber auch die Beschlussvorlage entsprechend andere Abwägungen und Entscheidungen treffen und begründen. Weil das Vorhaben auch gegen die Vorgaben des Landesentwicklungsplanes verstößt, müsste auch hier eine Abweichung zugelassen werden. Dies entscheidet die Oberste Landesplanungsbehörde, also das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Energie und Landesplanung.
FA: Warum haben Sie sich nicht mit Nachdruck und Vehemenz für den Erhalt von 130 und die Schaffung von 100 neuen Arbeitsplätzen in der Region Fulda und die Generierung von zusätzlichen Steuereinnahmen eingesetzt?
RP: Das Regierungspräsidium setzt sich stets und oft erfolgreich für die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen ein. Es kann aber nicht die gesetzlichen Regelungen der Landesplanung außer Kraft setzen.
FA: Bietet der Raumordnungsplan nicht Spielraum genug, einem Investor auch "grenzwertige Projekte" – wie in anderen Regierungsbezirken und benachbarten Bundesländern geschehen – zu genehmigen?
RP: Der Spielraum würde Ermessen heißen und voraussetzen, dass hier Spielräume bestehen. Die Regionalplanung, und das umfasst die Behörde wie die Regionalversammlung, hat aber in der Vergangenheit keine vergleichbaren "grenzwertigen" Projekte zugelassen. Das vorgesehene Sondergebiet mit einer Gesamtgröße von 6,6 Hektar widerspricht dem im Flächennutzungsplan der Gemeinde Künzell dargestellten Gewerbegebiet sowie dem im Regionalplan 2009 festgelegten Vorranggebiet für Industrie und Gewerbe. Das Vorhaben entspricht nicht den Zielen der Raumordnung nach einer geordneten Entwicklung. Sondergebiete für großflächigen Einzelhandel sind nur in Vorranggebieten "Siedlung" zulässig. Einrichtungen des großflächigen Einzelhandels mit den entsprechenden Auswirkungen müssen sich außerdem nach Größe und Eigenart in die Versorgungs- und Siedlungsstruktur einfügen. Das ist hier nicht der Fall. Deshalb wurde bereits im vergangenen Sommer bei dem ersten Antrag der Gemeinde Künzell eine ablehnende Beschlussvorlage gefertigt. Die Gemeinde hat daraufhin den Antrag zurückgezogen. Der überarbeitete Antrag wurde am 11. Mai 2016 von der Gemeinde Künzell gestellt. Neu war dabei die Abgrenzung von 2,1 Hektar Gewerbegebiet, in dem Lager, Ladezone etc. angeordnet worden sind. Dies ist aber dem Möbelmarkt zuzurechnen und keine echte, freie Gewerbefläche.
FA: Ist es vielleicht so, dass das RP in Kassel zu weit weg von den Gegebenheiten und Problemen in einzelnen Regionen und Stadtbereichen ist und allein vom Schreibtisch aus (negativ) entschieden wird, ohne die örtliche Situation, speziell hier in Petersberg und Fulda zu kennen?
RP: Die Planer und Planerinnen, die Behördenleitung und auch die aus Vertretern aus der Gesamtregion zusammengesetzte Regionalversammlung entscheiden nicht "vom Schreibtisch", sondern mit Orts-, Sach- und Fachkenntnis. Allerdings bedeutet dies dann auch Entscheidungen in einem größeren Zusammenhang zu sehen, als dies unter Umständen der Standortgemeinde als Antragstellerin möglich und angenehm ist.
FA: Wie begegnen Sie dem Vorwurf, das RP Kassel, explizit das Ressort von Ihnen, Frau Linnenweber, liquidiert ein alteingesessenes Unternehmen und eliminiert die Arbeitsplätze von rund 130 Menschen – einzig und allein deshalb, weil man sich allzu strikt an das kleinste Jota des Gesetzes hält und sich wenig flexibel und entgegenkommend dem Investor gegenüber zeigt?
RP: Ihre Wortwahl "liquidieren" und "eliminieren" unterstellt Vernichtungsabsichten.Die unternehmerische Entscheidung, die Prüfung von allen Alternativen, das Einplanen von Verfahrenszeiten – all das sind strategische Aufgaben und Überlegungen des Unternehmens. Die nun getroffene Entscheidung, vor dem Ablauf des Mietvertrages zum März 2017 aufzugeben ist eine unternehmerische Entscheidung. Für die raumordnerische Entscheidung gilt: Die zahlreichen ablehnenden Stellungnahmen zu dem Vorhaben fordern dazu auf, die allgemeingültigen Regeln der Regionalplanung anzuwenden. Ob die Regeln zu eng oder zu weit sind, kann von der Regionalplanung nicht hinterfragt werden. Diese Regeln zu hinterfragen und sie dann eventuell enger oder weiter zu fassen, wäre eine Entscheidung der Politik.