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Recherche hinter Gittern: Er ist Reporter einer Knast-Zeitung

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Gefängniszeitung «KlickKlack»
Ein Mitarbeiter der Gefängniszeitung "KlickKlack" sitzt am 02.03.2017 in Mannheim (Baden-Württemberg) in der Justizvollzugsanstalt im Redaktionsraum vor einem Computer. © dpa

Mannheim - Der freie Zugang zu Quellen ist für Journalisten in Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Aber es gibt auch Zeitungsmacher, die können nicht einfach zum Hörer greifen oder eine E-Mail schreiben. Sie sitzen im Gefängnis.

Die Redaktion der „KlickKlack“ ist nicht größer als manches Wohnzimmer. Auf 20 Quadratmetern flackern Monitore, Computer summen leise. In der Luft liegt der Geruch von Kaffee. Aber die Kellerfenster in dem unterirdischen Büro sind vergittert, einen Internetzugang gibt es nicht. Aus Sicherheitsgründen wird die Gefangenenzeitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim offline produziert.

„Eigentlich ist die „KlickKlack“ das einzige echte Sprachrohr der Häftlinge“, sagt Sven Möller. Er ist einer der sechs Häftlinge, die an den vier Ausgaben im Jahr mitarbeiten. Sven Möller ist nicht der richtige Name des 40 Jahre alten Häftlings. Der gelernte Industrieelektroniker wird bald aus dem Gefängnis entlassen und will er seinen echten Namen lieber nicht nennen.

Eine der ältesten Gefangenenzeitungen Deutschlands

Für drei Euro ist das Magazin am Kiosk der JVA erhältlich. Es erscheint seit 1976 und ist eine der ältesten Gefangenenzeitungen Deutschlands. Bis vor einigen Jahren hieß das Blatt „Die Klette“. Wie bei der Theatergruppe oder beim Kirchenchor, gilt auch die Arbeit in der Redaktion als sinnvolle Freizeitbeschäftigung.

Nach Angaben des Justizministeriums in Stuttgart wird die Zahl der Gefangenenzeitungen im Land nicht gesondert erfasst. Sicher sei, dass es sie in vielen Justizvollzugsanstalten gibt. Auch beim Bundesjustizministerium in Berlin ist nicht herauszufinden, wie viele Magazine es in deutschen Gefängnissen gibt.

Themen der „KlickKlack“ sind etwa die Überbelegung der JVA oder Wartezeiten am Landgericht. Tipps zum Krafttrainig werden ebenso von der Redaktion geliefert wie Kochrezepte. Bei Umfragen kommen auch Häftlinge zu Wort. Die größte Justizvollzugsanstalt Baden-Württembergs ist ein Universum für sich. Hier arbeiten etwa 350 Gefangene in zwölf verschiedenen Betrieben. Es gibt eine Metzgerei, eine Bäckerei. Auch Garten- oder Büromöbel stellen die Gefangenen in Mannheim her.

Wie alle Einrichtungen in einer JVA, unterliegt auch die Gefangenenzeitung dem Anstaltsrecht, daher gilt das Presserecht nur zum Teil. Die Anstaltsleitung kann also in bestimmten Fällen ihr Veto einlegen, etwa wenn bei einem Beitrag die Grenzen des guten Geschmacks überschritten oder kontroverse Themen sehr einseitig dargestellt werden. „Das ist vielleicht nachvollziehbar. Ein Problem bleibt es aber. Denn auf diese Weise können auch leicht unbequeme Themen ausgeklammert werden“, sagt Sven und lacht gequält.

„Einfach mal schnell telefonieren geht nicht“

Wie aber recherchieren die ehrenamtlichen Mitarbeiter ihre Geschichten ganz konkret? „Einfach mal schnell telefonieren oder etwas im Internet prüfen ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich“, sagt Miriam Wolf. Die Sozialarbeiterin der JVA kommt beispielsweise ins Spiel, wenn die Gefangenen in dem kleinen Redaktionsbüro nicht weiterkommen und nur sie mit einem Anruf nach draußen helfen kann. Die Journalisten hinter Gittern nutzen auch Tageszeitungen, Magazine oder Radiosendungen, um an Informationen von draußen zu kommen. „Wir sind weitgehend abgeschottet. Das macht die Arbeit nicht einfach“, sagt Markus, der mehrmals in der Woche bei der „KlickKlack“ arbeitet.

„Wir versuchen natürlich über Vorgänge zu berichten, die uns als Gefangene besonders beschäftigen“, sagt der 42-Jährige, der wegen einer größeren Drogengeschichte in der JVA einsitzt. Auch er heißt im wahren Leben nicht Markus. Die Überbelegung sei ein besonders brisantes Thema. In der JVA gibt es offiziell 670 Haftplätze und etwa 700 Gefangene. Markus selbst hat gerade einen Beitrag zum Thema „Reichsbürger“ verfasst, die behaupten, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Ein Gefangener in Mannheim zähle auch zu ihnen.

dpa

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