Zwei Polizisten überfahren: Täter stand womöglich unter Drogen

Müllrose - Ein junger Mann soll in Brandenburg seine Oma getötet haben. Er ergriff die Flucht - und überfuhr dabei zwei Polizisten. Mittlerweile konnte er gefasst werden. Die neuen Details zum Fall:
Der Fluchtwagen steckt im Feld fest, rund 20 Meter von der alten Allee entfernt. Direkt hier am Ortsrand von Oegeln im brandenburgischen Kreis Oder-Spree hatte die Polizei einen mutmaßlichen Gewaltverbrecher stoppen wollen. Doch der Täter weicht aus, will über einen Radweg flüchten - und überfährt die beiden Beamten. Beide Polizisten sind auf der Stelle tot. „Der schien, als wenn er voll unter Stoff stehen würde“, sagt Anwohner Christian Stockenberg.
Täter stand womöglich unter Drogen
Am Dienstag in Potsdam bestätigte Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke, dass der

Mann womöglich unter Drogen stand. Dafür habe es einen Hinweis gegeben.
Zudem ist der 24-Jährige vorher bereits mehrfach als Gewalttäter aufgefallen. Er sei bereits unter anderem wegen Raubes, Körperverletzung, Bedrohung, Fahrens ohne Führerschein und Diebstählen verurteilt worden, sagte der zuständige Oberstaatsanwalt Helmut Lange am Dienstag. Die Polizei kannte ihn auch wegen Drogendelikten. Nach Angaben der Ermittler ist der Mann derzeit noch nicht vernehmungsfähig. Er soll in der Nähe von Frankfurt (Oder) zuerst seine Großmutter umgebracht und dann auf der Flucht zwei Polizisten totgefahren haben. Er wurde später festgenommen.
Der Ablauf der Tat
Wie kam es dazu? Nach ersten Ermittlungen hatte der 24-Jährige seine Oma in ihrem kleinen Haus in dem nur zwölf Kilometer entfernten Müllrose getötet. Das kleine Haus mit gelben Mauern und einem roten Dach macht einen freundlichen Eindruck, ist sehr gepflegt. In den Fenstern hängen weiße Ornamente.
Am Straßenzaun flattert am Dienstag das weiß-rote Absperrband der Polizei. Kriminaltechniker der Spurensicherung mit weißen Schutzanzügen und schwarzen Koffern betreten an dem sonnigen Tag das Haus, um Spuren eines Gewaltverbrechens zu sichern. Alles wird genau untersucht, die Leiche wird zunächst nicht herausgebracht.

Nach Ermittlungen der Polizei hatte der Enkel nach der Tat den Wagen der Oma genommen, um zu flüchten. Die alarmierte Polizei löst eine Großfahndung aus. Die dicken Bäume am Straßenrand bei Oegeln bilden eigentlich optimale Möglichkeiten, um einen Autofahrer anzuhalten. Die Beamten legen ein Nagelbrett quer über die Fahrbahn. „Der 24-Jährige hat jedoch mit seinem Auto voll auf die Polizisten draufgehalten, die sich auf dem Radweg neben der Straße in Sicherheit gebracht hatten“, sagte Mörke. „Das zeigt, mit welcher Skrupellosigkeit und mit welcher Gewalt dort gehandelt wurde.“
Nach Angaben von Innenminister Karl-Heinz Schröter waren die Beamten 49 und 52 Jahre alt. „Es waren sehr erfahrene Kollegen, die seit 1991 beziehungsweise seit 1995 im Dienst der Brandenburgischen Polizei waren“, sagte der SPD-Minister.
Beide hinterließen jeweils eine Ehefrau und drei Kinder. „Wir werden alles tun, um das Leid der Familien zu lindern“, versprach Schröter. „Aber wir können den entsetzlichen Vorfall nicht ungeschehen machen.“ Seit 1990 sei zuvor ein Polizist im Dienst ermordet worden, sagte der Minister. Im August 1995 wurde der 46-jährige Martin Heinze von einem Einbrecher erstochen.
Der Wagen des Mannes sei zum Stehen gekommen, nachdem er die beiden Beamten überrollt hatte, berichtete Mörke. Anschließend rannte der Täter in das nahegelegene Dorf Oegeln und kaperte ein weiteres Fluchtfahrzeug. Mit diesem baute er wenig später einen weiteren Unfall, floh erneut zu Fuß und wurde schließlich festgenommen.
Der Mann habe sich bei dem Unfall verletzt und sei derzeit nicht vernehmungsfähig, sagte Mörke. Auf seiner Flucht hatte der 24-Jährige mindestens drei weitere Unfälle verursacht. Dabei blieb es aber bei Blechschäden.
„Ich habe den Krach heute Nachmittag gehört und mich erst gar nicht mehr aus dem Haus getraut“, erinnert sich Rentner Rudi Zucker.
Politiker reagieren bestürzt
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), den die Nachricht während der Kabinettssitzung erreichte, reagierte bestürzt. „Der Tod der zwei Polizisten hat mich schwer getroffen“, sagte Woidke. „Meine Anteilnahme gilt den Angehörigen.“
Auch der Landeschef der oppositionellen CDU, Ingo Senftleben, zeigte sich schockiert: „Wir trauern um die beiden Polizisten, die im Dienst für Brandenburg ums Leben gekommen sind“, sagte Senftleben. „Unsere Gedanken und Gebete sind bei ihren Angehörigen und Kollegen.“
Innenminister Schröter forderte in Potsdam eine Verschärfung der Gesetze. „Die Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte nimmt stetig zu“, sagte Schröter. „Wir müssen unsere Ordnungskräfte besser vor Gewalttätern schützen.“
Der Ort, wo die beiden Polizisten starben, ist am Nachmittag weiträumig abgesperrt. Die kleine Ortschaft Oegeln mit rund 180 Einwohnern erscheint wie verwaist. Eine Anwohnerin sagt nur: „Um Gottes Willen, die armen Polizisten.“ Und Rentner Zucker sagt nur noch: „Die Welt ist restlos verrückt geworden.“
Trauerflor an Polizeiautos
Auch die Polizei Nordrhein-Westfalens trauert um die beiden getöteten Kollegen. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ordnete Trauerflor an, der bis zum Tag der Beisetzung der beiden Polizisten an den Funkstreifenwagen sichtbar sein werde. „Wir sind in Nordrhein-Westfalen mit unseren Gedanken bei unseren brandenburgischen Freunden. Unsere Anteilnahme gilt den Angehörigen und Kollegen der Opfer dieser schrecklichen Gewalttat“, wurde Jäger in einer Mitteilung vom Dienstagabend zitiert.
dpa