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„Wunder von Madrid“: Corona-Zahlen sinken trotz voller Bars und Restaurants - Experte äußert Verdacht

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Von: Veronika Silberg

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Vom Epizentrum zum Vorbild: Die plötzlich abfallenden Corona-Zahlen in Madrid stellen Forscher vor ein Rätsel. Medien feiern das „Wunder von Madrid“.

Madrid - Bisher schienen uns aus der spanischen Hauptstadt eigentlich nur Hiobsbotschaften zu erreichen. Im September hatte Madrid noch 40 Prozent aller Coronavirus-Neuinfektionen Spaniens zu verzeichnen. Am 25. September riegelte die Regionalregierung Madrid komplett ab. Das Wohnviertel durfte nur noch für Arbeit, die Schule oder den Besuch beim Arzt verlassen werden. Am 26. Oktober rief die spanische Regierung schließlich den nationalen Gesundheitsnotstand aus.

Corona in Spanien: Madrid kehrt zur Normalität zurück - wie das?

Was ist seitdem passiert? Mit einem Blick auf die madrilenischen Terrassen, trauen viele Spanier ihren Augen nicht. Denn während der Rest des Landes noch kämpft, scheint das einstige Epizentrum schon wieder zur Normalität zurückzukehren. Während der Lockdown light in Deutschland die Türen von Gastronomie und Kultureinrichtungen geschlossen hält, tummeln sich in den Restaurants der spanischen Hauptstadt die Gäste, die Bars sind bis Mitternacht voll. Dessen ungeachtet, sinken die Infektionszahlen des Coronavirus in Madrid weiter ab. Die sogenannte 14-Tage Inzidenz* liegt inzwischen unter der von Berlin und anderen europäischen Hauptstädten*. Von 813 Infektionen pro 100.000 Einwohner ist dieser Wert Anfang der Woche auf 328 gesunken.

„Das Wunder von Madrid“ - Forscher rätseln über die Coronavirus-Zahlen in Spanien

Aber wie kann das sein? Begeistert schreibt El Mundo vom El Miagro, dem „Wunder von Madrid“. Was macht Madrid richtig? „Das ist die Millionenfrage“, sagt der Epidemiologe José Jonay Ojeda der spanischen Tageszeitung. Zwar warnt der Experte davor, zu vorschnelle Schlüsse zu ziehen, eine Antwort hat er aber trotzdem: Antigentests. Von denen kaufte die Regierung in Madrid vor zwei Monaten um die fünf Millionen Stück. Eine massive Testoffensive wurde gestartet. „Das war eine richtige Entscheidung. Damit kann man ansteckende Fälle einfacher, billiger und schneller diagnostizieren. Man kann Infizierte also auch früher isolieren“ erklärt Ojeda. Zwar seien die Antigentests nicht so sensibel wie die PCR-Tests*, nicht-entdeckte Infektionen wären aber Einzelfälle.

Neben dieser Corona*-Testoffensive setzte Madrid auf die einzelne Abriegelung kleinerer Bezirke. Hat ein Bezirk besonders hohe Fallzahlen, wird die Sperrstunde auf 22.00 Uhr vorgezogen, Parks und Spielplätze bleiben geschlossen. Auch das scheint zu funktionieren. Zehn der bisher 32 gesperrten Bezirke sind bereits wieder entriegelt worden, weil sich die Infektionszahlen halbiert hatten. Auch die „Eigenverantwortung“ wird von madrilenischen Medien als Grund für „das Wunder von Madrid“ betont. Der Schock und die traumatischen Erlebnisse mit dem Coronavirus* im Frühjahr, halte viele Spanier in ihren Wohnungen.

Corona in Spanien: Präsidentin Isabel Díaz Ayuso freut sich nach Kritik über positive Entwicklung in Madrid

Eine wird sich über das „Wunder von Madrid“ allerdings besonders freuen: Die Präsidentin der Regionalregierung in Madrid Isabel Díaz Ayuso wurde zuvor von allen Seiten hart kritisiert. Auf spanischen Titelseiten wurde ihr Hilflosigkeit und Tatenlosigkeit vorgeworfen, ihre politische Zukunft schien bereits besiedelt. Sie widersetze sich dem medizinischen Rat und ließ Geschäfte und Gastronomie offen, „minimalinvasis“ nannte sie das. Jetzt zeigt sich Ayuso demonstrativ. Der Rest des Landes solle ihrem Beispiel folgen. Ob Madrid aber wirklich als Präzedenzfall für Europa* gewertet werden kann, wird sich erst noch zeigen.

Madrid: Isabel Diaz Ayuso, Präsidentin der Regionalregierung von Madrid, spricht während einer Sitzung des Regionalparlaments der spanischen Hauptstadt.
Vor Gericht gewann Isabel Diaz Ayuso den Kampf um „minimalinvasivere“ Corona-Maßnahmen. Anfang Oktober kippte die Justiz die Zwangsabriegelung von Madrid durch die Zentralregierung. © Joaquin Corchero/dpa/picture alliance

Corona in Spanien: Informations-Lücke oder wirksame Maßnahmen? - Kritik an der Regierung in Madrid

Denn die optimistischen Zahlen rufen auch Zweifel hervor. Da sich die Konkurrenz zwischen Barcelona und Madrid bekanntlich nicht nur auf den Fußball bezieht, sind Zweifel aus dem katalanischen Süden nicht überraschend.  „Wir stellen den Optimismus in Madrid in Frage. Es ist klar, dass es dort einen Informations-Blackout gibt“, erklärte der regionale Gesundheitsminister Marc Ramentol der spanischen Tageszeitung El Mundo. Auch, dass Madrid die Zahl der PCR-Tests auf ein Drittel heruntergefahren hat und auf Antigentests umgestiegen ist, kann Grund zur Skepsis sein. Schließlich sind diese deutlich ungenauer.

Trotzdem sprechen wenn nicht die Fallzahlen, dann doch die Krankenhauszahlen für sich. Statt 2500 täglichen Aufnahmen im September, wurden am Donnerstag beispielsweise nur noch 238 neue Coronavirus-Fälle* aufgenommen. Vielleicht ist am „Wunder von Madrid“ also tatsächlich etwas dran.

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