Sorge um den Nachwuchs - „Der Schulsport sollte eine größere Rolle spielen“

Seit 2019 ist Martin Schmitt als Talentscout im deutschen Skiverband für den Bereich Skispringen tätig. Der ehemalige Weltklasse-Skispringer spricht über seine Arbeit im Nachwuchsbereich und die Probleme, mit denen viele Sportarten konfrontiert sind. Zudem bewertet er den aktuellen Zustand des deutschen Skispringens.
Rosenheim - Weltmeister, Gesamtweltcupgewinner, Olympiasieger . . . Kaum ein anderer Deutscher hat das Skispringen geprägt wie Martin Schmitt. Auf diese Expertise wollte auch der Deutsche Skiverband nicht verzichten und verpflichtete den Schwarzwälder 2019 als Talentscout. Dort arbeitet der 43-Jährige mit gut 15 Jugendlichen im Altersbereich 14 bis 17.
„Wir haben eine gute Gruppe von rund 15 Athleten, die wir betreuen und gezielt fördern“, erklärt Schmitt im Podcast „Flugshow“, an dem chiemgau24.de* redaktionell beteiligt ist. Dabei geht Schmitt auch auf den aktuellen Leistungsstand im deutschen Nachwuchsbereich ein.
„Die Ergebnisse bei Junioren-Weltmeisterschaften oder dem Alpen-Cup waren zwar nicht so rosig. Das beunruhigt uns aber nicht. Unser Konzept ist langfristig ausgerichtet. Aber die Rückstände waren zu groß, daran müssen wir ansetzen“.

Große Hoffnung hat er auf den jüngeren Jahrgang. „Die Arbeit mit den Jungs macht sehr viel Spaß. Sie haben sehr gute Grundlagen und bringen das entsprechende Talent mit. Konkrete Namen will ich nicht nennen. Das erzeugt zu viel Druck und hilft den Jungs nicht. Sie sollen in Ruhe trainieren, sich entwickeln und Spaß an ihrem Sport haben“, erklärt Schmitt, der neben seiner Tätigkeit beim DSV auch als Skispringen-Experte für den Fernsehsender Eurosport tätig ist.
„Viele Kinder sind im Bereich Beweglichkeit und Koordination limitiert“
Sorgen macht sich der Gesamtweltcupsieger von 1999 und 2000 um den allgemeinen Zustand der Sportförderung für Kinder in Deutschland. „Wir sehen ganz deutlich, dass viele Kinder im Bereich Beweglichkeit und Koordination limitiert sind. Man merkt sehr stark, dass das Elternhaus und das nähere Umfeld prägend für die sportliche Entwicklung der Kinder sind. Auf den Schulsport kann man sich da nicht mehr verlassen“, sagt Schmitt und präzisiert.
„Der Sport scheint nicht den großen Stellenwert im Lehrplan zu haben. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber die Tendenz ist leider eindeutig. Der Schulsport sollte daher meiner Ansicht nach eine größere Rolle spielen. Dort werden die Grundlagen gelegt, von denen dann auch der Spitzensport und die Gesellschaft im Ganzen profitieren. “
Ach auf Vereinsebene hat sich die Entwicklung talentierter Kinder verändert. „Es hängt bei den Vereinen stark vom Engagement einzelner Personen und auch von der Finanzierung ab. Skispringen ist im Bereich Infrastruktur teurer geworden. Die Österreicher sind uns beispielsweise in Sachen Trainingsanlagen deutlich voraus.“
Dem deutschen Skispringen auf Profi-Niveau stellt der vierfache Weltmeister ein positives Zeugnis aus. „Die letzten Jahre und auch die aktuellen Leistungen sind herausragend. Ob Severin Freund, Richard Freitag, Andreas Wellinger oder aktuell Markus Eisenbichler und Karl Geiger - Die Ergebnisse sprechen für sich. Aber man sieht die rasante Entwicklung im Skispringen, es dreht sich sehr schnell. Deswegen darf man sich auf den aktuellen Erfolgen nicht ausruhen“, bilanziert Schmitt.
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Der Team-Olympiasieger von 2002 ergänzt: „Die erste Mannschaft war sehr gut und erfolgreich, aus der zweiten Reihe kam aber zu wenig. Daran muss man gezielt arbeiten. Der Druck von unten ist extrem wichtig für den A-Kader, so entstehen dann entsprechende Dynamiken“.
Alle weiteren Ausführungen und Verbesserungsvorschläge gibt es ausführlich im Podcast „Flugshow“, zu dem es hier geht.
Quelle: chiemgau24.de
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