Handball WM 2019: Frankreich für Trainer Michael Roth Topfavorit auf Titel

Wer wird am 27. Januar die WM-Trophäe in der Herninger Arena in die Höhe recken? Wir haben diese Frage Handball-Experte und Ex-Bundesliga-Trainer Michael Roth gestellt.
Die Frage nach dem neuen Weltmeister ist die spannendste vor dem Beginn der Handball-Weltmeisterschaft. Für den HNA.de*-Handball-Experten Michael Roth sind die Franzosen der Topfavorit – es wäre der dritte Triumph in Folge.
Der ehemalige Trainer von Bundesligist MT Melsungen zählt außerdem die Spanier zum Kreis der Titelkandidaten. Dänemark, Schweden, Norwegen und Deutschland gehören ebenfalls dazu. Ein Überblick:
Der Titelverteidiger
An Frankreich führt kein Weg vorbei. Der Sieger der vergangenen beiden WM-Turniere steht bei Roth ganz oben auf der Liste. Der 56 Jahre alte Handballlehrer kommt beim Blick auf die Stärken regelrecht ins Schwärmen: „Die Franzosen verfügen über enorme Erfahrung. Sie agieren kompakt und haben mehrere Variationen parat.
Vor allem die individuelle Qualität in der Breite ist beeindruckend. Selbst wenn der Trainer die ersten sechs Spieler auswechselt, hält die Mannschaft ihr Niveau. Frankreich ist auf allen Positionen doppelt gut besetzt und verkörpert das moderne Handballspiel mit verschiedenen Abwehrsystemen und Spielertypen. Das haben die wenigsten Mannschaften.
Darüber hinaus können die Franzosen aus jeder Situation etwas machen. Der eingeleitete Generationenwechsel bereitet keine Probleme.“ Als Achillesferse hat Roth einen Hang zur Überheblichkeit ausgemacht: „Sie neigen mitunter zur Selbstzufriedenheit und sind dann für negative Überraschungen gut. Ihr Selbstverständnis mag zum Teil berechtigt sein, kann aber auch dazu führen, dass Gegner unterschätzt werden.“
In Bezug auf Schlüsselspieler sagt Roth: „Ich bin gespannt, wie sich das Fehlen von Superstar Nikola Karabatic bemerkbar macht. Und ich bin neugierig, wie sich Spielmacher Kentin Mahé weiterentwickelt hat.“
Der Europameister
Im engeren Favoritenkreis befindet sich zudem Spanien. Der EM-Titel 2018 hat bei den Iberern das Selbstvertrauen wachsen lassen. „Die Spanier sind eingespielt, besitzen hohe individuelle Qualität und haben wie die Franzosen auf dem Spielfeld eine unglaubliche Präsenz“, sagt Roth über die Stärken des Europameisters.
Außerdem würden die Spanier flexibel in der Abwehr arbeiten und das Spiel über den Kreis nahezu perfekt beherrschen. Aber: „Wer es schafft, in den Positionskämpfen dagegenzuhalten, hat gute Chancen, das System zu knacken. Dann fällt es den Spaniern schwer, darauf zu reagieren.“ Entscheidend für den Erfolg sind für Roth die Leistungen der Torhüter, zum Beispiel von Gonzalo Perez de Vargas vom FC Barcelona. Ansonsten sei es bei den Spaniern traditionell schwer, den einen Akteur herauszuheben.
Weitere Kandidaten
Neben den heißen Titel-Anwärtern Frankreich und Spanien gibt es für Roth noch drei, vier weitere Kandidaten. Allen voran Dänemark. Der WM-Gastgeber sei ein Paradebeispiel für skandinavischen Handball: eine stabile 6:0-Abwehr plus rasantes Tempospiel. Außerdem sei der Heimvorteil nicht zu unterschätzen. „Der kann allerdings auch zu Verkrampfung führen“, sagt Roth.
Der Experte hat außerdem Schweden und Norwegen auf dem Zettel. Beide Mannschaften seien im Kollektiv überragend. „Bei den Norwegern kann Sander Sagosen den Unterschied ausmachen. Sie könnten die Überraschungsmannschaft des Turniers werden – auch wenn sie schon lange nicht mehr der große Außenseiter sind“, sagt Roth. Allerdings fehle es an Erfahrung.
Nicht zuletzt traut Roth der DHB-Auswahl einiges zu. Deutschland habe in Silvio Heinevetter und Andreas Wolff zwei überragende Torhüter. Außerdem gehöre die Deckung zu den besten Abwehrreihen im Welt-Handball. „Wenn die Mannschaft zu ihrem Tempospiel kommt und ihre Chancen nutzt, ist viel möglich. Sobald sie aber in den Positionsangriff muss, steuert sie auf Probleme zu“, befürchtet Roth. Aber: Zu Hause hat es ja schon einmal für die Nationalmannschaft funktioniert.
Unser Experte: Michael Roth
Michael Roth (56) war fast acht Jahre Trainer von Handball-Bundesligist MT Melsungen. Zuvor war der frühere Nationalspieler Coach in Wetzlar, Großwallstadt und bei Kronau/Östringen. Als Spieler holte er mit der DHB-Auswahl die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 1984. Roth ist geschieden, hat zwei Kinder, ist liiert und lebt nun in Hamburg.
Von Robin Lipke
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