Kassel - Am 2. Juni wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke erschossen. Nach einem SEK-Einsatz konnte der aktuell tatverdächtige Stephan E. festgenommen werden, gegen den nun Verfahren laufen. Sein Geständnis rief der mutmaßliche Mörder bereits im Juli zurück. Nun will er offensichtlich eine neue Aussage abgeben - und äußerte sich gegenüber dem NDR-Magazin Panorama erstmals öffentlich zu dem Fall.
Der Verteidiger von Stephan E. gab die Fragen des Panorama-Teams an den in Untersuchungshaft sitzenden Tatverdächtigen weiter, woraufhin er seine Antworten aufzeichnete. Eigentlich hatte der Rechtsradikale die Tat Ende Juni gestanden, führte die Ermittler gar zur Mordwaffe. Bereits Anfang Juli hatte er das Geständnis allerdings widerrufen. Laut seinem Anwalt Frank Hanning möchte er nun eine neue Aussage abgeben.
Genaue Details zu dem neuen Geständnis möchte der Verteidiger nicht an das NDR-Team weitergeben. Lediglich zur Richtung äußert er sich: „Man wird kaum davon ausgehen können, dass Herr E. gar nichts mit der Tat zu tun hat“, erklärt der Anwalt im Interview mit Panorama. „Das heißt, die Erwartung, er würde jetzt plötzlich sagen, er war überhaupt nirgendwo dabei, dürfte unrealistisch sein.“
Offensichtlich geht der Verteidiger nun aber von einem anderen Tatgeschehen aus. So soll unter Umständen noch eine zweite Person am Tatort gegenüber der Terrasse von Walter Lübcke gewesen sein, auf die Stephan E. im Interview allerdings nicht weiter eingeht.
Stephan E. nennt gegenüber Panorama nur den Namen von Markus H. aus Kassel, der ihm die Tatwaffe vermittelt haben soll und aktuell wegen Verdacht auf Beihilfe zum Mord ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt. „Er brachte die Waffen ins Spiel, er verknüpfte sie ständig mit politischen Themen. Markus hat sein Umfeld immer aufgestachelt“, sagt Stephan E. und nennt den Kontakt zu Markus H. ein „entscheidendes Verhängnis“.
Der mutmaßliche Mörder wendet sich nun an das NDR-Rechercheteam, da das Bild, welches „in der Öffentlichkeit aufgebaut wurde, so nicht richtig“ sei. Während sich Stephan E. in dem indirekten Interview nicht zum Tatgeschehen selbst äußern möchte, gibt er doch Aufschluss über ein mögliches Tatmotiv. 2015 sei Stephan E. bei einer Veranstaltung mit Walter Lübcke in Lohfelden bei Kassel anwesend gewesen.
Damals stellte der Regierungspräsident die Eckpunkte für eine Erstaufnahme-Unterkunft für Flüchtlinge vor. Nach mehreren Unterbrechungen und provozierenden Zwischenrufen bei der Bürgerversammlung sprach der damalige Kasseler Regierungspräsident über die Werte in Deutschland und ließ den danach viel zitierten Satz fallen: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen.“
Dieser Standpunkt von Walter Lübcke brachte Stephan E. wohl auf, wie er in seinem Statement klarmacht: „Ich war empört. Ich konnte es nicht fassen, dass ein Politiker weiten Teilen der Bevölkerung nahelegt, das Land zu verlassen, weil sie anderer Meinung sind zu dieser Thematik.“ Vier Jahre nach dieser Veranstaltung verstarb Walter Lübcke auf seiner Terrasse durch einen Schuss.
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