Zehn Tote durch Luftangriff in Kabul: US-Militär wurde kurz zuvor von CIA gewarnt
Das US-Militär erntet seit Wochen Kritik für das Chaos beim Abzug aus Afghanistan. Nun wurde eingeräumt, dass ein Drohnenangriff Unschuldige traf. Zuvor gab es offenbar eine Warnung.
Update von Sonntag, 19.09.2021, 6.30 Uhr: Das US-Militär wurde offenbar, kurz bevor der Luftschlag in Kabul ausgeführt wurde, von der CIA gewarnt. Das berichtet der TV-Sender CNN – und verweist darauf, dass der US-Geheimdienst das wohl wenige Sekunden vor dem Angriff auf ein Auto anmerkte. Wie bekannt wurde, stand der Wagen in keinem Zusammenhang zu IS-Anschlägen in Afghanistan. In der Warnung hieß es demnach, dass sich im Auto wahrscheinlich Zivilistinnen und Zivilisten befinden.

Durch den Luftschlag starben zehn Menschen. Die USA bezeichneten das als „tragischen Fehler“ (s. Erstmeldung). Warum das US-Militär die Attacke dennoch ausführte, ist unklar. Von offizieller Seite aus wurde der CNN-Bericht noch nicht kommentiert.
Erstmeldung von Samstag, 18.09.2021, 8.00 Uhr: Washington D.C. – Zum viel kritisierten Abzug der US- und Nato-Truppen aus Afghanistan* während der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban* hat das US-Militär einen weiteren Fehler eingeräumt. Bei einem Drohnenangriff in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, seien nach Angaben der Militärführung in den USA* statt Gefährdern der Gruppierung Isis-K „bis zu zehn Unschuldige“ ums Leben gekommen, darunter sieben Kinder. Das räumte General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando Centcom führt, am Freitag (17.09.2021) ein.
Der General bezeichnete den Drohnenangriff auf ein Fahrzeug, das man fälschlicherweise als Bedrohung durch den IS-Ableger ausgemacht habe, als tragischen Fehler. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach den Familien der Getöteten sein Beileid aus und erklärte: „Wir entschuldigen uns und werden uns bemühen, aus diesem schrecklichen Fehler zu lernen.“ Er habe angeordnet, zu untersuchen, inwiefern Abläufe bei künftigen Drohnenangriffen womöglich geändert werden müssten.
Afghanistan: Drohnenangriff durch US-Truppen in Kabul – Es gab keine unmittelbare Bedrohung
Der Drohnenangriff war die Reaktion auf einen Terroranschlag durch die Terrormiliz IS, bei der am Flughafen Kabul über 180 Menschen ums Leben kamen. Bei einem Vergeltungsschlag hatten die US-Truppen zunächst bei einem Drohnenangriff in der afghanischen Provinz Nangarhar nach eigenen Angaben zwei ranghohe Vertreter von Isis-K getötet. Dann kam es am 29. August zu dem Drohnenangriff unweit des Flughafens in Kabul, über den zunächst berichtet wurde, in dem zerstörten Fahrzeug habe sich „eine große Menge Sprengstoff“ befunden.

Medien hatten bereits kurz nach diesem Luftanschlag berichtet, dass mehrere Zivilistinnen und Zivilisten bei der Drohnenattacke ums Leben gekommen seien. Die USA hatten dies nicht direkt zurückgewiesen, sondern eine Prüfung angekündigt. McKenzie sagte ausdrücklich: „Ich bin heute hier, um das geradezurücken und unseren Fehler einzugestehen.“ Er betonte: „Dieser Schlag wurde in dem ernsten Glauben ausgeführt, dass er eine unmittelbare Bedrohung unserer Streitkräfte durch die Evakuierten auf dem Flughafen verhindern würde, aber das war ein Fehler.“ Das US-Militär bedaure dies zutiefst.
Afghanistan: Kein überstürzter Angriff – USA erwägt nach Drohnenangriff Entschädigungszahlung
Minutengenau legte McKenzie bei seinem Auftritt die Abläufe in den Stunden vor dem Luftschlag dar und präsentierte eine Karte, auf der die Bewegungen des getroffenen Autos nachgezeichnet wurden. Es habe sich nicht um einen „überstürzten Angriff“ gehandelt, betonte er. Man habe das Fahrzeug zuvor acht Stunden lang beobachtet und sei sehr besorgt gewesen, dass es sich in Richtung Flughafen bewegte. Die Amerikaner rechneten dort in den letzten Tagen vor dem Abzug des US-Militärs mit weiteren Anschlägen.
McKenzie entschuldigte sich für die dramatische Fehleinschätzung, verteidigte den Drohnenangriff aber mit der vermuteten Bedrohung und betonte, es habe sich um einen Selbstverteidigungsschlag gehandelt. Auf Nachfrage sagte der General, man erwäge Entschädigungszahlungen. Konkreter wurde er nicht. Er betonte aber: „Als Kommandant bin ich voll verantwortlich für den Angriff in seinem tragischen Ausgang.“ Die letzten US-Truppen hatten Kabul Ende August, also kurz nach dem Drohnenangriff, verlassen. Damit endete der internationale Militäreinsatz in Afghanistan nach fast 20 Jahren. Die Regierung von Präsident Joe Biden* war wegen des Truppenabzugs und der chaotischen Umstände international bereits massiver Kritik ausgesetzt. (ska/tu) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA