Neue Homeoffice-Pflicht: Das müssen Mitarbeiter jetzt wissen - Top-Anwalt klärt auf

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat der Bund die Homeoffice-Regelung weiter verschärft. Doch viele Punkte sind unklar. Der Arbeitsrechts-Spezialist Wolfgang Wittek klärt auf.
München – In Deutschland müssen Beschäftigte künftig im Homeoffice arbeiten*, sofern es ihnen möglich ist. Das geht aus der aktuellen Novelle des Infektionsschutzgesetzes hervor, die am Freitag (23. April) in Kraft getreten ist. Doch was bedeutet die Neuregelung für Arbeitnehmer konkret? Gibt es Ausnahmen von der Homeoffice-Pflicht? Und was müssen Arbeitgeber wissen? Was jetzt gilt, erklärt Wolfgang Wittek, Arbeitsrechtler bei der auf Gesellschaftsrecht spezialisierten Kanzlei Noerr.
Die Bundesregierung hat das Infektionsschutzgesetz überarbeitet und dabei auch die gesetzliche Homeoffice-Regelung verschärft. Wo liegt bei der Neu-Regelung für Heimarbeit der zentrale Unterschied zur bislang gültigen Homeoffice-Vorgabe?
Bislang mussten Arbeitgeber auf Basis der Corona*-Arbeitsschutzverordnung im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten ihren Arbeitnehmern anbieten, diese Tätigkeit in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Daran hat sich nichts geändert. Die Mitarbeiter mussten dieses Angebot allerdings bisher nicht annehmen. Das ändert der neue § 28b Abs. 7 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Danach sind Beschäftigte jetzt verpflichtet, das arbeitgeberseitige Homeoffice-Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. An entgegenstehende Gründe werden allerdings keine hohen Anforderungen gestellt. Im Ergebnis wird die Neuregelung daher mehr als Appell wirken.
Also müssen Arbeitnehmer jetzt ins Homeoffice?
Nein, nicht zwingend. Der Arbeitgeber muss Beschäftigten, die grundsätzlich im Homeoffice arbeiten können, zwar grundsätzlich ein entsprechendes Angebot machen und die Mitarbeiter sind in der Theorie verpflichtet, dieses Angebot anzunehmen. Sie können es aber ablehnen, wenn es Gründe dafür gibt. Der Gesetzgeber denkt zum Beispiel an: „räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende technische Ausstattung“. Es können aber auch andere Gründe sein.
Ab wann gilt die Regelung?
Die gesetzliche Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes tritt am 23. April 2021 in Kraft. Die Regelung endet nach aktuellem Stand automatisch spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021.
Aber bestimmte Berufsgruppen wie Handwerker oder BMW-Werker am Band können kaum von zu Hause aus arbeiten. Für welche Berufe und Berufsgruppen gilt die Regelung konkret?
Die Homeoffice-Regelung gilt wie bisher für Beschäftigte, die Bürotätigkeiten oder vergleichbare Tätigkeiten verrichten, also Tätigkeiten, die von Zuhause ausgeübt werden können. Auf Produktionsmitarbeiter am Band oder Handwerker findet die Regelung keine Anwendung.
Was bedeutet die Regel für Arbeitgeber? Müssen Sie ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken oder ist das eine Ermessensfrage?
Für Arbeitgeber ergeben sich keine neuen Pflichten. Sie müssen grundsätzlich weiterhin den Mitarbeitern, die Bürotätigkeiten oder vergleichbare Tätigkeiten verrichten, anbieten, das von zuhause aus zu tun. Das gilt nur dann nicht, wenn zwingende betriebsbedingte Gründe dagegen sprechen. Ein „zwingender“ betriebsbedingter Grund wird sich aber nur selten finden. Denkbar ist zum Beispiel, dass umfangreiche Unterlagen nur im Büro verfügbar sind und ohne unverhältnismäßigen Aufwand nur dort eingesehen werden können, dort aus Geheimnisschutzgründen sortiert und verwahrt werden müssen usw.

Dürfen Arbeitgeber die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter im Homeoffice kontrollieren?
Die Änderung des IfSG erweitert die Kontrollmöglichkeiten für Unternehmen nicht. Arbeitgeber dürfen die Arbeitsleistung ihrer Beschäftigten im Homeoffice in gleichem Maße kontrollieren wie bisher. Unangekündigte und nicht abstimmte Kontrollbesuche des Arbeitgebers beim Mitarbeiter zuhause sind ohne entsprechende Vereinbarung in einer Homeoffice-Vereinbarung nicht möglich – dies folgt aus Art. 13 GG, wonach die Wohnung unverletzlich ist. Bei Homeoffice-Einsätzen könnten Arbeitgeber aber zum Beispiel verlangen, ihnen einen wöchentlichen Tätigkeitsbericht zu schicken. Wenn das Telefonieren zum Jobprofil gehört, kann der Mitarbeiter natürlich auch zuhause angerufen werden.
Können Arbeitnehmer umgekehrt darauf bestehen, dass sie auch weiterhin ins Büro gehen, etwa, weil sie keinen angemessenen Heimarbeitsplatz haben oder es schlicht an den technischen Voraussetzungen wie etwa einem entsprechenden Computer mangelt?
Ja. Die Gesetzesbegründung sieht „räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende technische Ausstattung“ explizit als Gründe für eine Ablehnung des arbeitgeberseitigen Homeoffice-Angebots vor.
Was passiert, wenn Arbeitnehmer sich dennoch weigern, im Homeoffice zu arbeiten: Kann der Arbeitgeber sie über Sanktionen dann dazu zwingen?
Wenn Arbeitnehmer Gründe haben, nicht im Homeoffice arbeiten zu können, können Arbeitgeber sie letztlich nicht dazu zwingen. Etwaige arbeitsrechtliche Maßnahmen oder Sanktionen, wie beispielsweise eine Abmahnung oder gar Kündigung, dürften unwirksam sein. Nur bei Fehlen entgegenstehender Gründe auf Seiten des Mitarbeiters kann der Arbeitgeber Homeoffice-Arbeit in der Theorie mit solchen Mitteln durchsetzen. Das macht aber nur Sinn, wenn das Unternehmen sich sehr sicher ist, dass es aufseiten des Mitarbeiters keine entgegenstehenden Gründe gibt.
Welche Strafe droht Arbeitgebern, wenn sie Homeoffice nicht ermöglichen bzw. ihre Mitarbeiter nicht ins Homeoffice schicken?
Die gesetzliche Neuregelung sieht bei Verstößen keine Strafen oder Bußgelder für den Arbeitgeber vor. Der Verstoß gegen die Homeoffice-Regelungen ist weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers. Die Neuregelung ist daher im Kern ein zahnloser Tiger. Denkbar ist nur, dass sich der Arbeitgeber im Einzelfall unter Umständen schadensersatzpflichtig macht, wenn er gegen die Pflicht zum Homeoffice-Angebot verstößt. Das wird aber sehr selten der Fall sein. Schützen sollten sich Unternehmen dennoch schon aus Reputationsgründen. Sie sollten ihren Beschäftigten die Tätigkeit aus dem Homeoffice grundsätzlich anbieten und – wenn sie es nicht tun – dokumentieren, warum welche „zwingende betriebsbedingte Gründe“ gegen ein Homeoffice-Angebot bestehen. Die Ablehnung des Angebots durch den jeweiligen Mitarbeiter und deren Begründung sollte ebenfalls dokumentiert werden.
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