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Hillary Clinton: Die Frau mit den zwei Gesichtern

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Von: Sophie Bamler

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Geliebt und gehasst: Die Meinungen über Hillary Clinton sind gespalten - heute mehr denn je zuvor.
Geliebt und gehasst: Die Meinungen über Hillary Clinton sind gespalten - heute mehr denn je zuvor. © AFP

Washington - Hillary Clinton will als erste Frau Präsidentin werden. Die Meinungen über die Demokratin sind vor der US-Wahl 2016 gespalten. Zum Porträt der Kandidatin.

Wird in Amerika von "Hillary" gesprochen, weiß jeder sofort, wer gemeint ist: Der Name der Demokratin, die in diesem Jahr Präsidentin der USA werden will, ist Programm - und das bereits seit vier Jahrzehnten.

1947 wird Hillary Diane Rodham in Chicago geboren. Ihr Vater, ein überzeugter Republikaner, ist der Meinung, dass seine Tochter nicht das damalige Klischee der Frau hinterm Herd erfüllen soll. Schon früh wird Hillary an politische Themen herangeführt: Der Jugendpfarrer ihrer Gemeinde, Don Jones, nimmt sie mit zu einer Rede des Bürgerrechtlers Martin Luther King. Was viele erstaunen wird: Clinton war als Studentin am Wellesley College Präsidentin der Republikaner - jedoch lediglich von der jungen Gemeinschaft der Partei und das auch nur für kurze Zeit: Sie legte das Amt nieder, weil sie an der Politik der Republikaner zweifelte, vor allem in Bezug auf den Vietnamkrieg.

Hillary Rodham verliebt sich in Bill Clinton - und alles kommt anders

1969 schreibt sich Hillary an der Eliteuniversität Yale Law School in New Haven ein, um Jura zu studieren. Dort ist sie eine von 27 Frauen unter 235 männlichen Kommilitonen. An der Universität genießt sie den Ruf einer bedeutenden Aktivistin. Hillary wird in eine Fernsehtalkshow eingeladen und leitet Studentenversammlungen. Während sich manche Kommilitonen den Drogen hingeben und zeitweise an sich selbst zweifeln, verfolgt Hillary stets ein klares Ziel: Sie will Politikerin werden.

Doch dann kommt plötzlich alles anders: Hillary Rodham verliebt sich in Bill Clinton. Er unterscheidet sich von den jungen Männern aus reichen Familien ihrer Universität: Bill stammt aus der Provinz, kommt aus einer kleinbürgerlichen Familie, sein Stiefvater trank und schlug die Kinder. Bill und Hillary führen bald eine Beziehung in perfekter Symbiose: So schreibt sie bei ihrer letzten juristischen Prüfung die Verteidigungsrede, er hält sie.

Bill Clinton kandidiert bei der Präsidentschaftswahl - weil Hillary ihn drängt

Nach ihrem Studium arbeitet Hillary in Washington für den Ausschuss des Repräsentantenhauses. Sie gehört zu dieser Zeit zu den mickrigen 14 Prozent weiblicher Anwälte in den USA. Gerade einmal drei Prozent der Abgeordneten im Kongress sind Frauen. Doch obwohl Hillary Rodham fest entschlossen ist, in dieser Männerdomäne Karriere zu machen, begleitet sie ihren Freund Bill 1974 in die Provinz nach Arkansas, wo er seine Karriere als Politiker beginnt. Jeff Gerth, investigativer Reporter der New York Times, sagt dazu in einem Zeit-Interview: "Hillary und Bill haben damals einen Pakt geschlossen. Gemeinsam wollten sie die Demokratische Partei erneuern, und Bill sollte innerhalb der nächsten 20 Jahre Präsident werden".

1992 wagt Bill Clinton, der zu diesem Zeitpunkt Gouverneur von Arkansas ist, den Schritt: Er kandidiert bei der Präsidentschaftswahl - weil Hillary ihn dazu drängt. Die beiden sind nun schon über ein Jahrzehnt verheiratet, sie genießt die Rolle als First Lady des Gouverneurs. Doch Hillary will noch mehr, vor allem landesweite Bekanntheit. Eine Zeitschrift titelt: "Bill Clinton; Wer ist das?" Wenige Tage später kennt ihn die ganze Welt, jedoch aus weniger erfreulichen Gründen: Bill soll ein Verhältnis zu einer Nachtclubsängerin gehabt haben. Ein Eklat! Doch Hillary verteidigt ihren Mann - öffentlich im TV, vor 50 Millionen Amerikanern. Es wird nicht der einzige Skandal bleiben, der die Ehe der Clintons erschüttert. "Um Bill, sich selbst und ihr eigenes Projekt zu schützen, ist ihr jedes Mittel recht", sagt Gail Sheehy, US-amerikanische Journalistin, über Hillary im Zeit-Interview.

Präsidentschaftswahl 2008: Hillary Clinton zeigt Schwäche - und verliert

16 Jahre später, im Jahr 2008, bewirbt sich Hillary selbst für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Ihr Konkurrent damals heißt Barack Obama. Letztlich zieht Hillary gegen ihn den Kürzeren. Auch weil sie sich im Vorwahlkampf Patzer erlaubt. Bei einer Fragerunde mit Bürgern in New Hampshire fragt eine Frau, wie Hillary das anstelle, sich stets neu zu motivieren. Die damals 60-Jährige stockt, ihre Stimme bricht, es wirkt, als würde sie anfangen zu weinen. Es sei nicht immer leicht, ist Clintons einsilbige Antwort - ein gefundenes Fressen für die Presse: Hillary zeigt zum ersten Mal Schwäche - und verliert. "Wer eine bessere Welt will, darf nicht Hillary Clinton wählen", sagte Investigativ-Reporter Jeff Gerth der Zeit über die verlorene Wahl. 

Acht Jahre später, am 11. September 2016, erlebt Hillary Clinton ein Déjà-vu: Wieder kandidiert sie für die Präsidentenwahl, wieder muss sie Schwäche zeigen: Bei der Gedenkfeier für die Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 verlässt sie plötzlich den Ground Zero, sackt beim Einsteigen in ihr Auto zusammen. Ihre Ärzte geben Entwarnung: nur eine Lungenentzündung. Doch Amerika ist verunsichert. Die wildesten Gerüchte kochen hoch, angetrieben von ihrem Konkurrenten, dem Republikaner Donald Trump. Clinton soll schwer krank sein, dem Amt nicht gewachsen, sie sei nicht ehrlich, würde bei öffentlichen Auftritten von einem Double vertreten werden, ihr Bodyguard sei in Wahrheit ein Psychiater, der Clinton hypnotisiere.

Hillary Clinton: Eine politische Konstante, aber keine Kandidatin der Herzen

Kritiker werfen Clinton nicht nur mangelnde Transparenz im Umgang mit ihrer Krankheit vor, sondern eine grundsätzliche Neigung zur Geheimhaltung. Unter anderem hatte eine E-Mail-Affäre den Wahlkampf überschattet - als Außenministerin hatte Clinton den dienstlichen E-Mail-Verkehr über einen privaten Server abgewickelt und damit gegen geltende Sicherheitsregeln verstoßen. "Sie hat sich mit ihrer strikten Geheimhaltungspolitik vertan", sagt Journalist Carl Bernstein über Clinton in der Zeit.

Doch dann folgt das erste TV-Duell gegen Donald Trump und Hillary Clinton zeigt sich stark wie nie: Sie beweist einen kühlen Kopf und gewinnt nach Einschätzung vieler Beobachter das Rededuell und legt in den Umfragen zu. Viele feiern die 68-Jährige für ihren Biss. Trotzdem: Nur eine Minderheit der Amerikaner hat ein positives Bild von Clinton. Nie ist ein Kandidat mit derart schlechten Umfragewerten Präsident geworden. Hillary ist in den Jahren ihrer Karriere zu einer verlässlichen Konstante der amerikanischen Politik geworden, einer "Politikmaschine", wie der Demokrat Tom Nides sie nennt, sie saß im US-Senat, war Außenministerin des Landes. Doch das scheint nicht zu reichen. 

Hillary Clintons Verbindungen zur Wall Street nagen seit Langem an ihrer Glaubwürdigkeit. Kann sie überhaupt noch zwischen ethischem und unethischem Handeln unterscheiden, fragen sich viele. Einziger Lichtblick in Clintons Wahlkampf ist ihr Konkurrent Donald Trump: Von ihm haben viele Amerikaner ein noch schlechteres Bild als von ihr. Hillary Clinton ist keine Kandidatin der Herzen. Das weiß sie auch und stellt sich im Wahlkampf als Kandidatin der Vernunft dar. Ob diese Strategie am Ende aufgehen wird, zeigt sich bei der Wahl am 8. November 2016.

Hillary Clinton: Ihre politischen Positionen

Abtreibung: Hillary Clinton ist dagegen, das Recht auf Abtreibung abzuschaffen oder einzugrenzen. Frauen sollen selbst entscheiden. Clinton plädiert auch dafür, eine Organisation für Familienplanung, die auch Abtreibungen durchführt, weiter finanziell zu unterstützen.

Arbeitsmarkt: Die Demokratin will den Arbeitsmarkt vor allem über bessere Bezahlung und bessere Ausbildung reformieren. Duale Ausbildungsmodelle nach deutschem Vorbild sollen her. Der Mindestlohn von 7,25 Dollar/Stunde soll auf 12, möglichst sogar auf 15 Dollar steigen. Clinton musste in ihrer Arbeits- und Sozialpolitik viel von Linksaußen Bernie Sanders übernehmen, um dessen Wähler zu halten.

Bildung: Hillary Clinton will vor allem den Zugang zu Universitäten erleichtern. Die immens hohen Studiengebühren sollen für arme Haushalte entfallen. Die Mittelschicht soll zumindest so studieren können, dass die Absolventen der Colleges nicht mit einem Schuldenberg ins Arbeitsleben starten.

Einwanderung: Die rund elf Millionen illegalen Einwanderer in den USA sollen nach dem Willen der Demokratin die Möglichkeit bekommen, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erhalten („Path to Citizenship“).

Freihandel: Hillary Clinton hat sich dem innerparteilichen Druck von links gebeugt und steht dem Transpazifischen Freihandelsabkommen TPP mit zwölf Nationen kritisch gegenüber. Sie werde kein Abkommen unterzeichnen, das schlecht für die USA ist. Das lässt allerdings im Grunde auch alle Türen offen. Möglich, dass Clinton nach der Wahl auf die Linie etwa des Weltwährungsfonds einschwenkt, die Weltwirtschaft durch Freihandel zu stärken.

Gesundheits- und Sozialpolitik: Clinton will das Gesundheitssystem „Obamacare“ beibehalten, entsprechende Leistungen ausbauen. Angehörige, die Familienmitglieder pflegen, sollen ebenso besser unterstützt werden wie Behinderte.

Homo-Ehe: Clinton unterstützt gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Sie setzt sich gegen die Diskriminierung von Homosexuellen ein.

Kampf gegen den Islamischen Staat: Sie will die Luftangriffe gegen den IS intensivieren und moderate Rebellengruppen stärker unterstützen.

Kriminalität / Sicherheit: Clinton wendet sich gegen die Diskriminierung von Schwarzen und will das Justizwesen reformieren. Sie hat sich gegen Masseninhaftierungen und bestimmte Strafen ausgesprochen. Sie kritisiert Rassismus in der Polizei, ist für Körperkameras als Pflicht. Sie wendet sich gegen jedes „profiling“ auf Grundlage ethnischer Merkmale. Das Gefangenenlager auf Guantánamo will sie schließen, Waterboarding als Verhörmethode lehnt sie ab.

Steuern: Die Demokratin will das Steuersystem im Prinzip beibehalten, nur an einigen Stellschrauben drehen. So soll es eine signifikante Steuererhöhung für Besserverdienende über 250 000 Dollar Einkommen im Jahr geben.

Todesstrafe: Clinton unterstützt die Todesstrafe für besonders schwere Verbrechen.

Verhältnis zu Deutschland: Die Demokratin kennt Angela Merkel lange, lobt sie in den höchsten Tönen. Als Außenministerin war Clinton sechs Mal in Deutschland, frei von Spannungen war das Verhältnis aber nicht immer. Sie drängte zu einer Intervention in Libyen, die Bundesregierung wurde davon kalt erwischt. Wenn sie Präsidentin wird, dürfte Berlin dennoch einer der ersten Ansprechpartner der USA in Europa bleiben.

Waffenrecht: Clinton setzt sich klar und eindeutig für strengere Gesetze ein, die den Zugang zu Waffen erschweren. Die Waffengewalt sieht sie als Epidemie. Sie möchte Käufer mehr durchleuchten („background checks“) und die Waffenlobby in den USA eingrenzen. Das Verfassungsrecht auf Waffen einschränken will sie nicht.

Wirtschaft: Hillary Clinton setzt vor allem auf moderne Industrie, darunter Erneuerbare Energien. Weltmarktführer für Erneuerbare könnten in den nächsten Jahren drei Nationen werden: China, Deutschland oder die USA. „Ich möchte, dass wir es werden“, sagt Clinton. In der Wirtschaftspolitik setzt sie sonst eher auf den Status quo, mit moderaten Veränderungen.

sb

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