Nach Tod eines Polizisten: Haftbefehl gegen „Reichsbürger“ erlassen

Georgensgmünd - Am Mittwochabend war es eine Falschmeldung, nun herrscht traurige Gewissheit: Nach den Schüssen eines „Reichsbürgers“ auf Polizisten ist ein Beamter nun gestorben. Alle Entwicklungen im Live-Ticker.
- Ein sogenannter Reichsbürger hat im mittelfränkischen Georgensgmünd auf Polizisten geschossen - vier Beamte wurden verletzt, zwei von ihnen schwer. Wie ein Polizeisprecher sagte, erlitten zwei Polizisten Schussverletzungen. Die anderen beiden wurden bei dem Einsatz anderweitig verletzt.
- Zunächst hatte es bereits am Mittwochabend geheißen, einer der Beamten sei seinen schweren Verletzungen erlegen. Das war allerdings eine Falschmeldung.
- Am Donnerstag in der Früh gab es dann die traurige Gewissheit: Der Mann erlag seinen schweren Verletzungen. „Er ist jetzt tatsächlich verstorben“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfrankens am Donnerstagmorgen.
- Der 49 Jahre alte Schütze hatte sofort das Feuer auf die Beamten eröffnet, als diese in sein Haus eindrangen.
- So erklärt Bayerns Verfassungsschutz-Präsident die Reichsbürger. Der Täter galt als Waffenbesitzer, aber als „nicht zuverlässig“.
+++ Vier Polizisten aus Bayern sind bei den „Reichsbürgern“ aktiv. Dies bestätigte ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber dem Münchner Merkur.
+++ Ist Bayern ein Hauptanlaufpunkt für „Reichsbürger“? Der Münchner Merkur sprach mit dem Präsidenten des Bayerischen Verfassungsschutzes, Burkhard Körner.
„Reichsbürger“ sei „aufgefallen“, aber nicht gefährlich
+++ Ein Richter hat Haftbefehl wegen Mordes gegen den Schützen erlassen. Wie eine Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft am Donnerstag sagte, wird dem selbst ernannten „Reichsbürger“ zudem versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der 49-Jährige äußerte sich bislang weder bei der Polizei noch vor dem Ermittlungsrichter zu den Vorwürfen. Er kommt nun in Untersuchungshaft in das Nürnberger Gefängnis.
+++ Der Bürgermeister von Georgensgmünd sagt, dass der „Reichsbürger“ nicht als gefährlich eingestuft wurde. Er sei wegen seiner Ansichten zwar „aufgefallen“. „Anlass zur Besorgnis gab es aber nicht“, sagte Ben Schwarz (SPD). Im Januar habe der Mann seinen Personalausweis abgeben und seine Staatsbürgerschaft aufgeben wollen. Kurze Zeit später habe der Mann auch seinen Wohnsitz abgemeldet und sei „nach unbekannt verzogen“, obwohl er Eigentümer des Hauses ist und weiter dort wohnte. Auch der Briefkasten sei abmontiert worden. So hätten Gläubiger keine Forderungen mehr an ihn schicken können.
„Im Frühjahr folgte die Abmeldung seines Gewerbes. Das geschah alles in enger zeitlicher Folge“, sagte Schwarz. Der 49-Jährige hatte in dem Ort ein kleines Kampfsportstudio betrieben, in dem er auch Gewaltpräventionskurse angeboten habe. Nach seinen Eindrücken sei der Mann kein völliger Einzelgänger gewesen. „Er hatte wohl ein normales soziales Umfeld“, sagte Schwarz. „Wir haben ihn aber eben für ein bisschen anders gehalten, aber nicht in der Form, dass man reagieren muss.“ Der Mann, der 31 Waffen und einen Jagdschein besaß, habe zumindest im Gemeindegebiet keine Jagdpacht gehabt.
+++ Ein anderer Experter, Dirk Wilking, hat vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft der sogenannten Reichsbürger gewarnt. „Bis vor einigen Jahren waren das nur Spinner, die sich verbal gegen Behörden zur Wehr setzten“, sagte der Experte des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „In den letzten Monaten gibt es aber auch in Brandenburg zunehmend Fälle, in denen „Reichsbürger“ mit Gewalt gegen Gerichtsvollzieher oder auch Richter vorgehen.“
„Wenn in dieser Szene wie in Bayern Jäger oder auch Sportschützen sind, die über Waffen verfügen, dann wird es richtig gefährlich“, warnte Wilking. Bei der zunehmenden Gewaltbereitschaft der „Reichsbürger“ sieht er einen Zusammenhang mit der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung. „Der Staat gilt in diesen Kreisen zunehmend als delegitimiert und dies fördert diese Entwicklung.“
„Ein Drittel von Pegida Nürnberg sind Neonazis“
+++ Der sogenannte Reichsbürger aus dem mittelfränkischen Georgensgmünd war nach Ansicht der Nürnberger Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair ein „extrem Rechter“. Im sozialen Netzwerk Facebook sei der 49-Jährige unter anderem mit einem Mann befreundet, der bei der vom Landesamt für Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Gruppe Pegida Nürnberg regelmäßig als Redner und Organisator auftrete. „Ein Drittel von Pegida Nürnberg sind Neonazis“, sagte Mair am Donnerstag. Der Mann hatte am Mittwoch bei einer Razzia einen Polizisten erschossen und einen weiteren mit einem Schuss schwer verletzt. Zwei Beamte wurden zudem bei dem Einsatz verletzt.
„Für mich sind da auch antisemitische Andeutungen und Verschwörungstheorien über Juden drin“, sagte Mair über das Facebook-Profil des 49-Jährigen. Zudem hat der Mann eine Fotomontage geteilt, auf der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), weitere Mitglieder der Bundesregierung sowie Bundespräsident Joachim Gauck auf einer Anklagebank sitzen. Darüber steht: „Schuldig - hängen!“. Mair sagte: „Mit so etwas sind wir bei den extrem Rechten angekommen.“ Sie wolle den Mann nicht einfach als Spinner abtun. „Sein Facebook-Profil macht keinen verwirrten Eindruck. Das ist ein ganz normales Profil für solche Leute aus der Szene.“
+++ Bayerns Staatsregierung hat sich nach dem Tod des von einem „Reichsbürger“ erschossenen Polizisten zutiefst betroffen gezeigt. „Der Tod des jungen Polizisten im direkten Einsatz für die Sicherheit der Menschen im Freistaat macht mich fassungslos. Ganz Bayern trauert“, sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: „Dieses brutale Verbrechen macht uns alle fassungslos.“ Es sei eine schwere Stunde für die bayerische Polizei und ein schrecklicher Verlust.
Den Angehörigen und Kollegen sprachen Seehofer und Herrmann ihr Mitgefühl und „volle Solidarität“ aus. Die Polizei im Freistaat werde bis zur Beerdigung des 32-Jährigen, der am Mittwoch bei einer Razzia im mittelfränkischen Georgensgmünd von einem 49-Jährigen angeschossen worden war, Trauerflor tragen.
+++ Nach den Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers im mittelfränkischen Georgensgmünd ist ein Polizist seinen Verletzungen erlegen. „Er ist jetzt tatsächlich verstorben“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfrankens am Donnerstagmorgen. Am Mittwochabend hatte die Polizei den Tod des Beamten zunächst noch fälschlicherweise vermeldet.
Das geschah am Mittwoch
+++ Nach den Schüssen eines „Reichsbürgers“ auf Polizisten in Mittelfranken ist ein Beamter doch nicht gestorben, sondern schwebt weiter in akuter Lebensgefahr. Das teilte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Mittelfranken am Mittwochabend mit und entschuldige sich für eine vorige falsche Information. Zuvor hatte die Polizei den Tod des Beamten mitgeteilt.
+++ Nach den Schüssen eines „Reichsbürgers“ auf Polizisten will Bayern allen Anhängern der Gruppierung den Waffenbesitz untersagen. „Wer die deutsche Rechtsordnung ablehnt, der bietet keine Gewähr, ordnungsgemäß mit Waffen umzugehen“, erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch. Angesichts des schweren Vorfalls im mittelfränkischen Georgensgmünd kündigte Herrmann an, die Gruppierung „noch intensiver“ zu überwachen und konsequent unter die Lupe zu nehmen.
Vor allem gehe es darum festzustellen, welche „Reichsbürger“ gefährlich sein könnten. Dazu gehöre auch die sorgfältige Überprüfung, welche „Reichsbürger“ im Besitz von Waffen seien, sagte Herrmann. „Unser Ziel ist, allen „Reichsbürgern“, die legal eine Waffe besitzen, ihre Waffenerlaubnisse zu entziehen.“
+++ Nach den Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers auf Polizisten hat die SPD der Staatsregierung „große Defizite bei der Einschätzung des Gefährdungspotenzials in diesen Gruppierungen und Szenen“ vorgeworfen. Sie verfüge zum Beispiel über kein Lagebild der illegalen Bewaffnung im Freistaat, sagte der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, Florian Ritter, am Mittwoch. „Sie kann dieses Lagebild weder im Allgemeinen noch in Bezug auf bestimmte radikale Szenen, wie die Reichsbürgerbewegung liefern.“
+++ Die Bundesregierung will die Einschätzungen über die Gruppierung der „Reichsbürger“ überprüfen. Der „erschreckende Vorfall“ werde sicher Anlass sein zu schauen, ob die bisherigen Bewertungen Bestand hätten, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch in Berlin. Der Verfassungsschutz beschäftige sich seit längerem mit Reichsbürgern, von denen sehr viele als Einzelpersonen und in Kleinstgruppen aktiv seien.
„Reichsbürger“ war arbeitslos und unauffällig
+++ Der 49-Jährige, der derzeit keiner Arbeit nachging, sei den Behörden bislang nicht aufgefallen, sagte der Rother Landrat Herbert Eckstein: „Bei dem Mann war seitens des Verfassungsschutzes so nichts feststellbar.“ Früher habe er eine Schule für Kampfsport betrieben.
+++ Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert nach den Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers in Mittelfranken ein härteres Vorgehen gegen diese Gruppierung. Bayerns DPolG-Landeschef Hermann Benker verlangte ein bundesweites und behördenübergreifendes Lagebild über die von „Reichsbürgern“ gegenüber Behördenvertretern begangenen Straftaten. Der stellvertretende DPolG-Bundesvorsitzende Ernst Walter verlangte im Fernsehsender N24 eine umfassende Beobachtung der „Reichsbürger“ durch den Verfassungsschutz.
+++ Die Ermittler nehmen sich die Wohnung des Täters vor. Herrmann wünscht viel Glück und allen Polizisten eine gute Genesung.
+++ „Die Reichsbürgerbewegung ist nicht als Vereinigung von Spinnern abzutun“, sagt Herrmann. „Sie verrennen sich in ihrer Ideologie. Wir werden alles tun, um die Menschen vor diesen Leuten zu schützen.“
+++ Teile der Reichsbürgerbewegung werden als rechtsextremistisch angesehen, andere seien weniger extremistisch, meint Herrmann.
Herrmann zur Schießerei mit „Reichsbürger“: Mann hatte 30 Waffen
+++ Es sei eine „bisher so in Bayern nicht gekannte Eskalation“. „Es ist schon dramatisch, wie sich so etwas entwickelt. Wir werden die Reichsbürgerbewegung verstärkt in den Blick nehmen müssen. Sie sprechen dem Staat und der Verfassung den Fortbestand ab“, sagt Herrmann. Ins Visier geraten nun speziell jene Anhänger, die Waffen besitzen und durch extremistische Einstellung aufgefallen sind.
+++ Der 49-Jährige hatte laut Herrmann 30 Waffen Zuhause. Als Schütze und Jäger kam er legal an die Waffen.
Herrmann zur Schießerei mit „Reichsbürger“: SEK-Beamter in Lebensgefahr
+++ Ein Beamter wurde bei dem Schusswechsel lebensgefährlich verletzt und ist auch nach einer Operation noch in kritischem Zustand. Ein weiterer erlitt einen Durchschuss im Oberarm, zwei Beamte zudem leichte Verletzungen. Der Angreifer konnte leicht verletzt festgenommen werden. „Ich bin entsetzt über den Fall“, sagte Herrmann.
+++ Nachdem der 49-Jährige mehrfach den Beamten den Zutritt verweigerte, habe man sich entschlossen, mit Spezialkräften vorzugehen. Nachdem diese in das Haus des Mannes eingedrungen waren, eröffnete er umgehend das Feuer. Die Beamten schossen daraufhin zurück.
+++ Um 6 Uhr Morgens begann der Einsatz der Polizei unterstützt vom Spezial-Einsatzkommando (SEK). Da er trotz Waffenschein den "Eindruck der Unzuverlässigkeit" erweckt habe, sollten die angemeldeten Waffen eingezogen werden.
+++ Der Innenminister tritt vor die Presse.
dpa