Zweite Corona-Welle „schlimmer als zuvor“ - Söder warnt und wettert gegen Lockdown-Kritiker
Der am Mittwoch beschlossene Teil-Lockdown in Deutschland hat Zweifel auf den Plan gerufen. Markus Söder wettert gegen Kritiker der neuen Corona-Regeln.
- Die neuen Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern stoßen auf Kritik.
- Allerdings könnten noch weitereichendere Einschränkungen folgen.
- Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wettert gegen die Lockdown-Kritiker.
Update vom Freitag, 30.10.2020, 15.46 Uhr: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat in einer Regierungserklärung den Lockdown in Deutschland aufgrund der rasant steigenden Corona-Zahlen verteidigt. Die Lage sei ernst und werde jeden Tag ernster, betonte er und warnte: „Die zweite Welle ist da, und sie ist, wenn wir ehrlich sind, schlimmer als zuvor.“
Die Entwicklung in Deutschland bezeichnete Söder als „besorgniserregend“, das Infektionsgeschehen weite sich sprunghaft aus. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, können Sie sich ausrechnen, was passiert.“ Kritik an den neuen Corona-Regeln kann Söder nicht verstehen. „Wie viele Tote müssen wir akzeptieren? Gibt es eine Grenze, ein Limit, wer legt das fest?“, polterte er. „Ich bin entsetzt über eine solche Debatte.“

Corona in Deutschland: Klagewelle gegen Maßnahmen befürchtet - Steuererhöhungen im Gespräch
Erstmeldung vom Freitag, 30.10.2020, 11.38 Uhr: Berlin – Die Corona-Neuinfektionen erreichen in Deutschland regelmäßig neue Höchstwerte. Am Freitag registrierte das Robert Koch-Institut 18.681 Neuinfizierte. Damit ist beinahe ein Wert erreicht, vor dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für Weihnachten gewarnt hatte. Die Ausbreitung des Virus geht folglich sehr viel schneller von statten, als ursprünglich angenommen.
Daher haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten am Mittwoch (28.10.2020) einen teilweisen Corona-Lockdown für Deutschland im November beschlossen. Trotz der schnell steigenden Infektionszahlen gibt es Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Unterfangens.
Juristen üben Kritik an neuen Corona-Maßnahmen
So rechnet der Staatsrechtler Ulrich Battis in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ mit einer „hohen Anzahl an Klagen“. Er verweist auf die bereits von Gerichten gekippten Beherbergungsverbote und Corona-Sperrstunden. Battis geht davon aus, dass es schon in der kommenden Woche entsprechende Entscheidungen geben könnte. Aber: „Dass der gesamte Lockdown von Gerichten gekippt wird, erwarte ich aber nicht“, sagte Battis.
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP und Jurist Wolfgang Kubicki übt in der „Passauer Neuen Presse“ scharfe Kritik an den Corona-Beschlüssen von Bund und Ländern. Er rechnet sogar damit, dass die Maßnahmen in Gänze vor Gerichten nicht bestehen könnten: „Die Beschlüsse bleiben von solch einer bemerkenswerten Widersprüchlichkeit, dass nur fraglich erscheint, wann das erste Gericht sie kippt und nicht ob.“ Bereits hatte es Kritik diverser Verbände aus der Wirtschaft an den Corona-Maßnahmen gegeben.
Landeskabinette beraten über Corona-Regeln - Bürger:innen unterstützen Entscheidung
Derweil wollen viele Länderchefs, die neuen Corona-Maßnahmen mit ihren jeweiligen Landeskabinetten umzusetzen. Die Regierungen von Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland und Sachsen sollen dafür zusammenkommen. In Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen hatten die Landesregierungen schon am Donnerstag entsprechende Verordnungen erlassen. Auch in den Landtagen sollen die neuen Corona-Verordnungen Thema sein. In Bayern und Rheinland-Pfalz sind entsprechende Regierungserklärungen geplant.
Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger ist trotz der Kritik von den Corona-Maßnahmen überzeugt. In einer repräsentativen Umfrage des Instituts Forsa für RTL und n-tv sprachen sich 50 Prozent für die strikten Maßnahmen aus, 16 weitere Prozent wünschten sich noch strengere Regelungen. 33 Prozent sind der Ansicht, dass die Corona-Bestimmungen zu weitreichend sind.
Weitreichendere Corona-Regeln laut Experten möglich
Weitreichendere Maßnahmen könnte es nach Ansicht des Leiters der Infektiologie des Uniklinikums Köln und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, Gerd Fätkenheuer, tatsächlich geben. Fäktenheuer will auch einen echten Lockdown mit Ausgangssperren zur Eindämmung des Coronavirus nicht ausschließen. Gegenüber der „Rheinischen Post“ zeigte er sich optimistisch, dass ein solcher Lockdown nicht notwendig werde. Aber die Möglichkeit bestehe, wenn in den kommenden 10 bis 14 Tagen keine Wende bei den Infektionszahlen abzusehen sei. Dann müsse nachgelegt werden, so der Wissenschaftler.

Merkel gegen erneute Grenzschließungen in Europa wegen der Corona-Pandemie
Eine gänzlich andere Corona-Maßnahmen wollte dagegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausschließen. Sie sprach sich am Donnerstag bei einem EU-Videogipfel gegen eine erneute Schließung von Grenzen innerhalb der EU aus. Regierungssprecher Steffen Seibert ergänzte: „Gerade für Deutschland als Land in der Mitte Europas ist es wichtig, dass die Grenzen offen bleiben“, nur so könne ein funktionierender Wirtschaftskreislauf gewährleistet bleiben. Einige Länder hatten – wie in der ersten Welle der Corona-Pandemie – bereits ihre Grenzen wieder weitestgehend geschlossen. Ungarn lässt kaum noch Ausländer herein, eine Einreise nach Dänemark ist nur noch mit „triftigem Grund“ möglich.
Diskussion um Steuererhöhungen nach der Corona-Pandemie
Ebenfalls ausschließen wollte Merkels Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Erhöhung von Steuern. Das sagte Altmaier gegenüber der „Bild“-Zeitung. Steuererhöhungen seien „Gift für die Wirtschaft“ und deshalb mit ihm auch in den nächsten vier Jahren nach der Bundestagswahl nicht zu erreichen. Anders sieht es dagegen der finanzpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Lothar Binding: „Die Menschen, die gut durch die Krise gekommen sind, sollten dem Staat nach der Krise helfen, wieder auf die Beine zu kommen“, sagte Binding ebenfalls in der „Bild“. Der Bund will weitere 10 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um die Umsatzverluste von Unternehmen durch die Corona-Pandemie im November auszugleichen. Besonders Gutverdiener könnten laut Binding ein steuerliches Zeichen der Solidarität setzen.
Am Mittwoch (28.10.2020) hatten Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder neue Corona-Maßnahmen verkündet. Unter anderem sind für den gesamten November Schließungen in der Gastronomie und dem Übernachtungsbereich vorgesehen. Außerdem werden Kontakte in der Öffentlichkeit beschränkt und „körpernahe Dienstleistungen“ sollen nicht mehr angeboten werden. (Marcel Richters mit dpa)