Agrarmimister Schmidt plant Tierschutzlabel
Berlin - Um die Qualität anstelle des Preises in den Mittelpunkt zu rücken, will der Agrarminister artgerechte Tierhaltung mit einem Label sichtbar machen. Dahinter steckt auch Sorge um die Agrarbranche.
Der Wettbewerb für Nahrungsmittel in Deutschland sei relativ schwierig, sagte der CSU-Politiker am Freitag. Er hoffe auf eine „Abkehr vom reinen Preiswettbewerb hin zu einem Qualitätswettbewerb“. Das Label solle „eine verständliche und einfache Kaufentscheidungshilfe“ bieten, heißt es im „Grünbuch Ernährung, Landwirtschaft, Ländliche Räume“, das Schmidt in Berlin vorstellte.
Ein nationales Gütesiegel in diesem Bereich hält der Minister, der kürzlich mit einer Forderung nach Schweinefleisch an Schulen und Kitas sowie dem Verbot von Fleischbezeichnungen für vegetarische und vegane Lebensmittel für Aufsehen sorgte, für wichtig, um eigene Label großer Konzerne zu verhindern, die wenig objektiv und für Verbraucher schwer vergleichbar wären.
Das Tierwohllabel soll Schmidt zufolge mehrere Stufen haben und einen „signifikanten Marktanteil“ erreichen. Welche Kriterien Tierhalter und Schlachthöfe erfüllen müssen, ist noch nicht bekannt. Details will Schmidt im Januar auf der Grünen Woche in Berlin präsentieren. Davor werde er noch „intensive Gespräche“ mit den Beteiligten führen, sagte Schmidt. Es sei nicht einfach, die Interessen unter einen Hut zu bringen, „es geht aber.“
Die bereits bestehende Brancheninitiative Tierwohl sehe er als „Baustein“, nicht als eine Alternative für das neue Label, sagte Schmidt. Auch bestehende Bio- oder Ökolabel sollen nicht ersetzt werden.
„Breite gesellschaftliche Akzeptanz “ für deutsche Landwirtschaft
38 Prozent der Deutschen glauben, dass den meisten Bauern das Wohl der Tiere nicht so wichtig ist, wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Agrarministeriums Anfang Dezember ergab. „Die deutsche Landwirtschaft kann langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn sie von einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz getragen ist“, sagte Schmidt. Diese sei aus seiner Sicht „derzeit nicht durchgängig festzustellen.“
Mit Blick auf Grabenkämpfe zwischen Öko- und konventioneller Landwirtschaft forderte der Minister, eine Diskussionskultur „für besseres Verständnis und mehr Akzeptanz“ zu entwickeln. Die Landwirtschaft dürfe nicht „Opfer politisch-ökologischer Glaubenskriege“ werden. Zugleich will Schmidt sich für in den Regionen verwurzelte und von Familien geführte Betriebe stark machen. Nicht-landwirtschaftlichen und ausländischen Investoren müsse der Zugriff auf Boden erschwert werden.
Grüne: „Mut- und planlose Maßnahme“
Kritik an Schmidts Grünbuch kam von den Grünen. Es sei „mut- und planlos“ und enthalte wenig konkrete Maßnahme, sagte Parteichefin Simone Peter der Deutschen Presse-Agentur. „Weder ist er willens, die ausufernde industrielle Massentierhaltung einzudämmen, noch die enormen Umwelt- und Klimaschäden der intensiven Agrarwirtschaft zu reduzieren.“
Weniger Zucker, mehr Tierschutz - Was der Agrarminister will
Die Zeit des grenzenlosen Wachstums in der Landwirtschaft ist für Agrarminister Christian Schmidt vorbei. Der CSU-Politiker will im Streit zwischen Megastall-Besitzern, kleinen Familienbetrieben, Biobauern und Agrar-Romantikern vermitteln - und das Image der Branche aufpolieren. Wichtige Punkte seines „Grünbuchs“:
TIERSCHUTZ: Soll in der Landwirtschaft wichtiger werden. Ein staatliches Tierschutzlabel soll Bürgern beim Einkaufen helfen, Fleisch aus artgerechter Haltung ausfindig zu machen. Zudem will Schmidt den Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung senken. Ein nationaler Tierwohlbeauftragter soll sich künftig um das Thema kümmern.
ERNÄHRUNG: Soll ein Schulfach werden. Schmidt will mit einem „Schulessen-Check“ einen Qualitätsnachweis für Essen in Schulen und Kitas schaffen, das zudem von der Mehrwertsteuer befreit werden soll. Die Lebensmittelbranche soll weniger Zucker, Salz und Fett in ihren Produkten verarbeiten und freiwillig Produkteigenschaften über ein „Zeichensystem“ erkennbar machen. Auch die Regionalkennzeichnung soll als Marketing-Instrument weiter ausgebaut werden.
AGRARFÖRDERUNG: Soll sich stärker am tatsächlichen Bedarf orientieren und vor allem Familienbetrieben zugute kommen statt „außerlandwirtschaftlichen“ Investoren. Schmidt will Junglandwirte besser fördern und mit Hilfe der Bundesländer sicher stellen, dass selbstständige Landwirtschaftsbetriebe auch selbstständig bleiben. Die Förderstruktur soll vereinfacht werden - dafür ist aber in ganz erheblichem Maße nicht die Bundesregierung, sondern die EU zuständig.
BIO, KLIMA- und NATURSCHUTZ: Hier setzt Schmidt auf Freiwilligkeit, weniger auf Vorschriften. Das bekannte Ziel, 20 Prozent der deutschen Agrarflächen ökologisch zu bewirtschaften, soll „mittelfristig“ erreicht werden. Die neue Düngeverordnung, die unter anderem Gewässer schützen soll, sieht er „auf der Zielgeraden“. Die Regierung sei sich einig, bei Bundestag und Bundesrat gebe es einen „Grundkonsens“.
GENTECHNIK: Schmidt betont stets, dass kein Bundesland gezwungen werden soll, Gentechnik zuzulassen. Im „Grünbuch“ steht aber auch: „Wir dürfen uns nicht von allen neuen Entwicklungen abschneiden.“ Das gentechnische Verfahren CRISPR/Cas, bei dem Erbgut wie mit einem Skalpell „zerschnitten“ wird, will er für die Landwirtschaft gründlich erforschen und umfassend beurteilen lassen.
dpa